[Spoiler] Die Fallout Chroniken: Buch I: Ein seltsamer Wanderer - Alternative F4 Geschichte

  • 415. Vergangenheit trifft auf Gegenwart III

    Francis stand an der Dachkante und starrte in die Tiefe. Mit einem Schritt könnte er sein Leiden und Schmerzen einfach beenden. Von hier oben ging es mindestens 15 Meter hinunter. Es war unwahrscheinlich, dass er diesen Sturz überlebte. Er zögerte und blickte in das zerstörte Boston vor ihm. Er wusste, dass Blue etwa zwei Meter von ihm entfernt abwartend stand. Das irritierte Francis. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass Blue ihn von seinem Ansinnen abhielt. Nichts dergleichen passierte im Moment. "Ich fühle mich im Moment wie meine alte Heimat. Auf immer zerstört und leer. Verloren und von der Zeit vergessen. Ich gehöre nicht in diese Welt." zischte er. Wut und Trauer vermischten sich in seiner Stimme. "Als dieser Wichser Kellogg meine Frau getötet hat, war im Endeffekt mein Sohn ebenfalls tot. Als Shaun ... mich ... gerade derart ... abgelehnt hat ... ich ... er ... für einen Moment habe ich mich selbst gesehen. Eiskalt. Für seine Sache über Leichen gehend ... es liegt wohl in der Familie ... dass wir nach einer Zeit ... zu Monstern werden."


    Kurz schluckte Francis und sah zu Blue hinüber. Der hatte mittlerweile sein Position gewechselt und sich am Rand des Daches hingesetzt. Seine Beine baumelten herunter. Francis und Blues Blick trafen sich für einen Moment. Ein nicht zu deutender Ausdruck stand in Blues Augen. Er war ungewöhnlich ruhig. "Du irritierst mich immer wieder, Großer. Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass du mich zurückreisst und kampfunfähig schlägst. Du bist doch sonst so ein Messias ... es sei denn ..." Mit einem Mal lachte Francis laut und gehässig auf. Beinahe klang es so, als würde er gleich völlig den Verstand verlieren und jeden anfallen, der ihm in die Quere kam.


    " ... du hast mich die ganze Zeit benutzt ... habe ich recht? Du hattest bereits am Anfang einen Verdacht, wo mein Sohn abgeblieben war ... als du ihn dann gefunden hast ... da hast du dich dafür entschieden ... mich dafür zu benutzen, ihn dir gefällig zu machen ... damit du deinen perfiden Plan, die Menschen des Commonwealths zu unterjochen umsetzen kannst ... mit Sicherheit warten irgendwo andere wie du, auf deinen Befehl zu erscheinen ... es geht in dieser Welt doch nur noch darum, wer die Macht hat ... aber da hat dir mein Sohn Shaun einen Strich durch die Rechnung gemacht ... und jetzt lässt du mich fallen ... weil ich für dich wertlos geworden bin ... Ich werde deine Pläne durchkreuzen." schnaufte Francis wütend.


    Es wurde mehr als deutlich, dass die Situation mit Shaun sich massiv auf seine geistige Verfassung auswirkte und er an jeder Ecke Verrat wittert. Er zog mit einer Hand seine Pistole aus dem Halfter, während er sich mit der anderen auf der Krücke abstützte, dann zielte er auf Blue Kopf. Der Finger von Francis lag auf dem Abzug. Nur eine kleine Bewegung und aus Leben wurde Tod. Blue blieb weiterhin ruhig und bewegte sich nicht. Aber er begann zu sprechen. "Bevor du einen großen Fehlers machst, nämlich einen guten Freund, in deinem tiefen Zorn und Kummer zu erschießen, würde ich dir einige Dinge erklären ..." brummte Blue ruhig.


    " ... da bin ja gespannt, welche ergreifende Ausrede du dir jetzt wieder einfallen lässt ... deine Zunge ist noch gefährlicher als deine Kraft ... sie ist wie ein benebelndes Gift ... du hast mich bereits einmal eingelullt ... noch einmal wird dir das nicht gelingen ... nicht wie in Sanctuary ... vielleicht werde ich dir die Zunge nach deinem Ableben herausschneiden und mir als Andenken aufheben ... mein *abfälliges Lachen* lieber Freund ... los rede, damit wir es beenden können." gifte Francis bar jeder Vernunft. Er hatte endgültig nichts mehr zu verlieren. Gewarnt durch Francis Verfassung vermied Blue alles, was ihn reizen konnte und starrte ebenfalls auf die zerstörte Innenstadt als er weitersprach.


    Jedes Wort, das er jetzt aussprach, wählte er mit Bedacht. " ... ich wollte eigentlich nur mit dir reden ... bevor du einen endgültigen Schritt machst ... " Blue seufzte kurz. "... anders. Francis, ich weiß, dass du schon lange den Wunsch hegst aus dieser Welt zu scheiden ... eine Welt, die dir alles genommen hat, ... Frau, Kind und noch vieles mehr. Natürlich wäre es mein erster Impuls gewesen ... aber ich meine, welches Recht habe ich dazu? Du würdest es irgendwann wieder versuchen ... wenn ich unachtsam oder mit anderen Dingen beschäftigt bin ... deshalb meine Zurückhaltung. Ich habe gehofft, dich mit Worten zu überzeugen. Als dein Freund an dich appellieren zu können, noch auf dieser Welt zu bleiben ... "


    Auch wenn Francis es nicht wollte, begannen die Worte Wirkung zu zeigen. Ein Teil von ihm dachte über die Worte nach, doch gleichzeitig fachten sie seine Wut weiter an. " ... ach die Tour fährst du ... du kannst dir dein geheucheltes Mitleid und Freundesding dort hinschieben, wo die Sonne bei dir niemals hin scheint ..." Francis spannte den Abzug und schoss. Blue gelang es gerade eben noch den Kopf so einzuziehen, dass die Kugel nur die oberste Hautschicht durchfräste. Sofort handelte er. Francis würde keinen zweiten Schuss mehr aus dieser Pistole abgeben. Er machte eine Ausweichbewegung und trat dabei nach Francis Krücke und Bein. Während der sich noch ärgerte, dass er seinen vermeintlichen Freund verfehlt hatte, traf ihn der Tritt. Francis fiel nach hinten, weg von der Dachkante. Die Pistole flog aus der Hand und rutschte weiter nach hinten aufs Dach.


    Zunächst außerhalb der Reichweite von Francis. Während der versuchte sich aufzurichten, war Blue bereits über ihn und drückte ihn mit Bedacht herunter. Dabei hielt er mit seinen Händen Francis Oberarme fest, während sein Knie auf Francis Becken ruhte. Francis wehrte sich aus Leibeskräften und spuckte teilweise wutentbrannt aus. "Fuck, Fuck, Fuck. Ich hätte dir gleich die Kugel in den Schädel schießen sollen. Dann bring es jetzt endlich zu Ende oder willst du dich auch noch an meinem letzten Kampf ergötzen ... *Aargh*" brüllte er böse. "Verdammt, Francis. Komm wieder zu Besinnung. Ich will dich nicht verletzen. Bitte zwing mich dazu. Ich versuche nur, einem guten Freund in seiner dunkelsten Stunde beizustehen. Wenn ich dich wirklich nur benutzt hätte, würde ich mir jetzt die Mühe machen, dich so festzuhalten? Mir wäre es gerade jetzt ein leichtes, dir deinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen ..." brummte Blue bekümmert.


    Francis hob den Kopf an, um Blue anzuspucken. Dabei trafen sich die Blicke der beiden erneut. In dem Moment war es, als würde die Zeit stehen bleiben. Francis sahen in ein paar von Kummer und Sorge geplagte Augen, die verzweifelt nach einem Ausweg zu suchen schienen. In dem Augenblick wurde Francis bewusst, dass sein Gegenüber es ernst meinte. Augen waren das Fenster zur Seele und sie waren es die Jemandes Ansinnen trotz Schauspielerei enttarnen und verraten konnten. Francis brüllte in dem Moment seinen Zorn und Kummer heraus. "So eine gottverdammte Scheiße ... Warum ich ..." dann erschlaffte Francis und schloss die Augen. Eine dumpfe Taubheit umfing ihn für einen Moment und er fühlte eine tiefe Erschöpfung. Aber sein brennender Zorn war verflogen. Er öffnete die Augen und sah wieder seinen bekümmerten Freund an, der ihn immer noch auf ihm hockte und aufmerksam festhielt.


    "Blue?" "Hmm?" "Ich ... Es tut mir leid ... Danke." "Geht es wieder?" Francis nickte müde. "Dann werde ich dich loslassen." sagte Blue und beobachtete Francis immer noch sehr aufmerksam. Während der sich auf seine Arme stützte um sich aufzurichten, griff Blue mit der einen Hand nach der Krücke, die in seiner Nähe am Boden lag. Die andere hielt er Francis hin. Der zögerte einen Moment, nahm dann aber die Hilfe an. Zwei Minuten später stand er wieder auf seinem Bein und sah nachdenklich vor sich hin. "Schon mehrere Male habe ich versucht, dich umzubringen. Auch wenn ich das ein oder andere Mal darüber keine Entscheidungsgewalt hatte. Trotzdem stehst du immer noch zu mir *kurzes verbittertes Auflachen* schützt mich sogar vor mir selbst ... Aber wie soll es jetzt mit mir weitergehen. Was kann ich denn schon außer Tod zu bringen in dieser Welt tun ..."


    "Wirkliche Freunde stehen einem auch in schlimmen Situationen bei. Hätte ich meine nicht gehabt ... dann wäre ich dieser Welt auch schon verfallen, Francis." brummte Blue. Francis schaute kurz fragend. "Das werde ich dir beizeiten erklären. Aber es geht jetzt um dich. Um auf deine Frage nach deinem Nutzen in dieser Welt zurückzukommen. Du tust bereits etwas sehr Wichtiges und Sinnvolles. Indem du unseren Leuten deine Kenntnisse und Erfahrung betreffend des Commonwealths und besonders darüber hinaus auf den Weg gibst, verhinderst du vielleicht, dass ein weiterer Vater / Mutter ihr Kind an diese Welt verliert. Ich ... ich weiß nicht ... ob meine Worte helfen... ob sie die richtigen sind ... über deinen Verlust hinwegzukommen ... Aber ich möchte, dass du das weißt."


    Auch wenn Francis es immer noch schwerfiel mit Blues Langmut zurecht zu kommen, regte es ihn zum Nachdenken an. "Ich weiß nicht. So habe ich es noch nicht gesehen. Ich brauche einige Zeit, darüber nachzudenken. Vielleicht muss ich abschließen. Mit der Vergangenheit. Es gibt eine Sache, die ich über die Zeit vernachlässigt habe. Vielleicht habe ich gedacht, dass es nur ein böser Traum ist, aus dem ich wieder aufwache. Ich ... Nora ... ich habe mein Frau in diesem Kühlschrank zurückgelassen ... nur ich habe es nicht übers Herz gebracht ... ihr eine tatsächliche Ruhe zu verschaffen ... ich ... kannst du ..." Francis blickte auf den Boden. "Auch dabei werde ich dir helfen. Komm. Lass uns heimgehen. Codsworth vermisst dich bestimmt schon." Beide machten sich schweigsam auf den Rückweg Richtung Sanctuary.

  • 416. Verdeckt ins Commonwealth

    Als Blue und Francis sich Richtung Sanctuary aufmachten kamen Jeremiah Bardeen und seine Leute endlich an den Grenzen des eigentlichen Commonwealths an. Sie hatten zwar in der Einöde des Ödlands eine gute Zuflucht gefunden, mussten aber feststellen, dass die Reise von dort mehr als strapaziös waren. Was von oben aus wie eine leichte und hüglige Landschaft aussah, stellte sich am Boden als Gegend mit vielen kleineren Schlucht dar, von denen ein guter Teil durch Strahlung und andere Dinge als nicht überquerbar darstellten. Häufig mussten sie umkehren und einen anderen Weg ausprobieren. Erst vor zwei Tagen hatten sie eine begehbare Straße gefunden, die sie Richtung Commonwealth führte. Den ersten Tag waren sie allein auf ihr unterwegs, aber das änderte sich am zweiten Tag schlagartig. Je näher sie dem Commonwealth kamen, desto mehr war auf ihr los.


    Vor ihnen liefen mindestens zwei Händler samt Bewachung und Brahmins. Immer wieder schauten sie argwöhnisch zu Bardeen und seiner Gruppe. Durch einen sich immer noch hartnäckig haltenden Nebel sahen sie In ihren mittlerweile ziemlich zerschlissenen langen und braunen Reisemänteln und den tief ins tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen nicht gerade vertrauenserweckend aus. Auch hinter liefen einige Familien auf Abstand zu ihnen. Mit einem Mal wurde die Straße vor ihnen besser und Bardeen stellte fest, dass hier vor nicht allzu langer viel Ausbesserungsarbeiten vorgenommen worden sein mussten. In einiger Entfernung gab es aus irgendeinen Grund einen Rückstau auf der Straße. Einige kleine Menschentrauben standen und liefen nicht weiter. Auf den Anhöhen vor ihnen konnten sie irgendwelche Gebilde erkennen, die aber der wabernde Nebel zur Unkenntlichkeit verzerrte.


    Einige Zeit später schlossen sie zu den Gruppen auf. Jetzt konnte Jeremiah auch erkennen, was auf der Straße vor ihnen los war. Eine etwas größere Karawane, bestehend aus etwa 10 Brahmins und dreißig Leuten inklusive dem Karawanenführer blockierte die Straße und diskutierten mit einigen blaugekleideten Personen. Dahinter konnte man ein Tor, aus einer Kombination von Holz und Metall erkennen, das sich über die Straße spannte. Die Tore standen offen. Jetzt wusste Jeremiah, was das für Gebäude auf den Anhöhen waren. Es waren Spähtürme. Die Straße hier schien von irgendwen überwacht zu werden. Vermutlich von der Gruppe in der blauen Kleidung. Er besah sich die Karawane vor ihm und wurde das Gefühl nicht los, dass mit dieser irgendetwas nicht stimmte. Er konnte nur nicht sagen was und besah sie sich genauer.


    Die Brahmins waren ziemlich unruhig und einige Karawanenangehörigen bedachten sie mit brutalen Tritten. Keine anständige Karawane würde das mit ihren Transporttieren anstellen. Auch wenn Brahmins gemeinhin als genügsam und ruhige Tiere galten, war es äußerst unklug diese bis aufs Blut zu reizen. Diejenigen schienen keine Ahnung von der Handhabung dieser Tiere zu haben. Auch gefielen Jeremiah Bardeen die finsteren Gesichter dieser Gesellen vor ihnen nicht. Ähnlicher Meinung schienen die Leute am Tor zu sein, wie er durch einige Wortfetzen der Diskussion mit dem vermeintlichen Karawanenführer und einem der Männer des Tores mitbekam. Ihnen kam die Gruppe scheinbar auch nicht geheuer vor.


    " ... ich frage euch nochmal, was habt ihr genau dabei? Allerlei von dem und dem reicht uns nicht ... außerdem glaube ich auch nicht, dass ihr die drei Brahmins dahinten einen der bekannten Händler abgekauft habt. Weiß du, was ich denke? Das ihr ein paar unser bekannten Händler um ihr Leben und Besitz gebracht habt ..." Der Anführer der Karawane tat für einen Moment so, als wäre er über die Anschuldigung empört, dann verzog er seine Gesicht zu einer teuflisch grinsenden Grimasse. Bereits in diesem Moment war Jeremiah in höchster Alarmbereitschaft. Durch kurze abgesprochene Zeichen traten zwei seiner Leute schützend vor ihm. Die anderen machten sich bereit, die vermeintlichen Karawanenmitglieder daran zu hindern nach hinten durchzubrechen und den Familien hinter ihnen Schaden zuzufügen.


    "Tja, da habt ihr uns wohl erwischt. Seid wohl doch nicht so doof, wie ihr blauen Hampel ausseht ... nun dann schneiden ich euch jetzt halt hier die Hälse durch. Liegt mir eh eher, als das in der Nacht zu tun ... Los Jungs, ab geht die Party. Erst blasen wir die Schlappschwänze mit einem anständigen Feuerwerk aus ihren Schuhen und danach gehen wir schön nach Coastal Cottage weiterfeiern." lachte der Karawanenführer gehässig und zog blitzschnell ein ausfaltbares Klappmesser aus einem seiner Ärmel. Der Minutemen wich mit einem gekonnten Sprung nach hinten aus. In Wirklichkeit bestand die gesamte Karawane aus Raidern. Die gingen sofort zum Angriff über und schlagartig brach die Hölle los. Schüsse, Schreie und kleinere Explosionen erklangen. Von hinter dem Tor kamen mehrere Gruppen der blau gekleideten Leute gerannt. Plötzlich hörte man eine Glocke schlagen und im gleichen Moment schoss eine rote Leuchtrakete nach oben.


    Zwar irritierte das für einen Augenblick die Raider und die anderen Anwesenden, aber das war es dann auch schon. Die anderen Leute und Familien versuchten panisch Deckung zu finden. Einige von Jeremiahs Leuten stellten sich schützend vor sie, während die anderen das Feuer auf den rückwärtigen Teil der Raiderkarawane eröffneten. Eingekeilt zwischen seiner Gruppe und den blaugekleideten Leuten begannen einige der Raider zu fluchen. Damit hatten sie nicht gerechnet. Nach einem heftigen Schusswechsel und etwa fünfzehn Minuten später hatte die komplette Raidergruppe für ihren versuchten Angriff mit dem Leben bezahlt. Erleichtert atmeten die Familien auf und auch Jeremiah war froh, dass der Kampf nur kleinere Blessuren bei seinen Leuten verursacht hatte. Eine Gruppe der blaugekleideten Leute kam mit gesenkten Waffen auf sie zu.


    Sofort schaute der Rest von Jeremiahs Gruppe aufmerksam und einige von ihnen stellten sich schützend vor den Ältesten. Überrascht blieb der Anführer der Gruppe, ein älterer uniformiert Mann stehen und schien einen Moment zu überlegen. Dann steckte er seine Waffe weg und gab seinen Leuten ein Zeichen es gleich zu tun. "Ihre Leute können die Waffen wegstecken. Sie sind von weit außerhalb, nehme ich an?" fragte er Jeremiah direkt. Der nickte. "Wir kommen von einer Siedlung ziemlich weit westlich und sind schon lange unterwegs. Eigentlich sind wir Händler, aber eines Nachts haben feige und hinterhältige Raider viele meiner Karawanenwächter erschlagen. Dabei haben sie unsere Waren und Brahmins mitgehen lassen. Seitdem sind wir auf der Suche nach neuen Brahmins und einem sicheren Handelsplatz." klärte der Älteste den Mann vor ihm auf. Solange sie im Commonwealth waren, würden die Gruppe der westlichen Bruderschaft diese Tarnidentität annehmen. So lange bis sie mehr über die Dinge wussten, die vor Ort passierten.


    "Mein Name ist übrigens Jerry Bell. Uns war es ein Vergnügen Ihnen gegen dieses verdammte Raiderpack zu helfen. Darf ich fragen, zu welcher Gruppe Sie und Ihre Leute gehören?" fragte Jeremiah sichtlich interessiert und lächelte dabei. "Wie gesagt, wir sind hier völlig fremd und würden uns gerne mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut machen." Der blau uniformierte Mann betrachtete nochmals prüfend den vor ihm stehenden dunkelhäutigen, älteren Mann mit den schwarzen, im Ansatz bereits grau melierten Haaren. Dieser erwiederte den Blick durch eine Brille mit leicht verblassten goldfarbenen Rahmen. Der Uniformierte räusperte sich leicht. "Ich bin Sgt. Ramirez. Ich gehöre zu den Minutemen und wir kontrollieren die nördlichen Straßen ins Commonwealth. Wir beschützen die Bewohner und Siedler vor den Gefahren, die hier vor Ort herrschen. Mein Jungs und ich sind echt dankbar, dass Sie uns unterstützt haben. Das ist schon der achte ... nee neunte Angriff diese Woche. Dieses Raidergesocks lässt sich immer wieder was neues einfallen, um an unseren Checkpoints vorbeizukommen ... nun ja ... deshalb auch das anfängliche Misstrauen Ihnen gegenüber, Mr. Bell." erklärte Ramirez höflich.


    Während die beiden sich unterhielten, kümmerten sich die anderen Minutemen um die Familien und die Überbleibsel der Raider. "Also, da Sie hier völlig fremd sind, würde ich Ihnen empfehlen erst einmal in der Siedlung Costal Cottage Rast zu machen. Mein guter Freund Lenny hat dort ne nette Kneipe und vermietet auch saubere und ruhige Zimmer. Und er hat Ahnung vom Commonwealth wie kein Zweiter. Vielleicht kann er Ihnen weiterhelfen. Falls Sie bei ihm einkehren wollen, grüßen Sie ihn schön vom alten Ramirez. Dann sollte er Ihnen die Zimmer zu einem Freundschaftspreis anbieten. Ist meine Art persönlich nochmal Danke zu sagen, Mr. Bell." zwinkerte der Sgt. leicht. Dann gab er sein Leuten Anweisung die Gruppe ohne weitere Umschweife ziehen zu lassen und verabschiedete sich anschließend.


    Eine ganze Zeit, nachdem Jeremiah und seine Leute das Tor passiert hatten, gesellte sich Gelehrter Darrington zu ihm. "Wir müssen unser Berichte aus dem Commonwealth wohl ziemlich aktualisieren. Wie es mir scheint, ist die Gegend hier auf dem Weg zu geordneten Verhältnissen. Wirst du den Rat dieses Ramirez annehmen ... Jerry?" Der Älteste bejahte die Frage seines Gelehrten. "Ja, es scheint mir sinnig, um an adäquate Informationen zu kommen. Außerdem, wenn ich ehrlich bin, hätte ich nichts gegen ein wenig zivilisatorische Annehmlichkeiten. Wie zum Beispiel ein vernünftiges Bett." sagte Jeremiah nachdenklich. Darrington schmunzelte leicht. Er konnte seinen Freund gut verstehen. Das letzte Mal, dass sie in Ruhe und ohne große Sorge in einem Bett schlafen konnten, war in ihrer Zuflucht im Lassen gewesen. Was mittlerweile ziemlich lange her war.

  • 417. Familienbekanntschaft

    Jeremiah saß im Zimmer der Unterkunft in der Siedlung Costal Cottage und lehnte sich nachdenklich auf seinem Stuhl zurück und starrte eine ganze Zeit auf die Holzdecke über ihm. Sie waren der Empfehlung von Sgt. Ramirez gefolgt und in die Kneipe "Zum besoffenen Mirelurk" eingekehrt. Der Älteste war eine ganze Zeit bei Lenny geblieben und hatte seinen Erzählungen gelauscht. Larry war in Costal Cottage so etwas wie der gute Geist. Er kümmerte sich besonders aufopferungsvoll um die Neuankömmlinge, die über die nördlichen Straßen in das Commonwealth kamen. Nach Ende des Gesprächs bekam er von Lenny eine kommentierte Karte des Commonwealths und einige weitere wohlgemeinte Ratschläge. Der Inhaber des "Besoffenen Mirelurks" hoffte, dass er damit dem vermeintlichen Jerry Bell und seiner Karawanengruppe weiterhalf.


    "Drake hier zu finden, wird sein wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen. Vor allem bei den ganzen Siedlungen und Menschen. Mit Sicherheit wird er sich irgendwo versteckt halten. Uff ... aber Lenny hat recht. Ich sollte meinen Leuten wirklich ein paar Tage Ruhe gönnen. Danach können wir gestärkt nach ihm suchen gehen ..." Der Älteste wurde in seinen Gedankengang durch ein Türklopfen unterbrochen. "Ja? Wer da?" fragt Jeremiah misstrauisch und entsicherte vorsichtshalber seine Laserwaffe. Er hielt sie schussbreit unter dem kleinen Tisch, an dem er im Augenblick saß. Er war allein auf dem Zimmer verblieben. Die anderen waren in der Siedlung unterwegs und erkundeten sie. Sie hofften auch eventuell irgendwelche Gerüchte über ihren vermissten Freund zu bekommen.


    "Ich bins ... Jerry, Leo. Darf ich eintreten?" Der Älteste schnaufte erleichtert. "Natürlich. Schon wieder aus der Siedlung zurück, mein Freund? Ich dachte, du würdest noch eine ganze Zeit brauchen?" fragte er Leo, der gerade eintrat. Der nickte. "Ich habe einige Gerüchte und Geschichten gehört, die wir bei der Suche von Drake berücksichtigen sollten. Aber ich denke, der gute Lenny wird dir auch bereits schon einiges zum Nachdenken gegeben haben, wenn ich dein Gesicht so sehe." stellte Leo fest, als er Jeremiah ins Gesicht sah. "Ein wenig? Mein Freund, dieser Lenny ist ein wandelndes Lexikon. Ziemlich selten für einen Ödländer. Allein in der ersten Stunde habe ich mein Notizblock vollgeschrieben ... nach dem Gespräch hat er mir eine Karte des Commonwealths mit seinen Siedlungen und sonstigen wichtigen Punkten gegeben. Was für unsere Suche enorm wichtig sein könnte." Er rollte dabei die Karte auf und zeigte sie Leo.


    Der Gelehrte runzelte überrascht die Stirn. "Ganz schön akkurat. Bereiche, die man meiden sollte bzw. nur mit besonderes starken Schutz betreten sollte, sind auch eingezeichnet." Leo Darrington besah sich die Karte sehr genau, dann weiteten sich seine Augen vor Überraschung. "Logan Airport. Gebiet der stählernen Bruderschaft. Nicht betreten. Hast du das schon gesehen?" Jeremiah nickte seufzend. "Ja. Leider. Lenny hat mich eindringlich davor gewarnt, den Weg dort unten mit ihnen zu kreuzen. Zwischen unseren Brüdern und ihnen scheint es schon zu unschönen Zusammenstößen gekommen zu sein. Einmal ist es wohl so weit eskaliert, dass sie Leute aus dieser Minutemengruppe zusammengeschlagen haben. Dann hat wohl der Anführer von ihnen interveniert und seitdem haben sie ein Abkommen miteinander ... aber wie du dir sicherlich vorstellen kannst, sind die Leute hier von der stählernen Bruderschaft nicht sehr angetan ... was uns hier unsere Sache garantiert nicht erleichtern wird ..." gab Jeremiah leicht niedergeschlagen zu und rieb sich dabei unter der Brille die müden Augen.


    "Dann war deine Intuition aber trotzdem richtig, zunächst unerkannt zu agieren. Unsere Brüder und Schwestern von der Ostküste sind also immer noch den *kurzes bedrücktes Auflachen* den alten Benimmprinipien treu geblieben. Nun sieh es so, zu mindestens sind sie, was das betrifft berechenbar. Hast du schon eine erste Idee, wie wir jetzt, wo wir nun endlich im Commonwealth angekommen sind, weiter vorgehen?" fragt Leo Darrington neugierig. Auch wenn die jetzige Situation noch sehr unübersichtlich und schwierig zu sein schien, brannte er doch darauf das Commonwealth auf Gelehrtenart weiter kennenzulernen. "Die habe ich wohl. Wir brauchen erst einmal eine Bestandsaufnahme. Siehst du hier auf der Karte die Siedlung Country Crossing?" fragte Jeremiah ruhig und zeigte auf die Karte, die vor ihm auf dem Tisch lag. Der Gelehrte, der mittlerweile auch an dem kleinen Tisch Platz genommen hatte, schaute zu dem Punkt und nickte kurz.


    "Sehe ich. Sie ist schon relativ nahe an dem alten Airport gelegen." "Als erstes will ich zu dieser Siedlung reisen. Von dort müsste man gut beobachten können, mit welcher Stärke die Bruderschaft der Ostküste hier vor Ort ist. Wie ich schon auf dem Hinflug gesagt habe, es muss ein guter Grund sein, dass sie hier sind. Entweder eine wichtige Entdeckung oder eine große Gefahr. Es gibt zwar noch eine kleine Siedlung namens Nordhagen Beach, die näher dran liegt, aber hier gibt es nur wenig Flächen, wo man unbemerkt beobachten kann. Wir können uns im Moment keine negative Auffälligkeiten leisten. Als zweites ... vielleicht auch schon bevor wir abreisen ... wäre es gut, wenn wir zwei unserer Leute bei diesen Minutemen einschleusen können. Sie scheinen den Leuten hier Schutz und Sicherheit zu gewähren. Ich will mehr über sie erfahren ... Sie sind relativ stark hier im Norden vertreten, aber auch im restlichen Commonwealth gibt es etliche Stützpunkte bei oder in den Siedlungen. Vielleicht erhalten wir über sie Hinweise, wo sich unser Freund aufhalten könnte." erläuterte Jeremiah Leo seine derzeitigen Pläne. "Wen wolltest dafür einsetzen?" "Ich denke, Paladin Trian und Gelehrte Abby wären da eine gute Wahl. Sie haben beide das notwendige Fingerspitzengefühl und Ausbildung dafür. Außerdem sind es Drake geläufige Gesichter. Falls er aus dem Schutz eines Versteckes die Gegend ausspäht. Dann weiß er, dass wir hier sind und kann hoffentlich dementsprechend handeln."


    Das Gespräch ging noch einige Zeit weiter und In den nächsten zwei Tagen ruhte die Gruppe sich zum größten Teil aus. Am Morgen des dritten Tages zogen sie weiter Richtung mit allerlei neuen Informationen und Eindrücken im gedanklichen Gepäck. Gegen Abend des dritten Tages erreichten sie die gut befestigte Siedlung "The Slog". Wie auch andere Neuankömmlinge des Commonwealths war er von der Befestigung der Siedlung und des angrenzenden Stahlwerks beeindruckt. Auch lernten sie die Besonderheit dieser Siedlung sehr schnell kennen. Sie bemerkten sofort der hohe Anteile an Ghulen. Bereits bei den Minutemen in Costal Cottage war ihn der ein oder andere aufgefallen. Wie es schien, lebten Menschen und Ghule in verhältnismäßiger Eintracht im Commonwealth. In diesem Moment war Jeremiah besonders froh, dass sie ihre Meinung gegenüber nichtmenschlichen Lebewesen über die Jahre deutlich zum Positiven verändert hatten.


    Am nächsten Tag brachen sie weiter Richtung County Crossing auf. Nachdem sie einige Zeit unterwegs waren, erreichten sie kurz vor der Siedlung "Finchs Farm" eine Weggablung. Hier verabschiedete der Älteste Paladin Trian und Gelehrte Abby. Die Strecke schien ihm sicherer zu sein, als die bei Costal Cottage. Deshalb trennte sich hier erst die Gruppe auf. Die beiden würden versuchen, den Minutemen beizutreten und reisten daher nach Starlight. Durch die Karte von Lenny hatten sie erfahren, dass es wohl zwei Hauptrekrutierungsposten gab. Starlight war der nächstgelegene. Jeremiah schärfte ihnen bei der Verabschiedung nochmal ein, besonders umsichtig vorzugehen. Danach setzten die restliche Gruppe dem Weg weiter fort. Nach einem weiteren anstrengenden Marsch kam gegen späten Nachmittag ihr Ziel und vorläufige Endstation in Sicht.


    Gerade als sie durch das offene Tor von County Crossing treten wollten, kam ihnen eine Gruppe der Bruderschaft entgegen. Unverkennbar an den Ausstattung und den Insignien, die sie trugen. Einige von ihnen zogen Karren hinter sich her. Augenscheinlich mit Lebensmittel beladen. Die Mehrzahl von ihnen schaute finster. Jeremiah las aus ihren Gesichtern Missfallen und eine gewisse Verächtlichkeit. Achtlos, ohne den weiteren Weg vor sich zu achten gingen sie im schnellen Schritt vorwärts. Und zwar so schnell und unachtsam, dass der Vorderster und scheinbar Anführer der Gruppe, mît Jeremiah zusammenstieß, der nicht mehr ausweichen konnte.


    Einen Augenblick später fand der sich auf dem matschigen Lehmboden wieder. Vom Anführer der Gruppe kam keine Entschuldigung, sondern nur einige leise gezischte Worte. Auch wenn sie kaum hörbar waren, verstand sie der Älteste sofort. "Geschieht euch Drecksödländern recht. Genau dort unten gehört ihr hin. Am Boden vor uns liegend." Ohne zurückzublicken setzte die Gruppe den Weg fort und war bald aus dem Gesichtsfeld der anderen verschwunden.

  • 418. Verbotene Plätze

    Jeremiah schluckte die aufkommende brennende Wut sofort hinunter. Würde er ihr hier und jetzt nachgeben, konnte das ihre Mission im Commonwealth direkt zum Scheitern verurteilen. Er besann sich eines Besseren. Er machte sich gerade daran aufzustehen, als er eine ihm fremde, mit schwarzen Lederhandschuhen versehene Hand freundlich angeboten bekam. Eine weibliche, ziemlich rau klingende Stimme erklang. "Alles in Ordnungen bei Ihnen? Haben Sie sich etwas getan? *leichtes Seufzen* Diese verdammten Rüpel ... manchmal möchte ich ... *erneutes Seufzen* ... egal ... Kommt, ich helfe euch auf. Nicht das ihr von dem nassen Boden krank werdet." Jeremiah zog sich mit Hilfe der Fremden nach oben und schaute in ein mitgenommenes, aber trotzdem sehr empathisch wirkendes Gesicht eines Ghuls.


    Sie war nach Art der Minutemen in einer blauen Uniform gekleidet und lächelte. Über dem rechten Auge trug sie eine schwarze Augenklappe. Auf dem kahlwirkenden Kopf saß ein schwarz-blaues Barett. In dem Moment als Jeremiah ihr ins Gesicht schaute, schossen ihm für den Bruchteil einer Sekunde mehrere Gedanken durch den Kopf. "Noch vor einigen Jahren hätte ich vollkommenen Ekel und Ablehnung gegenüber diesem Ghul empfunden. Gut, dass das mittlerweile anders ist. Heute habe sie in den meisten Fällen mein Mitgefühl. Mein Gegenüber zeigt mir gerade mehr Empathie als die, die wir unsere Brüder nennen." seufzte er innerlich. "Vielen Dank. Sehr nett von ihnen, Miss." bedankte er sich freundlich. "Oh, gerne. Ihr seid ausgesprochen höflich, Fremder. Und ich bin positiv davon überrascht, dass Sie auf mich nicht abwertend reagiert haben, Mister. Die meisten Neulinge von außerhalb des Commonwealth sind nicht so ... unvoreingenommen. Das wird unser Umgang miteinander um einiges einfacher gestalten." Der weibliche Ghul klang ernst, aber lächelte erneut.


    "Wir sind bemüht gegenüber Ghulen und anderen respektvoll und unvoreingenommen zu sein. Auf unseren langen Reisen hat sich das im Normalfall äußerst bewährt. Ich bin übrigens Jerry Bell, Karawanenführer. Tatsächlich von außerhalb des Commonwealth. Zurzeit allerdings ohne passende Ausstattung. Raider." erwiderte Jeremiah und seufzte erneut dabei auf. "Wer waren eigentlich diese groben Klötze? Irgendwelche Söldner?" tat der Älteste unwissend. "Angenehm. Ltd. Sutton, befehlshabender Minutemen im schönen County Crossing *kurzes raues Lachen* Grobe Klötze. Diese Bezeichnung passt sehr gut, Mr. Bell. Tja, aber was soll ich sagen ... wir sind Verbündete. Auch wenn sie uns eher als Klotz am Bein empfinden. Aber im Moment sind sie bei ihren Unternehmungen auf uns angewiesen. Es sind Leute von der stählernen Bruderschaft. Zwar gibt es auch einige von ihnen, die in Ordnung sind ... aber nun ja, viele von ihnen ... sind Ödländern gegenüber ziemlich grob. Leider." klärte Lt. Sutton auf und ergänzte kopfschüttelnd.


    "Bei uns Ghulen sind sie noch schwieriger. Aber das sollte Sie nicht belasten. Wir haben eine Vereinbarung mit ihnen und ich bin angehalten bei erneut anhaltenden Schwierigkeiten Meldung an unsere Anführer zu machen. Und das Risiko werden sie aufgrund ihres Ältesten nicht eingehen. In letzter Zeit hat ihre "Höflichkeit" doch arg nachgelassen." Jeremiah bemerkte, dass Ltd. Sutton trotz der ruhigen Erzählung doch angespannte wirkte. Sie versteckte es nur sehr gut. Da er aber als zunächst Gelehrter und dann als höchster Ältester mit vielen unterschiedlichen Personen zu tun gehabt hatte, konnte er solche Dinge gut erkennen. "Verstehe. Keine leichte Situation für Sie. Dürfte ich Ihnen als unbedarften Commonwealthneuling die ein oder andere Frage stellen. Als wir uns auf die Siedlung zubewegten, haben wir ein eigentümliches Brummen vernommen. Je nachdem, wie der Wind stand, mal mehr, mal weniger hörbar. Wissen Sie, was das ist?" fragte Jeremiah Ltd. Sutton ehrlich interessiert.


    Die letzten Tage waren ziemlich diesig durch den kräftigen Wind gewesen. Der wirbelte den staubigen und teils toten Boden des Commonwealth ständig hoch, so dass man auf die Entfernung kaum den Himmel vom Erdboden unterscheiden konnte. Manches Mal war der Staubsturm so intensiv gewesen, dass man Mund und Nase zusätzlich schützen musste. Seine Frage sollte dazu führen, dass Ältester Bardeen schneller Informationen über die stählerne Bruderschaft der Ostküste bekam, als er dachte. Ltd. Sutton kniff mit einem Mal das gesunde Auge zu einem Schlitz zusammen und sie klang noch ernster als vorher. "Ja. Ich weiß sehr genau, was dieses Geräusch verursacht. Ich werde es Ihnen sogar zeigen. Weil Sie mir ausgesprochen sympathisch sind und wissen sollen, warum Sie auf alle Fälle das Gebiet der Bruderschaft meiden sollten. Sind Sie einmal dort versehentlich eingedrungen, können die mit Ihnen machen, was sie wollen. Auch wenn wir Ihnen dort helfen wollen würden *leises Seufzen* uns wären die Hände gebunden. Unsere Beziehung zueinander sind im Moment sehr angespannt ..." sagte Sutton ernst und beendete diesen Satz zunächst nicht und ging dann ein Stück vor und winkte den vermeintlichen Jerry Bell heran.


    Jeremiah sah mit einem besorgt wirkenden Gesicht erst den Minutemenltd. und dann seine eigenen Leute an. Gelehrter Darrington nickte ihm langsam zu und gab ihm damit zu verstehen, dass die Gruppe ihr vertraute. "Vielleicht ist das gerade die beste Möglichkeit endlich mehr über unsere Ostküstenbrüder zu erfahren. Ohne viel Aufsehen zu erregen." dachte der Älteste bei sich erleichtert und packte die Möglichkeit beim Schopf. "Ihre Leute brauchen sich keine Sorgen machen, Mr. Bell. Es ist nicht weit. Wir gehen zur Brücke, die sich hinter der alten Energiespeicheranlage befindet." Sie zeigt dabei auf zwei zerstörte, kugelförmige Gebäude. Nach etwa vier Minuten erreichten sie den Punkt, den Ltd. Sutton aufsuchen wollte. Sutton ging in der letzten Zeit häufiger so vor, wie sie es jetzt wie bei Jerry Bell tat. Mit einigen Neuankömmlingen, die zu neugierig gewesen waren, entwickelten sich sehr unschöne Situationen mit der Bruderschaft. Dem wollte Sutton als verantwortlicher Minutemen vor Ort vorbeugen. Noch mehr Hass gegeneinander tat beiden Parteien und dem Commonwealth nicht gut.


    Das Geräusch schwoll langsam an und schien von irgendwo oben zu kommen. Für einen kurzen Moment ließ der Wind und Staub nach und Sutton deutete mit dem Kopf nach oben. Jerry Bell schaute dort hin und für einen ganzen Moment verschlug es ihm die Sprache und seine Gesicht verzog sich zu einem fragenden und in Teilen ziemlich besorgten. Dann fand er die Sprache wieder und flüsterte beinahe. "Was zur Hölle ist das? So etwas habe ich noch nicht gesehen." Anschließend schaute er nach unten und konnte durch einige zerstörte Ruinen in der Ferne einige bruderschaftstypische Barrikaden, die dazu auch noch bemannt waren, sehen. Er war ehrlich verblüfft und für einen kurzen Moment sogar verunsichert. "Das ist die Prydwen. Das Luftschiff der stählernen Bruderschaft und so etwas wie ihr fliegende Kommandozentrale. Sie ist es, die das Geräuschspektakel verursacht. Am Boden des alten Flughafens haben sie eine Menge von Leuten stationiert. Viele von ihnen in Powerrüstungen. Verstehen Sie jetzt, Mr. Bell?" Der nickte immer noch irritiert und die nächste Frage verließ fast beiläufig seinen Mund. "Ist diese Bruderschaft mit jemandem im Krieg? Diese Bewaffnung spricht beinahe dafür."


    Sutton schwieg einen kurzen Moment, bevor sie auf diese Frage antwortete. "Ich würde es eher als am Rande eines Krieges bezeichnen. Haben Sie schon einmal etwas von dem Institut gehört, Mr. Bell?" "Nur sehr wenig. Lenny aus der Siedlung Coastal Cottage hatten den Namen genannt und einige Andeutungen dazu gemacht. Aber richtig konkret ist er dabei nicht geworden ... mir schien es, als hätte er beinahe Angst gehabt darüber zu reden." antwortete der Älteste ehrlich. "Der gute Lenny ... *kurzes raues Lachen* ... ja viele haben im Commonwealth Angst vor dem Institut. Und zurecht. Sie entführen Leute und tauschen sie gegen menschensecht wirkende künstliche Wesen aus. Den sogenannten Synths. Teilweise haben sie auch schon ganze Siedlungen dem Erdboden gleichgemacht und vor gar nicht allzu langer Zeit sogar eine unserer Hauptsiedlungen angegriffen. Wir konnten sie zwar zurückschlagen, aber niemand weiß, ob sie es wieder tun und vor allem warum sie es tun. Die stählernen Bruderschaft scheint ein spezielles Problem mit dem Institut zu haben. Sie machen Jagd auf sie, versuchen sie zu finden und wollen letztendlich wohl auch ... sie und ihre Technik zerstören." klärte Sutton den vermeintlichen Karawanenführer auf. Der leichte Unterton dabei entging ihm dabei nicht. Ltd. Sutton schien nicht ganz vom Ansinnen der Bruderschaft überzeugt zu sein. Das Bündnis zwischen Bruderschaft und den Minutemen schien ihm nicht ganz auf Überzeugung zu fußen. In diesem Moment war er froh, dass Paladin Trian und Gelehrte Abby versuchten sich den Minutemen anzuschließen. Mehr Informationen bedeuteten für ihn bessere Plangsmöglichkeiten bei der Suche.


    "Danke für die eindrückliche und dennoch höflich Warnung, Ltd. Sutton. Ich werde mit meinen Leuten ein großen Bogen um diese Gebiet machen." sagte Jerry Bell ehrlich dankbar. Der kurze Moment hatte ihm gereicht, um zu verstehen, dass die Lage vor Ort bald sehr heiß werden konnte. Es war mehr als eindeutig, dass sie die stählerne Bruderschaft der Ostküste tatsächlich auf dem Kriegspfad befand. Die Bedrohung musst ziemlich groß sein, wenn sie diese Art von Geschützen auffuhren. Eine Aussage von Ltd. Sutton irritierte den Ältesten. Der Kodex der Bruderschaft besagte eindeutig, dass Wissen konserviert und geschützt werden sollte und gefährliche besonders verschlossen werden sollte. Aber zerstören? Jeremiah fragte sich in dem Moment, was den Ältesten der Bruderschaft der Ostküste zu dieser Entscheidung bewogen hatte. Noch eine weitere Sache, die er versuchen würde herauszufinden. "Mein lieber Freund, du hast dir aber wieder eine "tolle" *kurzes innerliches sarkastisches Auflachen* Gegend ausgesucht ... wir sollten zusehen, dass wir dich finden, bevor hier die Hölle losbricht." dachte er bei sich. Die Suche hatte für Jeremiah Priorität. Deswegen war er schließlich in das Commonwealth gekommen.


    Nachdenklich ging er zusammen mit dem Ltd. zu seinen Leuten zurück, die bereits mit fragenden Gesichtern auf ihn warteten. "Wir werden für heute Rast in der Siedlung machen und morgen weiterreisen. Ich werde euch bei einem Bier alles weiter erläutern." informierte er seine Leute kurz und knapp. Bei dieser Ansage wussten sie, dass es einiges zu berichten gab. Der Ltd. verabschiedete sich von der Gruppe und Jerry Bell suchte in County Crossing ein Übernachtungsquartier auf.

  • 419. Schatten der Schlange I

    Während Ältester Bardeen sich zur Rast mit seinen Leuten in ihrer Tarnung in der Siedlung County Crossing zurückzog, befand sich Blue bereits wieder im Institut. Gestern hatten er und die Minutemen noch die Toten aus Vault 111 nicht weit vom Vaulteingang beigesetzt. Der Bereich würde langfristig zu einen vernünftigen Friedhof und Erinnerungsstätte ausbaut werden. Auch die Frau von Francis, Nora fand dort ihre endgültige Ruhe und Francis stand lange an ihrem Grab. Er schien lange mit ihr eine leise Zwiesprache halten. Blue hielt Abstand, aber blieb in der Nähe, falls Francis doch Beistand wollte. Erst als er und Francis ein abschließendes Gespräch hatte, verließ Blue die Oberfläche des Commonwealth Richtung Institut. Dort angekommen wanderte er routineartig durch die Abteilungen des Instituts und beschäftigte sich. Im Inneren dachte er intensiv über die verbrachte Zeit im Institut nach.


    Immer mehr machte sich dabei das Gefühl von Verunsicherung breit und eine nicht zu erklärende Unruhe stieg langsam auf. Unterbewusst schien ihn seine Intuition darauf hinzuweisen, dass es ihm nicht gelingen würde, das Institut davon zu überzeugen konnte, ein Bündnis auf Gegenseitigkeit einzugehen. Die Sichtweisen der beiden starken Fraktionen des Commonwealths waren dafür zu entgegengesetzt und beiden hatten nur so viel Interesse an den Commonwealthbewohner, wie es sie selbst weiterbrachte. Egal, wie man es zum jetzigen Zeitpunkt drehte und wendete, es war vorauszusehen, dass das Commonwealth seine Eigenständigkeit verlieren und von dem Wohlwollen einer der beiden Mächte abhängig sein würde. Wie dieses sogenannte Wohlwollen aussah, wusste Blue bereits im Vorhinein sehr genau. Aber sich gegen beide Mächte zu stellen, würde auf Ähnliches hinauslaufen. Verzweiflung, Not und Tod wären das, was bei allen drei Möglichkeiten für die Bewohner des Commonwealths am Ende stand. Er wusste, dass er sich bald rasch entscheiden musste.


    Bevor ihm das Schicksal oder andere zuvorkamen und Dinge anstießen, auf die er nicht mehr mildernd einwirken konnte. Um die Mittagszeit nahm er nachdenklich sein Essen in der Hauptkantine des Instituts zu sich. Er wog alle Informationen, die er nun erhalten hatte, miteinander ab. Er würde für sich noch heute eine endgültige Entscheidung treffen. Die Entscheidung, die er hier traf, würde sich maßgeblich auf seine Freunde und die Bewohner wirken. Aber diesen einen Tag wollte er noch mit Nachdenken und Abwägen verbringen. Schweren Herzens setzte er sich dieses Ultimatum. "Du wusstest, dass der Tag der Entscheidung kommen würdest ... Auch, wenn du gehofft hatte, dass ... *inneres betrübtes Seufzen* ... es wird nicht besser, wenn ich es noch weiter hinauszögere. Die übrigbleibenden Optionen werden im Moment auch schlechter ... werde nach dem Essen noch ein wenig herumwandern ... vielleicht habe ich doch noch eine Möglichkeit übersehen ... " brummte er resigniert in sich hinein.


    Während Blue beim Essen saß und hoffte, dass ihm noch etwas einfiel, wurde er von bestimmten Stellen des Instituts seit seinem Eintreffen sehr genau beobachtet. Vater studierte gerade die aktuelle Aufnahme der Überwachungskamera, auf der er Blue sah. Das Treffen an der Oberfläche hinterließ auch einige Spuren bei Vater. Auch wenn er nach wie vor für die Oberflächenbewohner inklusive seines genetischen Erzeugers nicht viel überhatte, überraschte es ihn zu sehen, was sich auf dem Dach des ehemaligen C.I.T ereignete, als er seinen genetischen Vater und Blue im Institut über die als Vögel getarnten synthetischen Dronen betrachtete. Der Institutsdirektor verfolgte mit, wie Francis Blue beinahe erschoss. Anstatt das Blue ihn dafür töte, wie es Shauns Erfahrungen nach an der Oberfläche sonst normal war, versuchte dieser seinen Erzeuger zu Vernunft zu bringen und schaffte es sogar noch.


    Das irritierte den, als Shaun geborenen Institutsdirektor. Darüber nachsinnend begann er seine Pläne für das Commonwealth und im Besonderen die Mitwirkung von Blue zu überdenken. "Warum hat er ihn nicht einfach aus dem Weg geschafft? Für seine eigenen Planungen müsste dieser Mensch eine unberechenbare Variable darstellen *kurzes unverständliches Murren* Ein Ärgernis. Wenn Blue den Menschen des Commonwealths weiterhin so verbunden bleibt, werden einige Projekte des Instituts schwierig durchzuführen sein. Eigentlich dachte ich, der Aufenthalt im Institut hätte ihm mittlerweile die Augen geöffnet. Vielleicht waren Dr. Ayos Begründungen gar nicht so abwegig ... Aber ... Nein! ... Durch seinen unglücklichen Angriff auf diese Siedlung namens Sanctuary trägt er eine weitere Ursache mit für das zögerliche Verhalten. Ich sollte mich weiter in Geduld üben ... * Seufzen* nur läuft mir langsam meine Lebenszeit davon." dachte Vater in Gedanken. Er fasste sich mit einem Mal an die Stirn.


    Für einen Moment war es vor lauter Schmerz verzerrt. Er wurde aschfahl und sein gesamter Körper zitterte. Zweimal atmete er tief ein und aus. Danach hatte er sich wieder in der Gewalt und sein äußerlicher Zustand normalisierte sich wieder. "In der Tat. Die Schwächeanfälle werden intensiver und die Abstände kürzer. So wie es der normale Verlauf ist. Dann wird es für mich Zeit, mich für einen meiner Kandidaten festzulegen. Der nächste Institutsdirektor muss gut bedacht werden. Bald wird es zu einigen weitreichenden Änderungen kommen. Ich hoffe, dass ich es noch miterleben kann, wenn der langjährige Testreaktor endlich in einen vollwertigen umgewandelt werden kann. Dann steht dem Institut nichts mehr im Weg der Menschheit einen neuen Weg aufzuzeigen. Durch das Ende der Energieknappheit stehen wieder alle Türen der Forschung offen." Vater lächelte kurz zufrieden und setzte sich wieder an seinen Tisch. Er betrachtete dabei die Berichte der unterschiedlichen Abteilungen.


    "Gerade Allie Filmore und ihre Abteilung hat dem Institut in letzter Zeit überragende Dienste geleistet. Ohne ihren unermüdlichen Einsatz wären die anderen Abteilungen mit ihren Projekten nicht weitergekommen. Deshalb ist auch sie in meine nähere Auswahl gerückt. Dr. Holdren wäre auch ein hervorragende Wahl. Die Ergebnisse in seinem Bereich werden einer erfolgreichen Wiederbesiedlung und Nahrungsversorgung an der Oberfläche sehr positiv beeinflussen ... bei Dr. Madison Li schwanke ich noch sehr. Ihre gemeinsame Vergangenheit mit der *abfälliges Geräusch* stählernen Bruderschaft könnte ihr wissenschaftliche Beurteilungsvermögen betreffend des Instituts negativ beeinflussen ... Dr. Binet steht aufgrund seiner unkonventionellen Sichtweise auf unsere Synthdiener nicht zu Debatte. Genauso wie Dr. Ayo, der mir in vielen Dingen zu wenig Weitsicht zeigt. Auch wenn er seine Abteilung hervorragend führt und seine Arbeit sehr ernst nimmt ... Dann wäre da noch. .." Während Shaun in den Überlegungen zu seiner Nachfolge versank, betrat Dr. Ayo das Quartier des Institutsdirektor.


    Dr. Ayos Mundwinkel zeigte für den Bruchteil einer Sekunde ein grausames Lächeln, dann verschwand es wieder. Er trat seitlich an den Schreibtisch des Institutsdirektor heran. "Shaun? Mein Sicherheitsalarm betreffend Ihres Gesundheitszustandes hat gerade eine kurze Meldung herausgegeben. Geht es Ihnen wieder besser? Sofern man bei Ihrer Erkrankung von einer tatsächlichen Besserung sprechen kann." Dr. Ayo klang besorgt, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. Etwas Lauerndes und Hinterlistiges lag darin. Shaun schaut Dr. Justin Ayo kurz fragend an, grinste tatsächlich einen Moment lang und schüttelte den Kopf.


    "Ich wollte Sie gerade fragen, warum Sie schon Kenntnis davon haben. Aber ich sollte den überaus engagierte Leiter des SRBs mit so einer Frage nicht vor den Kopf stoßen. Sie sind für die Sicherheit aller unserer Leute im Institut zuständig. Das Sie auch von so etwas Kenntnis haben, zeigt nur die Ernsthaftigkeit mit der Sie das Institut unterstützen." Shaun lehnte sich dabei zurück und betrachtet Dr. Ayo nachdenklich. "Wie alle anderen im Institut auch. Aber Sie sehen aus, als würden Sie weitere Sorgen plagen?" sagte Justin Ayo mit gespielter Zurückhaltung. Ayos eigene Gedanken waren niederträchtig und boshaft. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, welche das wohl gerade sind ... aber sehr bald werden Sie noch ganze andere Sorgen haben."

  • 420. Schatten der Schlange II

    Vater antwortete Dr. Ayo mit deutlicher Frustration in der Stimme. "Ich bin mit der derzeitigen Entwicklung unseres Neuzugangs unzufrieden. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass es nur einige wenige Tage benötigt ihn von uns zu überzeugen. Gerade er, der dort oben den größten Teil seines Lebens nur Ablehnung erfahren haben dürfte, müsste für diese Möglichkeit doch mehr als dankbar sein. Stattdessen hält er immer noch zu diesen *abfälliges Geräusch* Oberflächenbewohnern. Mit einer von meiner Seite nicht zu verstehenden Geduld und Empathie für diese Barbaren. Ich befürchte fast, dass wir ihn nicht bei uns halten können. Was für unsere weiteren Planungen ein herber Verlust wäre ..."


    Plötzlich fuhr er Dr. Ayo wütend an und schlug sogar mit der Faust auf den Tisch. "Erst die Sache mit Kellogg und dann Ihren mehr als überflüssigen Angriff auf die Hauptsiedlung. Ohne diese Ereignisse hätten wir leichteres Spiel mit der Oberfläche und neue Informationen über bestimmten Arten der Kriegsführung gehabt. Was auch Ihrem Bereich zugutegekommen wäre, aber nein *verstimmtes Seufzen* ... " Der Institutsdirektor hatte sich mittlerweile wieder aufgesetzt und den Kopf Richtung seines Schreibtisch gedreht und fuhr gereizt fort. Er konnte Dr. Ayo bis heute seine eigensinnige Handlungsweise nicht verzeihen. Deshalb machte er seiner Frustration in dieser Sache erneut Luft.


    Während Shaun von Dr. Ayo wegschaute, sah dieser ihn mit hasserfüllten und stechenden Augen an. Dann ballte er seine Hände und hob für einen Moment die rechte Hand an. Für einen Wimpernschlag sah man kurz eine sehr dünne und silbrige Spitze glänzen. Dann steckte seitlich in Shauns Hals eine Art Miniaturbetäubungspfeil mit einem Flüssigkeitsträger. Innerhalb kürzester Zeit entleerte dieser seine unbekannte Fracht in den Blutkreislaufs des Institutsdirektors und löste sich danach ohne Rückstände auf. Nur ein kleiner roter Punkt am Hals deutete auf diesen heimtückischen Angriff hin. Vater griff sich mit einer Hand anbetreffenden Stelle und stütze sich mit der anderen auf dem Schreibtisch ab. Ihm verließen langsam die Kräfte. Wie in Zeitlupe sank er auf den Boden. Dabei schaute er überrascht Dr. Ayo an.


    Seine Lippen bewegten sich auf und ab, aber kein hörbares Wort verließ seinen Mund. Einen Moment später lag er am Boden, angelehnt an seinem Schreibtisch. Der Atem ging schwer und Shauns Augen wiesen einen merkwürdigen Ausdruck auf. Auch schien er sich nicht wirklich bewegen zu können. Justin Ayo ging in die Hocke und grinste teuflisch. "Wie fühlt es sich an hilflos am Boden zu liegen. Bestimmt eine neue Erfahrung für Sie ... Direktor?" spottet der Leiter des SRB. Kaum hörbar flüsterte Shaun. Angst stand in seinen Augen. "Was haben Sie vor, Dr. Ayo? Wollen Sie mich umbringen? Sie werden damit nicht davon kommen ... man wird feststellen ... " Ayo legte den Finger auf den Mund von Shaun.


    "Sssht. Direktor? Wofür halten Sie mich. Für einen ordinären Mörder? Ich weiß ja, dass Sie mich nicht schätzen und mich dementsprechend behandeln. Aber soetwas liegt mir fern. Dafür sind meine Runner zuständig. Das wird Ihre unheilbare Krankheit für mich erledigen. Ich weiß, dass Sie wahrscheinlich nur noch vier Wochen haben." sprach er ungewöhnlich ruhig und fast so leise wie der Institutsdirektor. Er schüttelte den Kopf. "Wissen Sie, ich ergreife nur eine Möglichkeit, die den Ayos schon längst zugestanden hätte. Den Posten des Institutsdirektor. Wir haben dem Institut über so viele Generationen treu gedient und als es damals so weit war, hat Ihr gefühlsdusselige Vorgänger Ihnen die Institutsleitung übertragen. Weil Sie ja ach so viel für das Institut getan haben. Ja, es ist nicht abzustreiten, dass es Ihre Gene waren, die die Gen 3 Synths zuletzt ermöglichten. Ihre anderen Leistungen waren nicht mit denen zu vergleichen, die meine Familie geleistet hat." zischte Dr. Ayo nun deutlich gereizt, aber immer noch gedämpft.


    Shaun schaute Ayo fragend an und krächzte leise. "Wenn Sie mich aus dem Weg schaffen, werden andere den Platz einnehmen, aber nicht Sie Dr. Ayo. Sie sind zu unbeherrscht für Posten. Außerdem werden Ihnen die anderen Abteilungen nicht folgen und aufbegehren, wenn Sie sich an die Macht putschen. Selbst wenn Sie es schaffen sollten, die Befehlsgewalt über die Runner zu behalten, wird es zu einer Revolte gegen Sie kommen. Das Institut wäre damit geschwächt. Was bei der derzeitigen Lage an der Oberfläche der Todesstoß für das Institut bedeuten könnte ..." Dr. Ayo schüttelte den Kopf. "Shaun, halten Sie mich für so fahrlässig und dumm? Ich bin mir dieser Dinge mehr als bewusst und plane nicht erst seit gestern. Sie werden mir dabei helfen." Shaun machte große Augen und lachte hustend. "Niemals. Freiwillig werde Ihnen niemals die Institutsleitung übertragen ..."


    Dr. Ayos Augen verengte sich zu Schlitzen und lächelte wieder finster. "Das werden Sie. Ob Sie es wollen oder nicht. Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Das Medikament, das jetzt in Ihrem Blut zirkuliert wird Sie meinem Willen unterwerfen." Er schaute dabei auf seine Uhr am Handgelenk. "Es ist eine Abwandlung des Mittels, was wir den Subjekten aus dem Commonwealth spritzen, die dann gegen unserer Synths ausgetauscht werden. So erhalten wir alle notwendigen Informationen. Es sollte auch gleich so weit sein." sagte Dr. Ayo unüberhörbar selbstzufrieden. Der Institutsdirektor sagte darauf nichts mehr. Der Leiter des SRB hatte recht. Er würde keine Möglichkeit haben, sich dagegen willentlich zu Wehr zusetzten. Dafür war es zu stark und in seinem körperlich geschwächten Zustand war dem noch weniger entgegen zu setzten.


    Niemals hätte er damit gerechnet, dass ein Institutsmitglied, das gegen anderes Mitglied einsetzten würde. Er hatte Justin Ayo bei Weitem unterschätzt. Diese Erkenntnis erreicht ihn kurz bevor das Mittel sein volle Wirkung entfaltete. "Und übrigens Shaun, entschuldigen Sie die persönliche Ansprache. Obwohl ... eigentlich nicht. Egal, wie sich unser Neuzugang entscheidet, er wird dem Institut dienen. Auf die ein oder andere Art." Die Augen des Leiters des SRB leuchteten voller Vorfreude. "Ich werde Ihnen nun meine ersten Anweisungen mitteilen. Sollte Blue hier auftauchen und Ihnen mitteilen, dass er nicht dem Institut beitreten will, bringen Sie ihm Verständnis entgegen. Verabschieden Sie ihn höflich. Vielleicht sogar mit einem kleinen Geschenk. Lassen Sie ihm trotzdem die Möglichkeit offen, dass er zurückkehren kann. Natürlich sperren wir aus Sicherheitsgründen den Teleporter für ihn. Wiegen Sie ihn in Sicherheit. Desto einfacher wird es nachher, wenn wir beginnen meinen Plan fürs Commonwealth auszuführen. Sollte er bleiben wollen, umso besser." Shaun hörte zu und nickte.


    Sein Augen waren starr und die Pupillen waren so weit geweitet, dass seine Iris fast schwarz war. Er befand sich nun in der Hand von Dr. Justin Ayo. Der brachte damit seine langen gereiften Pläne zur Ausführung und griff von allen unbemerkt nach dem Posten des Institutsdirektors. Shaun war dazu verdammt die letzten Wochen seines Lebens als fast willenslose Marionette dem Leiter des SRB zu Diensten zu sein. Auch wenn er wusste, dass es aussichtslos war, setzte sich der letzte Rest seines eigenen Willens zu Wehr. In der Hoffnung für einen kurzen Moment bestimmte Leute im Institut vor Justin Ayos Machenschaften warnen zu können.

  • 421. Schatten der Schlange III

    Während im Büro des Direktors ein heimlicher Machtwechsel stattfand, von dem nur einige wenige eingeschworenen Institutsmitgliedern wussten, wandert Blue weiterhin grübelnd durch das Institut. Seine Füße trugen ihn ein erneutes Mal tief in den technischen Bereich. Dort, wo ein Großteil der technischen Maschinen beheimatet war, die dazu beitrugen, das Institut zu einem lebenswerten Ort zu machen. Trotz der derzeitigen Umstände kam er gerne hierher und betrachtete sie interessiert. Diese Art von Ablenkung sorgte dafür, dass er seine Gedanken besser ordnen konnte. Was ihn aber der Auflösung des Problems leider nichtnäher brachte.


    Mit einem Mal fiel ihm eine Tür auf, die ansonsten fest verschlossen war. In der Zeit, die er mittlerweile im Institut verbracht hatte, gab es nur sehr selten Türen, die abgeschlossen waren. Deshalb fiel es ihm sofort auf. Er ging darauf zu, blieb aber beinahe instinktiv stehen, als er unterschiedliche, teils nicht ganz unbekannte Stimmen vernahm. Zwei davon gehörten definitiv zu Institutsrunnern, denen er schon öfter begegnet war. Auch wenn sie für ihn hier im Institut im Moment keine Gefahr darstellten, verhielt er sich trotzdem vorsichtig und aufmerksam in ihrer Gegenwart. Auch gewarnt durch den Zusammenstoß mit Eve und Liam Binet hielt er so weit Abstand, dass er das Gespräch gut mithören konnte. Aber so entfernt, dass er nicht weiter auffallen würde.


    Als er aus der Entfernung nochmal Richtung des geöffneten Bereichs schaute, stellte er fest, dass er durch eine spiegelnden Bereich an der Wand sogar die Personen und einige andere interessante Dinge im Raum sehen konnte. Ihn selbst nahm man dabei nicht wahr. Neugierig verfolgte Blue das weitere Geschehen. Im vorderen Bereich des groß wirkenden Raumes konnte er mehrere Gen 3 Synths sehen sowie eine Art Operationstische. Über ihnen hangen mehrere mechanische Arme mit bedrückend wirkenden Instrumenten an den Enden. Auf zweien der Tische lagen augenscheinlich ein männlicher und ein weiblicher Bewohner des Commonwealth. Aus Blues Perspektive schienen sie zu schlafen. Unweit davon entfernt lagen ebenfalls zwei weitere Gen3 Synths. Sie waren komplett entkleidet. Auch sie hatten die Augen geschlossen. Einer der Synths begann die Leute aus dem Commonwealth zu entkleiden und legte ihre Kleidung zu den schlafenden Gen 3 Synths.


    Er schaute aus der Entfernung dabei zu. Irgendwie kamen Blue die Gesichter der beiden Leute bekannt vor. Mit einem Mal fiel ihm ein, woher er sie kannte. Normalerweise war das Pärchen in Murkwater beheimatet und rang mit den anderen Bewohnern dem Sumpf, in dem die Siedlung lag, relativ fruchtbares Land ab. Ihn beschlich bereits eine leichte Ahnung vom dem, was hier gleich passieren würde. Er schluckte kurz, sah aber weiter zu. Während die Runner den jetzt ablaufenden Prozess genau überwachten, begaben sich die anderen Synths daran, die Computerkonsolen neben den Operationstischen zu bedienen. Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Präzision wurden die Gen 3 Synths in die Menschen umgestaltet, die neben ihnen lagen. Gleichzeitig fasziniert und im tiefsten Innern besorgt konnte er miterleben, wie das Institut vorging, wenn es einen Austauschprozess vornahm.


    Bisher war dieser Prozess scheinbar gut vor den Augen des neuen Besuchers geheim gehalten worden. In der ganzen Zeit, in der Blue im Institut zugegen war, war es einer der wenigen Bereiche gewesen, in die er nicht hineinschauen konnte. Sie waren immer verschlossen gewesen. Wahrscheinlich rechnete das Institut sich aus, dass sie ihren Neuling mit dieser Wahrheit erst später konfrontiert sollten. Dann wenn dieser dem Institut vollständig angehörte und dementsprechend unter Kontrolle stand. Nach nur etwa 10 Minuten war der Umgestaltungsprozess abgeschlossen. Äußerlich waren sie von den Originalen nicht mehr zu unterscheiden. Den Leuten aus dem Commonwealth wurde über den Kopf eine Art feinmaschiges Netz übergezogen und danach wurden sie aufgeweckt.


    Dabei stellte Blue fest, dass man mit ihnen irgendetwas angestellt hatte. Sie setzen sich beinahe roboterhaft auf und starrten vor sich. Ihre Umgebung schienen sie in keiner Form wahrzunehmen. Es wurden verschiedene Fragen an sie gestellt und sie antworteten zwar mit normaler Stimme, aber dennoch kam es Blue so vor, als wären sie nicht mehr Herr ihrer selbst. Währenddessen liefen über einen anderen Monitor Gehirnwellen, Herzschlag und sonstig medizinisch wichtige Daten der beiden Bewohner und ein Download von irgendwelcher Daten fand statt. "So etwa in der Art muss DiMa in Arcadia in Sachen Tektus vorgegangen sein. Mit Sicherheit sind das Erinnerungen und Erfahrungen, die sie gerade abspeichern. Es ist schon erschreckend, wie einfach das Institut die Menschen kopieren und deren Leben übernehmen kann." dachte Blue besorgt. Sein Misstrauen gegenüber des Instituts wuchs erneut an.


    Nach einer halben Stunde war der gesamte Prozess abgeschlossen und Blue konnte das Ganze ungestört mitverfolgen. In der ganzen Zeit war er allein geblieben und niemand hat ihn beim Beobachten erwischt. "X5-34 wir haben den Anpassungsprozess erfolgreich abgeschlossen. Sollen die Versuchspersonen wie üblich zu Ressourcenverarbeitung weitergeleitet werden oder sind sie für die Anfrage aus der Bioscience geeignet?" fragte einer der Synth einen der anwesenden Runner. Mit einem beinahe spöttischen Unterton antwortete ihm der Runner. "H4-99, dieses biologische Material ist nur für die Ressourcenverarbeitung geeignet. Sie weisen keinerlei Besonderheiten auf, die für Dr. Holdrens Untersuchungen hilfreich sein können." Der Angesprochene nickte und gab einem der anderen ein Zeichen. Der entnahm aus einem der Tische zwei Spritzen und verabreicht sie den beiden.


    Auf dem Monitor war nun bei beiden eine Nulllinie zu sehen. Was auch immer in diesen Spritzen gewesen war, hatte die beiden innerhalb der kürzesten Zeit umgebracht. Blue schüttelte sich innerlich. Etwas, was er lange vermutet hatte, wurde nun bestätigt. Leute, die unfreiwillig ins Institut gebracht wurden, kehrten selbst niemals wieder lebendig an die Oberfläche zurück. Wieder waren in diesem Moment Leben ohne großen Nachdenken ausgelöscht worden. Nun hatte Blue die letzte Gewissheit. Selbst wenn er dem Institut beitrat, würden bestimmte Dinge im Institut so bleiben, wie sie waren. Er selbst würde darauf kaum Einfluss nehmen können.


    Letztendlich waren nur zwei Entscheidungen möglich. Dem Institut beitreten mit allen Konsequenzen, die das bedeute. "Das wäre Verrat am gesamten Commonwealth. An seinen Bewohnern und meinen Freunden. Für eine neue Menschheit, die angeblich ohne Krieg existiert ... Einige Wenige für das große Ganze opfern *bitteres innerliches Auflachen* Gebe ich mich in ihre Fänge, muss ich diese emotionale Verbindung innerlich kappen ... *schnaufendes Brummen* ... nein ... nein ... das will und kann ich nicht ... " Unterschwellig meldete sich seine andere Seite. Diesmal mit einer Argumentation, die seine andere Seite überraschte.


    "Willst du vertrauen Menschen, die anderen Menschen Schmerzen beibringen, Dummkopf? Sie ohne Nachzudenken kleine Brüder zu großen Brüder machen? Anschließend alle töten, wenn sie Sinn erfüllt haben? Du nicht trauen können ... nicht dürfen. Du uns ans Messer liefern. Sie falsch ... hinterhältig ... werden sich unsere Freude holen ... sie ersetzten ... ohne das du wissen. Sie uns nur benutzen ... Keine wirklichen Freunde ... Zuletzt sie auch uns umbringen ..." teilte seine andere Seite warnend mit und zog sich langsam wieder etwas zurück Während diesem inneren Gespräch fasste Blue sich mit beiden Händen an den Kopf und verzog das Gesicht. Seit der umfassenden Behandlung durch Ted Dingo meldete sich seine andere Hälfte nur noch sehr selten und bei weitem nicht mehr so aggressiv bei ihm. Außer es kam zu Extremereignissen, wie in der alten Militärbasis, die insgeheim von der Enklave bevölkert war.


    Auch wenn Blue seine andere Seite hasste, waren ihre Worte nicht ohne Wirkung. "Du ... du hast nicht ganz unrecht ... wir ... ich muss weiter Vorsicht walten lassen. Ich kann ... werde es nicht tun. So sind wir ... ich nicht. Bleibt für uns nur die zweite Möglichkeit ... aber auch das kann mein ... unser Leben kosten ... bereits ziemlich bald ... wenn möglich ... werde zu unseren Freunden ... ins Commonwealth zurückehren und es verteidigen. Es gibt noch eine kleine Hoffnung ... Schwächung." Blue hatte für sich eine Entscheidung getroffen. Das Commonwealth würde aufgrund des Konflikts zwischen der stählernen Bruderschaft und dem Institut stürmischen Zeiten entgegen gehen, ohne dass er darauf noch viel Einfluss nehmen konnte. Ein offener Krieg stand bevor. Blue würde versuchen, die Bewohner des Commonwealth und seine Freunde irgendwie durch das unsichere Fahrwasser zu bringen und die Freiheit der Leute zu erhalten.

  • 422. Schatten der Schlange IV

    Am nächsten Morgen stand Blue wie gerädert auf. Über die halbe Nacht hatte er wach gelegen und überlegt, wie er weiter vorgehen sollte. Er würde heute direkt zu Vater gehen und ihm seine Entscheidung mitteilen, dem Institut zunächst nicht beitreten zu wollen. Blue würde es damit begründen, dass er für eine derart wichtige Entscheidung mehr Zeit und eine neutralere Umgebung brauchte. Tatsächlich würde er dem Institut nicht beitreten. Zu groß waren seine moralischen Bedenken. Wie der Institutsdirektor auf seine Mitteilung reagieren würde, konnte Blue überhaupt nicht einschätzen. Es waren alle Szenarien möglich.


    Er wählte trotzdem diese direkte Herangehensweise, so würde ihm vielleicht das wahre Gesicht des Instituts offenbart werden. Auch wenn ihm diese Erkenntnis vermutlich nicht mehr viel helfen würde. Mit seinem derzeitigen Wissen ging er davon aus, dass er auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen des Instituts verschwand. Preston, Andrew und Ronnie waren auf den neusten Stand gebracht, was das Institut betraf. Er musste darauf hoffen, dass sie für das Commonwealth die richtigen Schlüsse zogen, wenn er nicht mehr auftauchen würde. Sollte er wider Erwarten das Institut unbeschadet verlassen und Zeit herausschlagen können, gab es für ihn danach eine sehr wichtige Mission, die ihn in das Herz der alten Bostons führen würde. Eine, die er allein und ohne Wissen seiner Freunde durchführen und ihnen gegenüber nicht erwähnen würde.


    Vor allem musste er dabei wie ein Schatten vorgehen. Weder das Institut noch die stählerne Bruderschaft durfte davon Wind bekommen, sonst standen die Minutemen und damit dem Commonwealth ein direkter Krieg ins Haus. Einen, denen sie aus technologischer Sicht nicht überstehen würde. Aber es gab die ein oder andere Stärke, die sowohl die Bruderschaft als auch das Institut nicht besaßen. Was er dort im Inneren der Stadt zu entdecken und vor den beiden Fraktionen zu finden versuchte, könnte dazu führen, dass die jeweiligen Pläne immens in die Länge gezogen würden. Zeit, in der Blue versuchen würde alles Notwendige zu veranlassen und Pläne zu entwickln ohne unter das Joch der beiden zukommen. Noch wusste er nicht genau, was er dort finden würde.


    Aber der Bereich, in dem er zuerst suchen würde, war nun klar. Während seiner Zeit im Commonwealth und durch die Konsultationen von alten Aufzeichnungen im Institut selbst, tauchte immer wieder ein Name in Bezug von Energiegewinnung auf. MassFusion. Tief im Inneren der alten Stadt und durch den Schutt der teilweise zerstörten Wolkenkratzer und eingestürzten Häuser blockiert, gab es einen Wolkenkratzer, der die Zerstörung und Wirren des großen Krieges gut standgehalten hatte. In ihm war der Hauptsitz der Firma mit dem Namen Massachusetts Fusion, kurz MassFusion beheimatet gewesen. Der Weg dahin war mühselig und schwierig. Es drohten vielerlei Gefahren. Jederzeit herabstürzten Teile, teils massive Verstrahlungen und die Anwesenheit von Supermutanten und anderen Ödlandbestien hielten die meisten davon ab, sich diesem Bereich überhaupt zu nähern.


    Blue wunderte sich darüber, dass das Institut diesen Bereich noch nicht aufgesucht hatte. Entweder sah sie an anderen Orten noch die Möglichkeit, die für sie wichtige Technologie zu finden oder sie kämpften mit Problemen, den Bereich überhaupt betreten zu können. Egal, was es war. Er würde sich beeilen müssen, sie zu finden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Institut die richtige Schlüsse zog und Maßnahmen ergreifen würde. Wie die stählerne Bruderschaft ebenfalls. Einen kurzen Moment blieb er noch nachdenklich sitzen. Dann erhob er sich mit einem leichten Seufzer und suchte Vaters Quartier auf. Auch wenn Vater im Institut unterwegs sein würde, hielt sich dort normalerweise der Synth auf, der Blue in den ersten Tagen ausführlich über das Institut informiert hatte. H8-15.


    Als er am Quartier des Institutsdirektors ankam, blieb er überrascht stehen. Zwei Runner standen aufmerksam warten am Eingang. Das war mehr als ungewöhnlich. In der ganzen Zeit, in der Blue im Institut gewesen war, standen niemals Bewacher dort. Zumindest erweckten die Runner den Anschein. War etwas passiert oder war Dr. Ayo einfach nur in einem wichtigen Gespräch mit dem Direktor. Blue überlegte kurz und beschloss einen der Runner einfach zu fragen, ob ein Treffen zum derzeitigen Zeitpunkt möglich war. "Ist es möglich den Direktor zu sprechen?" fragte er höflich wie immer. Der Runner nickte nur, sprach aber sonst kein Wort. Blue trat ein. Vater saß wie immer an seinem Schreibtisch und schien mit irgendetwas beschäftigt zu sein. Blue schien er bis jetzt nicht wahrgenommen zu haben.


    "Vater, ich würde mich gerne mit Ihnen über etwas unterhalten oder ist der Zeitpunkt schlecht gewählt?" sprach Blue ihn an. "Geben Sie mir einen Augenblick ... muss hier noch etwas abschließen. Setzten Sie sich doch, Blue." und deutet auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch. Blue stutzte einen Moment, kam aber der Aufforderung nach. Die Stimme des Direktors klang müde und erschöpft. Seine Hand zitterte leicht und aus der Entfernung sah die Haut ziemlich bleich aus. Blue setzte sich. Einen Moment später war der Direktor auch fertig, hob den Kopf und schaute sein Gegenüber an. Ein leichtes Lächeln glitt über Shauns Gesicht. Aber irgendwie wirkte es gequält. Blue erschrak sich innerlich. Das Gesicht des Direktors war genauso blass wie seine Hand und wirkte eingefallen. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Als hätte Vater Blues Gedanke gelesen antwortete er kurz. "Bitte verzeihen Sie mein derzeitiges und etwas ungesund wirkendes Aussehen, aber ich habe die letzten Tage kaum geschlafen, da es einige wichtige Dinge im Institut zu regeln gab. Das kennen Sie ja sicherlich auch. Nun, was führt Sie zu mir, Blue?" Wieder lächelte Shaun. Genauso wie das erste wirkte es gequält.


    Blue nickte kurz zustimmend, aber im Inneren wusste er, dass Vater ihn belog. Das sah nicht nach zu wenig Schlaf aus, sondern nach einer ernstzunehmenden Erkrankung. Auch wenn er es für relativ unwahrscheinlich hielt, dass die Leute im Institut ernst erkranken konnten, deuteten die Indizien bei Vater darauf hin. "Ich ... tja, ich weiß nicht, wie ... ich anfangen soll ... " stammelte Blue gespielt. Vater setzte sich mit einem Mal auf und betrachtete sein Gegenüber ernst. Für einen Moment aber konnte Blue sehen, dass ein beinahe flehender Ausdruck in Vaters Augen stand, der genauso schnell wieder verflogen war. Auch wenn dieser Augenblick nur kurz war, hatte sich der Blick der beiden getroffen.


    Blue fiel dabei auf, dass die Pupillen des Direktors beinahe schon unnatürlich geweitet waren. "Was ist mit ihm? Steht er unter schweren Medikamenten oder sogar Drogen. Irgendetwas ist mit ihm nicht in Ordnung." schoss es Blue durch den Kopf. Weiterhin versuchte er sich nichts anmerken zu lassen. "Es scheint Ihnen etwas Sorgen zu bereiten, Blue. Sie sind doch immer sehr direkt in Ihren Aussagen. Was bekümmert Sie?" Vaters Worte klangen freundlich. "Shaun, ich ... ich kann dem Institut im Moment nicht beitreten ... noch nicht ... es ... es gibt noch viele Dinge, über die ich in Ruhe nachdenken muss. Außerhalb des Instituts. Sehen Sie ... ich habe lange dort oben gelebt ... und es ist nicht so ... dass ich nicht hier gerne bin ... aber es fällt mir im Moment zu schwer meine Verbindungen zu kappen ... ich brauche Zeit, um mich mit der Endgültigkeit dieser Entscheidung abzufinden ..." Der Direktor reagiert kühl, aber dennoch anders als Blue gerechnet hatte.


    "Ich ... verstehe. Ich habe mit so einer Entscheidung ... fast gerechnet. Es tut mir leid. Mir scheint, ich habe zu viel Druck auf Sie ausgeübt. Ich habe Ihnen zwar eine Endscheidungsphase zugestanden, aber im Nachhinein betrachte war ich zu schnell in manchen Dingen. Mein Maßstab, den ich bei Ihnen angelegt habe, war ein falscher." seufzte der Direktor und es war echt gemeint. "Gut. Ich akzeptiere Ihre Entscheidung. Sie können jederzeit gehen. Eine Maßreglung oder Strafe brauchen Sie oder Ihre Leute nicht befürchten, Blue. Ich verspreche Ihnen, solange ich Institutsdirektor bin, bleiben wir Ihnen als Institut wohlgesonnen. Solange Sie nicht die Waffen gegen uns erheben oder unsere Studien mit Absicht stören. Aber eine Einschränkung wird es geben. Ihr Teleportercode wird ungültig, das heißt Sie werden das Institut nicht mehr direkt betreten können. Ich muss trotz allem entgegengebrachten Vertrauen auch an die Sicherheit meiner Leute denken. Hin und wieder wird H8-15 Sie besuchen, falls Sie sich doch für uns entscheiden. Und eine deutlich Warnung! Trauen Sie Ältesten Maxson nicht, egal was er Ihnen verspricht. Sollten Sie mit ihm gegen uns paktieren, hat das für ihre Leute und das Commonwealth nicht abzusehende negative Konsequenzen. Ich hoffe, Sie zwingen mich nicht dazu dementsprechend zu handeln." sagte Vater zunächst streng, kurz darauf entspannte er sich und wirkte wieder nüchtern und kühl.


    Blue war wirklich überrascht. Man ließ ihn tatsächlich gehen. Das Vater den Code sperren ließ, war auch verständlich und nicht ungewöhnlich. Trotzdem meldete sich in seinem inneren ein ungutes Gefühl. "Nun, da ich Ihnen beweisen will, dass wir grundsätzlich an Gutem und Hilfreichen interessiert sind, habe ich hier einige medizinische Erkenntnisse, die ich Ihnen gerne mitgeben möchte und die Ihnen vielleicht bei einer Entscheidungsfindung helfen könnten." Vater schob ihn zwei unscheinbare Holobänder zu. Sie waren mit der Zahl eins und zwei markiert. "Sobald Sie wieder an der Oberfläche sind, sollten Sie sich relativ zeitnah anhören. Es sind einige neue Erkenntnisse zu Wundbehandlung und so weiter darauf zu finden. Ich weiß doch, wie sehr Sie daran interessiert sind." Da war es schon wieder, diese Lächeln. "Danke Vater, ich habe nicht mit so viel Verständnis und vor allem Vertrauen gerechnet."


    Danach wechselte der Direktor und Blue noch einige Worte. Daraufhin verließ Blue den Direktor und legte in seinem Quartier, all das ab worum ihn Shaun gebeten hatte. Einige Leute von hier würde er wirklich vermissen, aber seine Entscheidung war getroffen. Zwei Stunden später stand er im Teleporterraum und wählte ein letztes Mal einen Ort über die Karte aus. Seine Wahl fiel auf die Boston Public Libary. Von hier aus gab es nur Railroadmitgliedern bekannte Wege, der verhältnismäßig nahe an das MassFusion heranführten. Es ertönte wieder das eigentümliche Brummen und Blue verschwand aus dem Institut. Auf diesem Weg würde er es nicht mehr betreten können.


    Kaum an der Oberfläche angekommen, suchte er eine Rückzugsmöglichkeit auf und hörte sich das erste Band an. Vaters Verhalten betreffend der Holobänder war irrtirend. Beim Abspielen des ersten Holobands war sofort Vaters Stimme zu hören. Sie klang sehr angestrengt und schmerzverzerrt und Blue musste sie sich mehrere Mal anhören, bis er einigermaßen die Worte des Institutsdirektors verstand. *Angestrengtes Keuchen* ... weiß nicht, wie lange ich *arrgh* ... ich selbst bin ... *schmerzerfülltes Gebrabbel* ... muss nur kurz Oberhand behalten ... *nnrgh* ... Hüten Sie sich vor Dr. Ayo, Blue ... dürfen ihm nicht trauen ... * erschöpftes Atmen* ... Schlange ... Das Institut muss behütet werden ... darf nicht ... muss bestehen ..." hier brach die Sprachaufzeichnung ab. Blue schaute das Holoband lange schweigend an. Irgendwas ging im Institut vor sich, was er noch nicht verstand und was keinen guten Verlauf für alle bedeutete. Die Warnung war direkt an ihn gerichtet. Noch ein Grund mehr sich schnell Richtung MassFusion aufzumachen.

  • 423. Tödlicher Schatten I

    Während er sich auf den Wegen bewegte, die nur der Railroad und ihm bekannt waren, dachte er immer wieder über die Worte des Institutsdirektors nach. "Warum warnt Shaun ausgerechnet mich? Jemand, der von der Oberfläche kommt und nicht mal ein Mensch ist. Nicht dem Institut zugehörig ist?" Blue zerbrach sich darüber den Kopf. Es fiel ihm kein wirklicher Grund dafür ein. Sahen Shaun und die anderen im Institut ihn bereits als angehörig an. Oder spielte man mit ihm taktische Spielchen. Er blieb ratlos und schritt weiter nachdenklich durch den Untergrund von Boston. Nach einer geraumen Zeit kam er in einem alten verfallenen und fast trockengefallen Wasserverteiler an. Es war immer noch sehr feucht hier unten und ein undefinierbarer leichter grünlicher Nebel waberte herum. Die Luft roch nach einer Mischung von süßlicher Verwesung und ätzendem Verfall.


    Blue sah sich aufmerksam um. Seine Augen wanderten eine alte gemauerte Steinwand entlang, bis er ein kleines unscheinbares Zeichen im untersten Drittel fand. Ein Bahnsignal der vermeintlich nicht mehr existierenden Railroad. Ein kurzes Lächeln huschte über seine Mundwinkel. Vorsicht fühlte er mit seinen Händen die Wand ab und fand einen etwas locker sitzenden Stein. Es dauerte einen Moment, bis er ihn richtig zu packen bekam. Die Steine hier unten war aufgrund der Feuchtigkeit und eines schmierigen Algenfilms äußerst glitschig. Behutsam zog Blue daran. Ein schabendes Geräusch erklang und ein Teil der gemauerten Wand öffnete sich und Blue quetschte sich durch diese ins Innere.


    Im Gegensatz zum eigentlichen Untergrund war es hier drin trocken. Blue schaltete das Licht seines Pipboys an und sah sich um. Nach einem Moment brummte er zufrieden. Er befand sich in einer von wenigen Notzufluchten, die die Railroad über ihre Entstehungsdauer angelegt hatte. Sie gaben nur Platz für vier bis fünf Leute her, aber viel wichtiger für Blue war, dass hier auch Ausrüstung, Waffen und haltbare Lebensmittel eingelagert waren. Von besonderem Interesse waren dabei Waffen und Ausrüstungen, die er für sein weiteres Vorhaben benötigte. Zurzeit war er ohne Waffen unterwegs. Es lag daran, dass er das Institut damals ohne betrat und die Waffe, die er im Institut erhielt, bei seinem Verlassen dort zurücklies. Seine Ausrüstung und Waffen waren zwar in Sanctuary und er hätte sie ohne Probleme holen können, aber Preston und die anderen hätten ihn dann mit Fragen gelöchert. Zur ihrem eigenen Schutz sah er davon ab.


    Auch wenn ihn ein unbestimmte innere Unruhe dazu drängte sich zu beeilen, durchsuchte er in Ruhe das Versteck und fand genug Material, um sich angemessen für die nächste Mission auszurüsten. Zuerst zog er sich seine Minutemenuniform aus, rollte sie fein säuberlich zusammen und stopfte sie in die bereits abgelegte Seitentasche. Seine Brustrüstung behielt er an. Danach zerlegte er zwei schwarze Decken, die zum auf die Lauer legen gedacht waren. Mit Aufwand und einigem rauen Garn wurden daraus nach einer Zeit mehrere grobe Kleidungsstücke, die relativ lang gestaltet waren. Sie verdeckten das, was Blue normalerweise trug, vor allem zum größten Teil seine Haut. Etwas später modifizierte er seine Schuhe mit Stoff und versuchte es so zu gestalten, dass sie weniger Geräusche machten.


    Des Weiteren fertigte er sich eine schwarze Kapuze und einen ebenso dunklen Gesichtsschutz an, die er beide auch sofort anzog. Als letztes umwickelte er seine Hände mit dünnen schwarzen Reststreifen und setzte über seine Brille eine der breiten Pilotenbrillen auf, die auch bei den Supermutanten im Commonwealth zu finden waren. So vermummt schaute er sich in der kleinen Waffenkammer um. Dort fand er ein für ihn brauchbares Scharfschützengewehr und eine Machete, die für Alter noch recht scharf war. Neben Munitionen und anderen Kleinigkeiten packte er noch zwei Stahlseile ein. Kurz überlegte er, ob es Sinn machte, noch ein normales Seil mitzunehmen, aber entschied sich dagegen, Es würde sein Gewicht sowieso nicht tragen können. Nach insgesamt drei Stunden war er soweit und verließ die Zuflucht. Er verschloss sie sorgfältig und schlug weiter den Weg Richtung MassFusion ein.


    Kaum wahrnehmbar für sein Umfeld schlich er durch das weitläufige Kanalsystem weiter. Dabei ging er äußerst umsichtig vor und versuchte jeglichen Kontakt mit wilden Ghulen, die hier unten zuhauf umherwanderten und anderen feindlichen Commonwealth - Kreaturen zu vermeiden. Das kostete Blue wiederum eine Menge Zeit. Je näher er Richtung MassFusion kam, desto schwieriger wurde es. Blue wollte bis zu einer bestimmten Stelle kommen und hoffte, dass der Weg dorthin nicht doch schon zusammengebrochen war. Unaufhaltsam nagte der Zahn der Zeit an den Überbleibseln der alten Welt. Es war nicht gerade selten, dass einige der alten Gebäude in Inneren von Boston plötzlich ins sich zusammensackten und sonst geläufige Wege unter sich begruben. Dabei wurde nicht selten auch der umliegende Untergrund in Mitleidenschaft gezogen. Blue hatte Glück, es gab wieder neue Einbrüche, aber der bekannte Weg war gerade eben noch für ihn begehbar.


    Der Mond war bereits aufgegangen und beleuchtete mit seinem fahlen Licht die Umgebung, als Blue mit einigem Kraftaufwand einen der festgerosteten Gullys aus den Angeln hob und zur Seite schob. Sehr aufmerksam und mit Bedacht stieg er aus der Unterwelt von Bosten hervor. Nicht weit von ihm entfernt, ragte hinter zwei gewaltigen Bergen aus Schutt und Metallresten der MassFusion Wolkenkratzer auf. Es wirkte trotz der Dunkelheit immer noch imposant, fast schon bedrohlich empor. Blue betrachtete ihn aber nur wenige Augenblicke. Schnell bewegte er sich in den Schatten der Schuttberge und zerstörten Gebäude. Langsam arbeitete er sich vor. Nach einer weiteren mühsamen halben Stunde konnte er aus den schattigen Bereich den Eingang des Wolkenkratzers ausmachen. Er war mit mehreren Feuerwässern beleuchtet und mit Barrikaden aus Sandsäcken versehen. "Hmm. Da hat sich also schon jemand häuslich eingerichtet. Das macht die ganze Sache nicht einfacher. Ich kann nur hoffen, dass es nicht schon die stählerne Bruderschaft ist, sonst ist mein jetziger Plan zum Scheitern verurteilt." brummte Blue unzufrieden im Innern und zog das alte Fernrohr, was er immer mit sich führte, aus einer seiner Taschen.


    Nach einem kurzen Blick durch dieses wusste er wer sich dort aufhielt. "Gunner? Was machen die hier? Das Gebäude haben sie nicht mit Zufall besetzt. Es muss für sie einen strategischen Wert haben. Ob sie auch nach dem suchen, was vermutlich auch Bruderschaft und Institut suchen?" Blue beunruhigte der Gedanke. Vor allem, dass es nach dem Verlust des Hauptquartiers der Gunner noch eine aktive Gruppe gab. "Mein Gefühl, dass die Gunner nicht nur im Commonwealth aktiv sind, scheint sich weiter zu bestätigen. Sie wären dann größer als angenommen und doch mehr als Mietlinge ... * leises Brummgeräusch* Was die Situation weiter verkompliziert. Am wenigsten können wir jetzt noch einen Gegner gebrauchen, der wo auch immer auftaucht und uns in den Rücken fällt ... aber als erstes muss ich weitestgehend ungesehen in das Gebäude kommen *kurzes Seufzen*. " Vorsichtig und beinahe geräuschlos schlich er weiter und schaffte es ungesehen sich ihnen soweit anzunähern, dass er ihre Gespräche mitverfolgen konnte.


    "Ich hoffe, unsere Ablöse kommt bald. Ich hasse es, die Abendwache zu schieben. Man hat das Gefühl man wird aus diesen ganzen Gebäuden unablässig von irgendwelchen Dinger beobachtet, die nur darauf warten, dass man einen Fehler macht, um dann genüsslich von ihnen verspeist zu werden. Ich verstehe immer noch nicht, was an diesem Ort für den Captain so wichtig ist. Das Innere ist so massiv beschädigt, dass es schon ein Wunder bräuchte, um in die oberen Bereiche vorzudringen. Wenn wir nur die Möglichkeit hätten, diesen verschießenen Aufzugmotor in Gang zu bekommen. Ich verabscheue diesen ganzen Ort. Ist doch eine reine Todesfalle." Bei dem Gunner, der das sagte, schienen die Nerven blank zu liegen. "Wenn der Captain sagt, dass es wichtig ist, dann ist es das auch. Schon die Sicherheitssysteme implizieren das. Die hier verwendeten Komponenten waren extrem hochwertig und nur mit massiven Waffeneinsatz auszuschalten. Die Terminals sind so hoch gesichert, dass wir es bisher nicht geschafft haben sie zu knacken. Die Leute von früher haben das sicher nicht nur gemacht, um ein Beutel Kronkorken zu schützen ..." wendete der zweite Gunner ein.


    "Könnt ihr beiden mal mit eurem Palaver aufhören und eurem Job nachkommen? In der Zeit, wo ihr beiden mit Schnattern beschäftigt wart, hätte sich eine Todeskralle von hinten anschleichen und euch zerfetzen können. Seht zu. Sonst melde ich euch dem Captain, ihr zwei verweichlichten Grünschnäbel! Warum habe ich eigentlich immer das Glück die Neulinge zu bekommen." seufzte der dritte Gunner. Blue verfolgte das Gespräch interessiert mit. Gerade als er sich weiter nähern wollte, öffnete sich die Tür hinter den dreien mit einem überraschend leisen *Wusch* und vier weitere Gunner kamen heraus. Durch das nun folgende Gespräch wusste Blue, dass es sich um die Wachablösung handelte. Die anderen drei verschwanden ins Innere und die nächste Gruppe nahm die Wacht auf. Eine ganze Zeit beobachtete er die Wache und nach einiger Zeit setzten sich zwei von ihnen an kleine Tische nieder, während die anderen beiden in die Dunkelheit schauten.


    Nach einer weiteren Zeit des Beobachtens entschloss Blue sich nun zu handeln. Zwischenzeitlich hatte er noch darüber nachgedacht, ob es nicht Sinn machte nach einer anderen Möglichkeit zu suchen, aber davon verabschiedete er sich recht zügig. Wenn es einen weiteren Weg ins Innere gab, war der mit Sicherheit genauso gut gesichert. Das hier waren Gunner und damit äußerst ernstzunehmende Gegner. Raidern würde es passieren irgendwelche Schlupflöcher zu übersehen, aber nicht den Gunnern. Blue setzte den Weg von der Seite im Schutz der Schatten weiter fort. Ungesehen und ungehört schaffte er es die Wand des MassFusion Gebäudes und die Nähe der ersten Barrikade zu erreichen. Blue spannte seine Muskeln an. Jetzt musste es extrem schnell und leise von statten gehen. Der Wache durfte es nicht gelingen, Alarm zu schlagen. Die ahnte nichts davon, dass nur wenige Meter von ihnen ein tödliche Schatten lauerte.

  • 424. Tödlicher Schatten II

    Die Sekunden, die er abwartete, dehnten sich zu gefühlten Stunden aus. Jetzt war es so weit. Langsam schob er ein längliches Metallstück in den Weg der Wache am äußeren Rand des Perimeters. Es musste wie ein Unfall aus Unachtsamkeit aussehen. Er hoffte, dass er so die Aufmerksamkeit der vier Männer für einen Moment auf einen Punkt richten konnte. Die Wache stolperte und fluchte dabei. "Dieser gottverdammter Schutt. Egal, wie oft man dieses alte Scheiße entfernt, sie rutscht immer ... " Kurz hörte man ein Ächzen, dann herrschte plötzlich Stille. Die anderen sahen sich an. "Wir sollten nachsehen. Nicht, dass der Idiot mit dem Auge in einem Stahlträger gelandet ist." grinste einer der anderen Wachen.


    Da sie im Moment nicht wirklich mit einer Gefahr so nahe an ihrem Wachposten rechneten, ließen sie weniger Vorsicht als sonst walten. Sie bogen um die Ecke, in einen von den Feuerfässern nur schlecht beleuchteten Bereich. Einige Meter weiter lag die Wache und regte sich nicht mehr. Zwei von ihnen blieben misstrauisch stehen, während die dritte Wache sich vorsichtig dem am Boden liegenden Kumpanen näherte. Er hockte sich hin und fühlte am Hals. Mit einem Mal verzog er sein Gesicht. "Was eine Scheiße. Ist wohl so unglücklich gefallen, dass er sich den Hals gebrochen hat. Na großartig! Das dürfen wir gleich unserem Vorgesetzten erklären. Kommt. Wir müssen gleich Meldung machen." Dann hörte er ein dumpfes Geräusch und die beiden anderen Wache sackten wie Mehlsäcke zu Boden. "Was zum Teufel ... " entglitt es der letzten Wache.


    Sie sah nur noch, wie sich aus dem Schatten ein großer und schwärzerer löste. Dann traf ihn ein knochenbrechender Schlag im Bereich des Oberkörpers. Einen Moment japste die Wache noch. Anschließend brach sie auf der Stelle tot zusammen. Der Weg ins Innere des MassFusion Towers war für Blue damit erst einmal frei. Aber noch galt es hier draußen noch etwas zu erledigen. Schnell durchsuchte Blue die vier Leichen nach Dingen und Informationen, die ihm im Gebäude weiterhelfen konnten. Er wurde bei einem von Ihnen fündig. Anschließend setzte er zwei der Wachen in ihre Stühle und drapiert mit Hilfe einiger Bänder so, dass sie von hinten so aussahen, als würden sie ihrer Aufgabe im Sitzen nachkommen.


    Die beiden anderen richtete er mit Metallstangen auf und positionierte sie an entsprechenden Stellen. Erst bei Beginn des nächsten Wachwechsel würde auffallen, dass etwas nicht stimmte. Vorsichtig näherte er sich dem Eingang an und steckte die gerade entwendete Zugangskarte in das Terminal ein. Mit einem leisen Zischen öffnete sie sich und gab den Blick in das Gebäude frei. Schon von außen konnte man erahnen, dass das Innere groß sein musste. Was man hier zusehen bekam, war beeindruckend. Zwar war viele Etagen ziemlich zerstört und der Schutt türmte sich an einigen Stellen, doch hoch oben war ein teils gläserner Boden zu sehen. Dieser schien den Wirren der Zeit beinahe ohne Schaden getrotzt zu haben. Ähnlich beeindruckender Aufzug war am Ende des Raumes. Auch er wies auch teilweise gläserne Komponenten auf und erinnerte entfernt an den Aufzug im Institut.


    Allerdings war die Fahrstuhltechnik nicht so unverwüstbar gewesen, wie man an den auseinandergebauten Komponenten im untersten Bereich erkennen konnte. Das musste der Aufzug sein, den eine der Wachen erwähnt hatte. Dieser führte scheinbar als einziger ganz nach oben. Im Inneren des gläsernen Aufzugschachtes hingen lange Seile herab. "Und vermutlich wird dort das sein, wonach sowohl Institut als auch stählerne Bruderschaft suchen. Scheinbar auch die Gunner nun auch." dachte Blue bei sich, als er sich mit Hilfe der Dunkelheit nach MassFusion hineinschlich. Jeden Schritt, jede Bewegung setzte er mit Bedacht. Es war hier eine große Gruppe von Gunnern anwesend und sie patrouillierten auch im Inneren.


    "Wozu brauchen die Gunner das verlorene Stück Technik? Oder deren Auftragsgeber? Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass die Gunner wirklich mehr sind als bloße Söldner. Vielleicht sondieren und erforschen sie unter einem Deckmantel das Commonwealth?" Blue war mehr als besorgt, dass auch die Gunner sich hier aufhielten, obwohl die Minutemen sie in ihrem HQ im Commonwealth besiegt hatten. "Was immer es bei ihnen ist, ich muss versuchen es vor allen anderen zu entdecken. Wenn ich weiß, was es genau ist, muss ich überlegen, wie ich weiter vorgehe." Mittlerweile erspähte er eine Ecke, bei der er sich in einen erhöhten Bereich hinaufziehen konnte. Sie war von den Patrouillen nur spärlich abgedeckt.


    Unbeweglich wartete er ab, bis der richtige Moment gekommen war und zog sich schnell hinauf. Das in die Jahre gekommene Material knirschte unter seinem Gewicht und rieselte herab. Gerade noch rechtzeitig verschwand er im Dunkeln der zerstörten Ebene, als eine Gunnerpatrouille ankam und den Bereich ableuchtete. Blue lag bereits flach auf dem Boden als keine zwei Meter von ihm ein Lichtkegel aufflammte. "Ich weiß genau, dass ich so etwas wie Schritte gehörte habe. Hier treibt sich mit Sicherheit wieder so ein Ghul aus den Tiefen herum." sagte einer aus der Patrouille. "Langsam glaube ich, dass du durchdrehst." bemerkte eine andere aus der Gruppe. "Ein Ghul hätte uns längst angefallen. Gestern war es angeblich ein Rudel Maulwurfsratten, das sich hinterher als Aneinanderschaben der alten Isolierung herausstellte. Wahrscheinlich ist es heute wieder etwas Ähnliches. Was wird es denn morgen sein, Mutie oder vielleicht Todeskralle?" verspottete sie ihn.


    "Ach halt du doch das Maul, Anfänger. Du hast doch kein blassen Schimmer. Du warst schließlich nicht dabei, als wir mit der ersten Truppe das Innere gesäubert haben. Wilde Ghule ohne Ende. Mein Verdacht ist immer noch, dass sie irgendwie über die verfallenen Keller Zugang zu diesem Gebäude bekommen. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust von denen zerrissen zu werden. Ist ein schmerzhafter Tod, glaub mir. Ich mache nicht den Fehler, sie zu unterschätzen. Und du tätest gut daran, es auch nicht zu tun." wies der andere sie zurecht. Sie führten das Gespräch noch weiter, entfernten sich dabei aber von Blues Versteck, so dass man die Unterhaltung nicht mehr verstehen konnte. "Uff. Das war verdammt knapp." dachte Blue bei sich, als er in Richtung zerstörtes Büros und anderer Räume vorwärts robbte. Weg von den Hauptpatrouillienrouten der Gunner.


    Langsam arbeitete sich Blue von unten nach oben vor. Über den Aufzugsschacht zu gehen, wäre die beste Möglichkeit gewesen, aber dort war er definitiv die volle Aufmerksamkeit der Gunner ausgesetzt gewesen und die Seile wären zu schwach gewesen. So suchte er nach einem eigenen Weg. Teilweise nutzte er dabei die Wege, die die Gunner mit Seilbrücken und anderen Hilfsmitteln angelegt hatten. Wo es möglich war, vermied er den Feindkontakt mit den Gunner und klettert an den Wänden entlang. Dadurch, dass das Wandmaterial durch den Zerfall geschwächt war, gelang es Blue die Wand an bestimmten Stellen einzudrücken und sich darin festzukrallen, um weiterzukommen. Mehrmals wäre er aber dabei in Tiefe abgestürzt, da das Material an manchen Stellen schon extrem zersetzt war. Zweimal musste er Gruppen von Gunnern ausschalten, da sonst ein Weiterkommen unmöglich war.


    Bis zum frühen Morgengrauen hatte er sich, ohne entdeckt zu werden, bis nach oben zu dem gläsernen Geschoss hingearbeitet. Mit einer weiteren halsbrecherischen Kletterpartie und einem gewagtem Sprung zog er sich einen letzten Vorsprung hoch und setzte die Füße auf den Glasboden und bewegte sich schnell in einen dunklen Bereich. Vorsicht war weiter angebracht, da er nicht sicher war, ob es den Gunnern nicht bereits gelungen war, sich hier oben Zutritt zu verschaffen. Oder gar noch irgendwelche der alten Verteidigungssysteme in Betrieb waren. Gerade als er einen Moment die Umgebung beobachtet hatte und in den Schutz des nächsten Raumes schleichen wollte, erschütterte eine Explosion den unteren Teil des Gebäudes.

  • 425. Tödlicher Schatten III

    Mehrere Offiziere der Gunner rannten aus einem der alten Büroräume des ehemaligen Führungsbereich des MassFusion Tower. Sie stürmten an Blue vorbei, der immer noch unentdeckt im Schatten verborgen war. Am alten Aufzugsschacht angekommen, ließen sie sich an Seilen hinab und eilten zu ihren Kameraden. Blue beobachtete die ganze Situation aufmerksam. Es schien ihm so, dass die Gunner von irgendjemanden angegriffen wurden. Nach einer weiteren Explosion und dem Bersten der Tür, durch die er gekommen war, bestätigte sich seine Vermutung. Nach einem mehrfach gebrüllten "Ad Victoriam" von der angreifenden Seite, wusste er auch wer den Gunner einen überraschenden Besuch abstattete.


    Jetzt hieß es schnell handeln, wenn er der Bruderschaft zuvorkommen wollte. Einen kurzen Moment zögerte er. "Sollte ich das wirklich tun? Es ist Verrat, den ich damit begehe, ... an meinen Freunden in der Bruderschaft." Blue dachte dabei insbesondere an Danse, Carter, Ingram und einige andere. "... aber ... sollte Ältester Maxson diese Technologie wirklich einsetzten, um Liberty Prime voll funktionsfähig zubekommen, wird er damit das Institut zerstören ... die guten und nützlichen Entdeckungen und Erfindungen, die den Menschen im Ödland wirklich helfen könnten, wären auf immer verloren. Außerdem traue ich Maxson immer mehr zu, dass er ihn anschließend gegen die Menschen des Commonwealth und insbesondere den Minutemen einsetzt, um den Machtanspruch der stählernen Bruderschaft zu zementieren. Mir bleibt im Moment keine andere Wahl ..." Seine Entscheidung war getroffen.


    Schnell lief er geduckt zum Fahrstuhlschacht und zerriss die gesamten Seile per Hand, so daes die Gunner nicht so schnell mehr nach oben kamen. Auch das Vorankommen der Bruderschaft würde er damit zeitweise ausbremsen. Mit ihren Powerrüstungen waren sie zwar in der Lage bestimmte Distanzen per Jetpack schneller zu überwinden, aber bei der Höhe mussten auch sie zwischenlanden. Blue versuchte selbst so wenig verräterische Spuren von sich selbst zu erzeugen. Deshalb auch das Zerreißen und nicht Zerschneiden der Seile. Es sollte den Anschein haben, dass sie durchgescheuert waren. Er beeilte sich zu dem Büroraum zu kommen, aus dem die Gunner gelaufen kamen. Er blieb dabei äußerst wachsam. Möglicherweise waren dort noch Leute von ihnen oder Abwehrmechanismen. Seine anhaltende Vorsicht zahlte sich aus.


    Zwei Gunner saßen vor einem alten Terminal und fluchten leise. "Verdammt. Das ist eine extrem schwierige Verschlüsselung. Das wird noch Tage dauern, bis wir die geknackt haben." sagte der eine unzufrieden. "Zeit, die wir nicht haben. Wir werden angegriffen. Die Sicherung dieser Daten und alles, was damit zusammenhängt ist die oberste Priorität. Der Befehl kam von allerhöchster Stelle. Sollten wir hier versagen, brauchen wir erst gar nicht zurückkehren. Dann sind wird so gut wie tot." bemerkte der andere nervös. "Das seid ihr gleich sowieso, also nur keine Eile." brummte aus einiger Entfernung eine ihn unbekannte Stimme sarkastisch aus den Schatten. Beide schreckten hoch und zogen ihre Waffen.


    Kurz war ein roter Punkt auf der Stirn einer Gunner zu sehen, dann brach derjenige auch schon im Gesicht blutüberströmt zusammen. Einige Augenblicke später ereilte dem zweiten Gunner das gleiche Schicksal. Blue durchsuchte die beiden nach eventuellen wichtigen Hinweisen und verscharrte die beiden schnell in einem Haufen Schutt und schob einige schwere und gröbere Schuttbrocken darüber. Von unten aus der Halle dröhnte der Gefechtslärm bis hier oben hoch. Die Gunner lieferten sich mit der stählernen Bruderschaft einen harten Kampf. Blue schaute sich das Terminal und die Verschlüsselung an. Es war wirklich gut gesichert. Ein für Blue wichtiger Hinweis, dass er auf der richtigen Spur war. Umgehend machte er sich daran den Schutz auszuschalten.


    Je schneller er damit war, desto mehr Zeit blieb ihn die Technologie noch vor der Bruderschaft zu bergen und vor allem sich einen Weg unerkannt aus dem Gebäude herauszusuchen. Durch den einzig ihn bekannten Zugang ging es nicht mehr. Die Bruderschaft durfte ihn keinesfalls hier sehen, dass würde sonst schwere Konsequenzen bedeuten. Die Finger flogen in den speziellen Handschuhen nur so über die alte und abgegriffene Tastatur. Nach etwa 10 Minuten schnaufte er zufrieden und ein kleiner Safe unterhalb des Schreibtisches öffnete sich. Auch waren die Einträge auf dem Terminal nun zu lesen. Vielen Daten war aufgrund des Alters zwar beschädigt und nicht mehr abrufbar, aber die wenigen Informationen waren hilfreich und wiesen ihn in einen bestimmten Bereich des Gebäudes.


    Blue griff in den Safe und nahm den Inhalt an sich. Danach verschloss er ihn wieder und sperrte das Terminal mit einer anderen Verschlüsselung. Eine, die der Bruderschaft zunächst Zeit kosten würde sie zu entfernen. Dann trat er aus dem Büro heraus und verschwand tiefer in die Etage. Mit Hilfe der im Safe gefunden Zugangskarte kam er gut in dem Bereich voran. Die Sicherheitstüren würden das Vorankommen der Bruderschaft weiter ausbremsen. Blue suchte einige Zeit, bis er plötzlich und unerwartet an einer weiteren Tür ankam. Der Zugang war wieder gesichert und die Karte öffnete Blue ein weiteres Mal den Weg. Sie führte in die Tiefe, laut verblichener Beschriftung zum Sicherheitsbüro. Es war zur heutigen Zeit nur noch über diesen einzige Zugang innerhalb des Mass-Fusion Gebäude zugänglich. Blue fragte sich, was ihn dort erwarten würde. Nach einigen Minuten Laufzeit war er dort angekommen.


    Gedämpfte hörte er hier immer noch die Kämpfe zwischen Bruderschaft und Gunner. Im Sicherheitsbüro fand er zu seiner Überraschung einen weiteren Aufzug, der tief unter das Mass Fusion Gebäude zu führen schien. Trotz der langen Zeit war er noch betriebsfähig. Nachdem Blue die Karte in das Terminal steckte und in den Fahrstuhl trat, setzte der sich in Bewegung. Einem noch unbekannten Ziel entgegen. Etwa drei Minuten später ruckte der Fahrstuhl und mit einem quietschenden Zischen öffnete sich seine Türen. Ein merkwürdiges blaues Licht erhellte hier unten die Räume. Vorsichtig bewegte er sich auf Richtung der Quelle des Lichtes zu. Dabei durchschritt eine kleine Passage und stand plötzlich in einem Überwachungs- und Untersuchungsraum. Viele der Monitore und Terminals waren zerstört und es herrschte hier ein heilloses Durcheinander. Einige der Computer waren aber noch funktionsfähig geblieben.


    Über die gesamte Front des Raumes zog sich eine äußerst dicke und aus Glas zu bestehende Wand und gab den Blick ins Innere des Raumes frei. Die Hauptquelle des blauen Lichtes kam genau aus diesem Raum. Im Gegensatz zu den Räumen, ja dem ganzen restlichen Gebäude war der Raum absolut unbeschädigt und wirkte in der ganzen Zerstörung unwirklich und fehl am Platz. Im Inneren des Raumes befand sich wohl eine Art Reaktor, wie Blue aus den stark angriffen Beschriftungen schloss. Er nahm sich einen Moment Zeit und durchforstete die Terminals, die noch funktionsfähig waren. in den alten Einträgen erfuhr er nun endlich, was er hier vor sich hatte. Einen Prototypreaktor einer erstmals sauberen Erzeugung von Energie. Der Reaktor hier wäre vor zweihundert Jahren in der Lage gewesen, eine Stadt wie Boston ohne Probleme mit Energie zu versorgen. Ohne schädliche Produktion von Atormüll und deren gravierende Auswirkung auf Umwelt und Lebewesen.


    Auch erfuhr er über andere Einträge, dass es hier zu Interessens- und moralischen Konflikten kam, so dass der große Krieg verhinderte, dass diese neue Energiequelle zum tatsächlichen Einsatz kam. Durch unwahrscheinliches Glück waren sogar noch auf den Festplatten die Pläne vorhanden und Kommentare dazu erhalten. Dabei spielte ein Bauteil die alles entscheidende Rolle für den erfolgreichen Betrieb. Der sogenannte Beryllium Agitator. Er besaß bis zum gewissen Punkt Abwärtskompabilität zu Schnittstellen anderer älterer Reaktoren und konnte sie damit relativ hoch aufwerten. Auch wenn sie nicht bis der Leistungsfähigkeit des hier gebauten Prototypen heranragten, war das eine massive Steigerung.


    Blue vermutete, dass sowohl Institut, als auch Bruderschaft den Agitator für ihre weiterem Pläne benötigten. Er entschloss sich, den Inhalt des alten Terminals auf seinem Pipboy zu speichern und es danach zu sperren. Gerade als er damit abschloss, gab es einen Geruch von verschmorter Elektronik. Dieser nach langer Zeit ausgeführter Betrieb gaben den Komponenten den Rest und das Terminal hörte damit auf zu funktionieren. Die Orginaldateien waren damit verloren. Auf Blues Pipboy war nun die einzige noch existierende Variante dieser Pläne vorhanden. "Hmm. Das nenne ich Glück gehabt. Vielleicht können wir aus diesen Bauplänen noch viel lernen und mit Hilfe einer stabilen Energieversorgung das Commonwealth besser beschützen und bewahren. Ich sollte die Räume nach dem Beryllium Agitator durchsuchen. Er muss sich noch hier irgendwo befinden. Laut der Daten auf dem Terminal haben sie den Reaktor kurz vor dem großen Krieg noch testen wollen. Ich vermute er ist noch irgendwo in der Nähe des eigentlichen Prototypen. Aber wie komme ich in diesen Raum hinein. Es muss irgendwo ein Eingang existieren." brummte Blue nachdenklich.


    Nach einem kurzen Moment des Umsehens entdeckte Blue den Zugang. Eine Strahlenschutzschleuse mit demenstsprechenden Sicherheitsparametern erlaubte den Zugang zum Raum, in dessen Inneren sich der Prototypreaktor befand. Blue musste einige Einstellungen vornehmen, um überhaupt in die eigentlich Schleuse zu gelangen. Dann war es so weit. Die dicke strahlensichere Tür öffnete sich und Blue war der erste, der seit über zweihundert Jahren diesen Ort betrat.

  • 426. Tödlicher Schatten IV

    Er schob den linken Ärmel zur Seite, der den verräterischen Pipboy bedeckte und betrachtete die Strahlungsanzeige. Sie schnellte nach oben. "Damit habe ich beinahe schon gerechnet. Das erklärt auch, warum die wilden Ghule sich von dem Gebäude angezogen fühlten. Ohne anständigen Strahlenschutz kommt man nicht weit. Dann wollen wir schauen, wo das gute Stück ist ..." Blue schritt aufmerksam suchend durch den Raum. Hier war es auffallend sauber und nirgendwo lag ein Staubkörnchen herum. Das komplette Gegenteil von außerhalb.


    Langsam näherte er sich dem eigentlichen Reaktor an und studierte ihn eine zeitlang aus einer Mischung aus Respekt und Trauer. "Die Menschen von früher haben beeindruckende Erfindungen gemacht. Bedauerlich, dass man den Großteil von ihnen in den letzten Jahren vor dem großen Krieg nur noch dazu genutzt hat, die Oberhand in diesem zu behalten. Jetzt liegen die meisten irgendwo im Schutt und der Zerstörung der alten Welt begraben und verrotten." Er schüttelte kurz den Kopf und seufzte. Plötzlich registrierte er im Augenwinkel des rechten Auges in der Nähe der Schaltkonsole des Reaktors einen viereckigen Kasten. War es vielleicht das, wonach er suchte? Er nahm den viereckigen Kasten in seine rechte Hand und musterte durch die transparente Scheibe den Inhalt. In ihm lag ein länglicher und merkwürdig aussehender Gegenstand. Sehr akkurat gearbeitet, äußerst glatt wirkend und doch irgendwie schon fast gewöhnlich.


    Durch die Pläne vom Terminal wusste Blue, dass er den Beryllium Agitator gefunden hatte. "So unscheinbar wirkend und dennoch so wichtig. Aber es sind häufig die kleinen und schlichten Dinge, die dafür Sorge tragen, dass Großes funktioniert." Blue starrte einen Moment vertieft in seine eigenen Gedanken still vor sich hin. Anschließend nahm der die kleine Kiste mit dem darin enthaltenden Beryllium Agitator und steckte ihn in seine Seitentasche. "Ich weiß nun, wie ich weiter vorgehe. Zunächst werde ihn außer Reichweite von Institut und Bruderschaft bringen und an einem sicheren Platz verstecken. Genauso wie die Pläne. Aber nun muss ich zunächst unerkannt aus dem Gebäude entkommen." brummte er leise vor sich hin.


    Er verließ den Reaktorraum, schlug den Weg Richtung Aufzug ein und fuhr mit diesem wieder nach oben. In der ehemaligen Sicherheitszentrale angekommen, verließ er mit der üblichen Vorsicht die Kabine und lauschte in den Raum hinein. Außer vereinzelten Schüssen war der Gefechtslärm abgeklungen und eine beinahe wachsame Stille war vorhanden. Blue schlich das Treppenhaus wieder nach oben. Als er an der gesicherten Tür angekommen war, lege er sein Ohr an sie und blieb so einige Zeit. Dann öffnete er sie, spähte in den Gang und lauschte wieder. Im Moment schien sich in seiner Nähe niemand aufzuhalten. Gerade als er aus dem Aufzug herausgetreten und ein ganzes Stück weiter geschlichen war, hörte er nicht weit von sich entfernt das Geräusch von aufsetzenden Powerrüstungen. Damit wurde Blue klar, dass die Gunner in MassFusion Geschichte waren.


    Er reagierte sofort, machte kehrt und bog in die nächstliegende Kreuzung ein. Sie führte zu mehreren Büros, die Größtenteils eingestürzt waren. Nur bei einem einzigen war noch ein Öffnung vorhanden, durch die Blue ins Innere gelangen konnte. Die Schritte der Powerrüstungsträger näherten sich schnell und klangen durch die Akustik des zerfallenen Gebäudes laut und unbarmherzig. Ohne langes Nachdenken quetschte er sich in das alte Büro hinein. Es lag an der Außenwand des Mass - Fusion Gebäude. Auf den Boden liegend schob er schnell einige der zerstörten und heruntergefallenen Deckenplatten vor die Öffnung. Leider gelang ihm das nicht ganz geräuschlos. Mittlerweile waren die Schritte ziemlich nahe. Blue lag so flach auf dem Boden, wie es ihm irgendwie möglich war und wagte kaum zu atmen.


    Die Schritte kamen den Gang hinab und er konnte aus seinem Versteck heraus sehen, wie die Strahlen der Helmlampen die gesamte Umgebung ableuchteten. Mehrere Male wurde auch der Raum durchleuchtet, in dem Blue sich versteckte. Jeweils knapp einen Meter neben ihn bohrten sich die Lichtfinger durch den Schutt. Blue lag hinter einer größeren Deckenplatte, die verhindert, dass die Lichtstrahlen zu ihm direkt durchdrangen. Nachdem die Mitglieder der Bruderschaft fünf Minuten die Umgebung abgesuchten, blieben sie keine fünfzig Zentimeter von Blue entfernt stehen und unterhielten sich.


    "Ich denke nicht, dass sich hier irgendwo noch ein lebendes Mitglied der Gunner versteckt hält. Der Zustand der des Gebäudes ist auch hier oben äußerst marode. Wahrscheinlich haben sich aus Strukturschwäche einige Teile gelöst und sind herabgestürzt. Deswegen der Krach. Wir sollten äußerst vorsichtig vorgehen. Die Powerrüstungen beanspruchen die geschwächten Böden auch. Kommt, wir sollten nicht zu lange auf einer Stelle stehen bleiben. Wir sollten die Suche nach der Technologie fortsetzen. Procter Quinlan hat mehrmals betont, wie wichtig sie für das weitere Vorankommen der stählernen Bruderschaft ist." Man konnte ein kurzes zustimmendes Gemurmel vernehmen. Anschließend entfernten sich die Schritte langsam.


    Blue blieb noch ein ganze Zeit unbeweglich liegen. Dann atmete er ein wenig tiefer aus. "Uff. Heute zum zweiten Mal mehr Glück als Verstand gehabt. Ich dachte schon, sie hätten mich entdeckt. Aber mit meinem Verdacht lag ich leider richtig. Sie sind auch wegen des Agitators hier. Ich muss sehen, dass ich so schnell wie möglich hier wegkomme. " dachte er und versuchte sich dabei leise und vorsichtig aufzurichten. Als er beinahe gebückt stand, gab der Boden unverhofft unter seinen Füßen nach. Gefühlt der halbe Raum hinter und unter seinen Füssen liegende Raum wurde in die Tiefe gerissen. Blue bekam gerade noch die Stahlarmierung in seiner Nähe zu packen und hielt sich krampfhaft daran fest. Seine Beine baumelten bereits über dem dunklen endlos wirkenden Abgrund. Als er sich an ihr hochdrücken wollte, gab diese nach. Vorsichtig und mit Bedacht hangelte er sich an der Abbruchkante Richtung Außenwand entlang. In der Hoffnung, dass dort das Material noch nicht so marode war.


    Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Auch dort gelang es ihm nicht eine Stelle zu finden. Ihm blieb nichts über, als zu versuchen, sich wieder an der Außenwand entlang und nach unten zu hangeln. Immer wieder versuchte er mit den Füssen sichern halt zu finden, aber jedes Mal gab diese Stellen nach. Noch einige Zeit würde er sich so weiterbewegen, aber irgendwann würden ihn seine kräftigen Arme nicht mehr halten können. Bereits jetzt merkte er, wie ihn sein eigenes Gewicht langsam in die Tiefe zu ziehen schien. Da er kaum etwas sah tastete er sich weiter voran. Plötzlich hörte man ein knackendes und ächzende Geräusch. Er schaute in die Richtung, aus der es gekommen war. Mittlerweile etwa 20 Meter entfernt konnte man sehen, wie sich ein großer Teil der Abbruchkante löste und sich mit Getöse nach unten verabschiedete.


    Das führte zu einer weiteren Kettenreaktion. Es wurden weitere Teile des gegenüberliegenden Büros und des Flurs dazwischen mitgerissen. Blue krallte sich noch mehr fest und zog sich weiter an die Wand, um nicht von den herabfallenden Trümmern erschlagen zu werden. Nach einem Moment beruhigte sich die Lage und man konnte aus der Dunkelheit erahnen, dass nun der gesamte Gang verschüttet von oben verschüttet war. Dieser Rückweg war nun definitiv versperrt. Blue schöpfte gerade etwas Atem, da verschärfte sich die Lage erneut. Das Verkleidungsmaterial der Außenwand, war ebenfalls über die lange spröde geworden und gab ebenfalls unter die punktuelle Belastung nach unten nach. Er fand noch so viel Halt, dass er nicht von der Wand fiel, aber dadurch begann er immer schneller an der Wand hängend nach unten zu sausen. Die scharfkantigen Abbruchkanten zerrieben zunächst seine Handschuhe, dann schnitten sie sich durch die zunehmenden Geschwindigkeit und Blues Körpermasse durch sein Fleisch seiner Händen.


    Blue biss bei dem unvermeidbaren Rutschen die Zähne dabei so laut zusammen, dass ein grässlicher Knirschton entstand. "Darf ... nicht ... *Knirschlaute* schreien ... verrät mich ..." Weitere fünfzehn Meter rutschte er hinunter, bis ihm am linken Handgelenk unerwartet ein so harter Schlag traf, dass er das Splittern seiner eigenen Knochen hörte. Gleich darauf fühlte er, wie ebenfalls die linke Brustseite gegen einen harten Gegenstand prallte, für einen kurzen Moment zurückgeworfen wurde und wieder dagegen schlug. Es war beinahe genauso schmerzhaft, wie bei der linken Hand. Blue japste nach Luft und hielt sich krampfhaft mit der rechten Hand fest. Hier war das Material nicht mehr spröde und hielt stand. Wieder suchte er mit den Füssen nach einem Halt und fand ihn auch. So schnell wie möglich zog er sich hoch. Bei ihm gab es eine Einbuchtung von etwa einem Meter Länge und etwa ein Meter fünfzig Breite, auf die er sich zunächst zurückzog.


    Fünf Minuten lang lehnte sich Blue an die kalte Außenwand an, bevor er sich wieder bewegte. "Sollte es kurz ... *schmerzunterdrücktes Keuchen*... mit ein wenig Licht versuchen ..." und knipste dabei den Pipboy ein. Die Schatten flohen durch das Licht beinahe so davon, wie Nachtpirscher in der Mojave. Sein Blick fiel zunächst auf die Umgebung. Der Zusammenbruch in diesem Teil des Gebäudes war massiv. Über ihn ging es schätzungsweise fünfundzwanzig Meter in die Höhe, bis wieder ein Boden sichtbar wurde. Nach unten war der Weg ebenfalls so lang und Blue war froh, dass er nicht losgelassen hatte. Unten am Boden standen viele der herabgestürzten Bereiche so, dass Teile der Stahlarmierung eine überdimensionierte Stachfalle bildeten. Der ganze Bereich schien so verschüttet zu sein, dass er zu den anderen Teilen des Gebäudes keinen Zugang mehr aufwies, ergo vorerst auch keine potentielle Fluchtmöglichkeit für Blue bedeutete.


    Im Schein des Pipboylichts begutachtete er seine linke von Schnitten und Verletzungen gekennzeichnete Hand. Anschließend fühlte den Bereich des linken Brustkorbs ab. Beide Bereiche schmerzten sehr. Besonders die Hand stand in einem merkwürdigen Winkel ab. Er brummte unzufrieden. "Ich habe es beinahe befürchtet. Sieht gebrochen aus. Die werde ich einige Zeit nicht benutzen können. Was es mir jetzt gerade nicht einfacher macht. Muss sie aber zunächst richten." Dafür suchte er zwei kurze Metallstücke und holte Verbandsmaterial aus seinem Seitenbeutel. Dabei fühlte er kurz nach dem Kästchen mit dem Beryllium Agitator. Er seufzte erleichtert. "Scheint das Ganze unbeschädigt überstanden zu haben. Gott sei Dank" Mit einem gezielten Griff mit der rechten Hand richtete er unter zusammengebissenen Zähnen die Knochen wieder aus. Unter einigen Mühen verband er sich selbst und lehnte sich nachdenklich zurück.


    Während er so angelehnt saß, fühlte er ein leichten Luftzug in seinem Nacken. Er schien von irgendwo hinter der Verkleidung zu kommen. Blue spähte in sie hinein. Sie war von innen hohl und etwa ein Meter breit. In der Entfernung von zwanzig Meter konnte er einen fahlen Lichtstrahl erkennen. Behutsam robbte er hinter sie und auf das Licht zu. Das Vorankommen war für ihn alles andere als leicht. Immer wieder musste er sich mit Körper- und Armeinsatz Platz verschaffen, um zu der Stelle zu gelangen. Eine geschlagene halbe Stunde später war die Stelle endlich erreicht. Durch einen, wenige Zentimeter breiten Spalt konnte Blue nach draußen blicken. Der Himmel war bedeckt und bedrohlich wirkende Wolken mit gelblicher Färbung zogen auf. Einmal blitzte es bereits.


    Blue fühlte die Wand vor ihm ab und versuchte mit der rechten Hand wegzudrücken. Deutlich war zu spüren, dass sie nachgab, aber die Kraft seiner Hand reichte allein dafür nicht aus. Er setzte sich mit Rücken zur Verkleidungswand und versuchte die Füße so einzudrehen, dass sie angezogen an der Außenhülle an lagen. Das war nicht einfach zu bewerkstelligen, gelang ihm aber nach einigen umständlichen Verdrehungen doch. Blue holte tiefen Luft und startete einen ersten Versuch. Er spannte Beine und Rücken an und drückte gegen die Außenwand. Sie gab wieder etwas nach, löste sich aber noch nicht von ihrem Platz. "Ich werde mich nicht von ein paar Stahlplatten davon abhalten lassen hier wieder rauszukommen. Nochmal das Ganze." brummte er leicht gereizt. Er drehte sich in die Ausgangsposition zurück. Spannte wieder Beine und Rücken an und legte seine gesamte Kraft, die er besaß in die Bewegung. Mit einem reißenden Kreischen flog ein Teil der Außenverkleidung weit hinaus und anschließend nach unten.


    Genau in diesem Moment donnerte und blitzte es über der alten Stadt. Ein starker Wind setzte ein und zerrte an seiner Kleidung. Kurz darauf setzt auch Regen ein. Er schaute nach unten und stellte erstaunt fest, dass es nur noch zehn bis fünfzehn Meter waren. Aufgrund der Tiefe im Inneren war er von mehr ausgegangen. Auf dieser Seite des Wolkenkratzers war breit und weit niemand zu sehen. Blue wagte den Abstieg. Immer wieder unterbrach er ihn, um nicht von den Böen aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden. Eine nervenaufreibende Zeit später war Blue endlich unten ankommen und mehr als froh den Erdboden unter seinen Füßen zu spüren. Seine Mission war gelungen, der Beryllium Agitator war geborgen und er war unerkannt geblieben. Schnell verschwand er im Schatten von Boston und schlug den Weg in Richtung Süden des Commonwealths ein.

  • Blue hat wirklich ne Menge abbekommen, aber wieder ein Super Kapitel und der Kollaps in Mass Fusion war so gut beschrieben, ich konnte mir bildlich vorstellen wie unser armer Held heruntergeplumpst ist.. :wacko:

  • Autsch , das nächste Gebäude bitte stehen lassen. Wir müssen wohl eine Kletterausrüstung für das nächste Abenteuer besorgen :hmm:



  • 427. Hoffnungslos, aber nicht unmöglich

    Blue schlüpfte aus dem Schatten heraus und ging die Straße entlang. Er trug noch immer seine dunkle Ausrüstung inklusive der Kopfbedeckung, die er in Mass-Fusion nutzte. Der Verband um seine linke Hand war mittlerweile schwarz vor Dreck. Seit dem Verlassen von Mass-Fusion war er ohne Pause gewandert. Nur noch 200 Meter trennten ihn von dem ehemaligen Gebäude eines kleinen Super Duper Marktes, seinem nächsten Ziel. Nach der anstrengende Reise durch den Untergrund von Boston war Blue froh, endlich eine kurze Atempause einlegen zu können. Es war ein kleiner, fast unscheinbarer Außenposten der Minutemen kurz hinter Quincy. Davor und auf den Straßen im Umkreis patrouillierten einige gut ausgerüstete Minutemen. Der Super Duper Markt war insgeheim ein weiterer Eingang in Vault 88 und dementsprechend geschützt.


    Eine der Minutemen-Patrouillen beäugte ziemlich misstrauisch seine Anwesenheit. Sie zogen bereits angespannt die Waffen und entsicherten sie. Im Moment glich er durch die angegriffene und verdreckte Ausstattung eher einem Commonwealth-Mutanten, auch wenn diese sich so in den seltensten Fällen kleiden würden. Blue blieb stehen, nahm seine unverletzte Hand langsam hoch und zog die Kapuze nach hinten. Danach entfernte er die Pilotenbrille und den restlichen Gesichtsschutz. Die Patrouille schaute zunächst verdutzt, steckten die Waffen weg und sahen für einen Moment peinlich berührt auf den Boden. Blue war mittlerweile herangekommen. "Sie haben richtig reagiert. Ich hätte durchaus ein Gegner darstellen können." brummte Blue müde, aber freundlich. "War das von ihnen ein Test, ob wir der Situation angemessen reagieren, Sir?" fragte einer aus der Gruppe respektvoll. Blue was als Anführer der Minutemen mittlerweile dafür bekannt, hin und wieder bestimmte Dinge zu prüfen. Meist unverhofft.


    "Nein, dieses Mal nicht. Ich hatte in meinem Aufzug und die damit verbundene Außenwirkung auf Sie nicht mitbedacht. Ist hier im Moment sonst alles ruhig?" "Okay, Sir. Nein, keine Probleme vorhanden. Raider machen einen großen Bogen um Quincy und den Steinbruch. Soweit mir bekannt ist es an den anderen Außenposten ebenfalls ruhig." Blue nickte zufrieden. Scheinbar war Vault 88 immer noch ein gut gehütetes Geheimnis. Niemand von der Bruderschaft oder dem Institut schien mitbekommen zu haben, dass die Minutemen mittlerweile über eine gut ausgebaute und technisch ausgefeilte Vault verfügten. Er verabschiedete sich von der Patrouille und verschwand in dem alten Super Duper Markt. Über eine lange Treppe, die in die Tiefe führte, betrat er Vault 88.


    In den Außenbereichen der Vault angekommen schlug er einen ganz bestimmten Weg ein. Während er so durch die Vault lief, betrachtete er sie und die eingeschworenen Leute, die an vielen Stellen immer noch mit einer Menge Arbeit beschäftigt waren. Vielfach wurde bei Neu- oder Erweiterungsbauten gescherzt und gelacht. Trotz der Tatsache, dass sie teilweise körperlich sehr schwer waren. Blue lächelte. "Die Bewohner des Commonwealth können wirklich stolz auf das sein, was sie hier geleistet haben. Hier haben sie wirklich bewiesen, dass sie mehr können, als sich angeblich nur zu bekämpfen und wie zu Barbaren zu benehmen. Entgegen den Behauptungen von Institut und stählernen Bruderschaft. Man muss ihnen nur ein Chance geben. Das würde sich auch für Bruderschaft und Institut positiv bemerkbar machen. Vielleicht müssen wir den jetzt vor uns liegenden Weg einschlagen, um sie zum "Nachdenken" anzuregen ... " seufzte Blue in seinem Inneren. "... ich wünschte wirklich es ginge anders."


    Blue war mit sich selbst ziemlich unzufrieden und empfand sich als Verräter an allen Fronten. Sein ganzes Verhalten, dass er selbst in der letzten Zeit an den Tag legte, strapazierte seine eigenen Moralvorstellungen ziemlich. Er fragte sich mittlerweile frustriert, welche Teile seines eigenen Moralkodex der Situation als nächstes zum Opfer fielen. Nach einiger Zeit erreichte er sein eigentliches Ziel in der Vault. Einen gut gesicherter Raum. Hier brachten die Minutemen im südlichen Ödland gefundene Technologie unter, die zu gefährlich war, sie unbeaufsichtigt rumliegen zu lassen. In einer Ecke des Raumes gab es einen Safe. Dort wurden Sachen von besonderer Relevanz gesichert. Nur Blue und Preston besaßen den Zugang dazu. In diesem Safe wollte Blue den Beryllium Agitator zunächst deponieren.


    Im Moment erschien es ihm als der sicherste Ort im Commonwealth. Keiner seiner Freunde und Leute wusste, was in diesem Safe lag. Preston würde diesen Safe auch erst öffnen, wenn er nicht mehr lebte. Für den Fall schrieb Blue etwas zu dem Gegenstand, damit Preston verstand, wie wichtig dieser war. So hoffte er, dass er sie so lange durch das Nichtwissen schützen konnte. Blue legte das Schriftstück auf den in seiner Schutzhülle liegenden Agitator und verschloss den Safe danach sorgsam. Das war nun geschafft, aber es gab noch eine Menge zu tun. Er verließ gerade den Raum und ging gedankenversunken den Gang entlang, da kam ihm Geoffrey Pendelton entgegen. Der betrachtete Blue mit einem ernsten und fragenden Blick.


    Auch er wusste, wo sich Blue im Moment eigentlich aufhalten sollte und allein der Aufzug sagte ihm, dass etwas nicht nach Plan verlief. Blue sah aus, als wäre er durch sämtliche alte Kanalisationen des Commonwealth gekrochen. Der Ausdruck in Blues Gesicht untermauerte Geoffreys Verdacht nur noch. "Wollen Sie reden, Sir? Oder brauchen Sie noch Zeit für sich?" fragte der alte Ghul einfühlsam. Blue schüttelt kurz den Kopf. "Ich brauche Ihren Rat, Geoffrey. Es gibt einiges zu Besprechen und wir müssen Vorbereitung treffen. Aber ich werde mich erst einmal ... herrichten und den Doc hier besuchen." sagte Blue zwar ruhig, aber in seiner Stimme klang Sorge mit. "Gut. Sie wissen ja, wo Sie mich finden. Und was es auch ist, wir werden eine Lösung finden." versuchte Geoffrey ihn aufzumuntern.


    Blue sah den alten Ghul einen Moment an, seufzte kurz, aber sagte nichts weiter darauf. Blue verschwand tiefer in der Vault. Geoffrey schaute ihm hinterher. "Das sieht nach einem großen Problem aus. So kenne ich ihn kaum." Auch bei Geoffrey machten sich nun Sorgen breit. Nach einer Stunden sahen sich die beiden im ehemaligen Aufseherraum wieder. Geoffrey als wissenschaftlicher Leiter von Vault 88 hatte seit dem Tod von Barstow hier seine Zelte aufgeschlagen. Er saß nachdenklich in seinem Stuhl zurückgelehnt und schaute dem Treiben in der Halle durch das große Fenster zu. Dann vernahm er Blues Schritte, setzte sich gerade hin und blickte ihn erwartungsvoll an. Blues Miene war immer noch so ernst wie bei ihrem Zusammentreffen.


    "Geoffrey, darf ich Sie mit einer Frage aus der Zeit beim Militär vor dem großen Krieg belästigen?" Der Ghul schaute irritiert. "Es kommt darauf an, was es ist, Sir. Ich erinnere mich nur sehr widerwillig daran. Viel Schmerz, Trauer ... Verluste sind damit verbunden." "Ich weiß und ich frage auch sehr ungern, da ich eigentlich nicht an den alten Wunden rühren möchte. Aber es ist wichtig." seufzt Blue wieder. "Sagt Ihnen der Name Liberty Prime etwas?" Geoffrey zuckte kurz wie von einem Schlag getroffen zusammen. Er sah Blue mit einer Mischung aus Niedergeschlagenheit und sogar einem Anflug von Angst an. "Ob der Name mir etwas sagt? Ja, es war ein Kampfroboter, der entwickelt worden war, um die Schlacht von Anchorage zu unseren Gunsten zu entscheiden. Er sollte neben den Powerrüstungen die Ultimate Waffe auf dem Schlachtfeld werden. Mit seiner Bewaffnung und seiner Größe wäre es wahrscheinlich ein leichtes gewesen unseren damaligen Feind zu besiegen." Geoffrey pausiert und schloss kurz die Augen.


    "Nur ist er nie eingesetzt worden. Gott sei Dank sage ich heute. Es gab mit der Energieversorgung dieses Kolosses massive Probleme. Bis zu Beginn des großen Krieges konnte man sie nicht lösen. Wenn dieses Ungetüm in die falschen Hände geraten, wäre es kaum zu stoppen gewesen. Einige an der Entwicklung beteiligten Wissenschaftler haben damals davor gewarnt, dass der Feind sich über ein ausreichend hartnäckiges Virus Zutritt zu Liberty Primes Programmierung hätte verschaffen können. Die Führung hat es damals natürlich wie so häufig ignoriert. Ich mag mir bei der Bewaffnung von Liberty Prime nicht ausmalen, wenn das auf dem Schlachtfeld passiert wäre." Geoffrey schüttelte sich, dann sah er Blue scharf an.


    "Sie fragen mich nicht ohne Grund danach, Sir. Woher kennen Sie den Namen?" "Ich habe ihn das erste Mal in den Archiven der Bruderschaft gelesen. Sie scheinen ihn vor einigen Jahren im Ödland der Hauptstadt zum Laufen gebracht zu haben. Gefunden haben sie ihn in der sogenannten Zitadelle, als sie dort ankamen. Später setzten sie ihn gegen die Enklave ein, die ihn mit einem Orbitalschlag wohl zum Größtenteils zerstört hat. Und wenn ich die Zeichnung von Cpt. Flux vom alten Flughafen richtig interpretiere, versuchen sie ihn wieder aufzubauen. Die Überreste hängen in einer Art Aufbaurahmen. vermutlich will der Älteste ihn im Kampf gegen das Institut nutzen." berichtete Blue und zeigte Geoffrey die Zeichnung von Andrew. Der betrachte die Zeichnung und die Augen des alten Ghuls sprachen Bände.


    "Das ist er ... definitiv. Blue ... ich weiß ... dass die stählerne Bruderschaft unsere Verbündete und Sie dort Mitglied sind ... aber haben Sie ... ich mag es gar nicht aussprechen ..." Geoffrey räusperte sich. " ... die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die stählerne Bruderschaft ihn eventuell gegen uns einsetzten könnte?" Geoffrey war deutlich anzumerken, wie schwer ihm dieser Verdacht fiel. Blue nickte. "Deswegen frage ich Sie, Geoffrey. Ich habe die Hoffnung gehabt, das Sie von früher her etwas wissen, dass uns gegen diese mögliche Gefahr wappnen könnte. Z.B. Schwachstellen, Waffen usw. Einen Vorteil haben wir im Moment. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie wieder Probleme mit der Energieeinspeisung haben." Er überlegte einen ganzen Moment lang und versucht sich an eine lange vergangene Zeit zurückzuerinnern. Anschließend schilderte er Blue, was er noch aus der Vergangenheit wusste.


    Beide waren sich am Ende von Geoffrey Schilderung einig, dass es schwer, aber nicht unmöglich war, gegen Liberty Prime vorzugehen. "Gut, bei dieser Sache wissen wir, was auf uns in etwa zukommt. Das zweite Sache, die mir ziemliche Sorgen macht, ist das Institut. Ich habe es auf eigenen Wunsch verlassen ..." Blue schilderte Geoffrey grob das Wieso und Warum. "Das heißt, auf die Minutemen und das Commonwealth kommen schwere Zeiten zu. Wir wehren uns also gegen zwei uns überlegene Gruppen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Blue?" fragte der Ghul resigniert. "Gerade da, als es besser zu werden begann." Wieder sah er Blue ernst an. "Ich weiß, dass Sie mit Sicherheit alles getan haben, was möglich war. Haben wir überhaupt eine Chance bzw. haben Sie schon einen Plan?" harkte er nach.


    "Den habe ich durchaus. Ich hoffe nur, dass wir noch genügend Zeit haben uns auf Alles vorzubereiten. Deswegen brauche ich Sie und Ihren Bruder ebenfalls. Mein nächster Schritt wäre jetzt, dass wir uns mit der obersten Führungsriege der Minutemen, ihnen beiden und ein paar "speziellen" Leuten von uns in der Burg treffen und alles weitere besprechen. Es gibt noch einiges mehr zu berichten. Nach dem Ende unserer Unterhaltung werde ich Colonel Shaw sofort verständigen. Wir müssen jetzt die Zeit so gut wie möglich nutzen." Geoffrey schluckte. So ernst war die Situation für ihn im Commonwealth noch nie gewesen. Als Blue sich daran machte Fort Independence zu verständigen, nahm er Kontakt mit seinem Bruder in Ironworks auf.

  • 428. Krisensitzung

    Zwei Tage später. Fort Independence.

    Der Wind war frisch, kalt und blies in Richtung Küste. Die Wellen waren höher als sonst. Die Gischt spritze bis an den Mauern der Burg heran. Blue schien gedankenverloren auf das offene Meer hinauszuschauen. Ein Arm waren hinter dem Rücken verschränkt. Den anderen trug er samt Verband in einer Schlinge. Der Wind wirbelte in den kurzen grauen Haaren herum. Von der Seite betrachtet, waren seine Augen geschlossen und er schien immer wieder mit den Zähnen zu knirschen. Man hörte Schritte die alten, metallenen Stufen heraufkommen. Blue öffnete die Augen. Einen kleinen Moment war darin Unsicherheit zu erkennen, dann veränderte sich der Ausdruck schlagartig und sie nahmen einen harten und unnachgiebigen an.


    "Blue?" Es war Preston, der nach ihm schaute. "Kommst du? Es sind jetzt alle da." Blue nickte stumm, drehte sich langsam um und folgte ihm nach unten in das Besprechungsquartier. Als er es betrat, richteten sich gespannt alle Augen auf ihn. Bis auf Geoffrey, der einige Informationen in Vault 88 mitgeteilt bekam, wussten die anderen nicht wirklich, warum Blue diese Versammlung einberief. Dahingehend war er die Tage verschlossen gewesen. Selbst Preston, der sonst alles aus seinem Freund herausbekam, war erfolglos. Blue setzte sich und schaute ernst in die Runde. Neben Preston, Andrew und Ronnie waren die beiden Pendeltons, Deacon, Doc Carrington und Desdemona anwesend. Blue räusperte sich kurz. "Erstens Danke, dass ihr alle so zeitig hier seid. Zweitens möchte ich mich für die geheimniskrämerische Art, die ich die letzte Zeit an den Tag gelegt habe, entschuldigen. Es schien mir aber aufgrund meiner derzeitigen Situation notwendig."


    Einige der Anwesenden sahen ihn fragend an. "Wie Deacon es mal in ähnlicher Weise gesagt hat, wenn man mit bestimmten Fraktionen auf dem Tanzparkett unterwegs ist, sollte man seine Schritte genau bedenken." brummte Blue und schaute dabei Deacon an, der ihm gegenübersaß. "Ich werde euch jetzt zu unterschiedlichen Entwicklungen berichten. Zu jeder würde ich euch bitten, mir eure Einschätzung aufzuschreiben und eure Lösungsvorschläge zu notieren. Wenn ich euch alles geschildert habe, möchte ich mit euch darüber nachdenken und diskutieren. Es ist äußerst wichtig." Die anderen nickten und Blue begann zunächst über die Entwicklung am Flughafen von Boston zu berichten.


    Dabei schilderte er seinen sich immer mehr verhärtenden Verdacht, den ebenfalls Geoffrey Pendelton mit ihm teilte. Den er bereits auch zu einem frühen Zeitpunkt schon mit Preston erörterte. Andrew Flux ergänzte kleinere Details, die er teilweise von Ritter Carter erhielt, während sie gemeinsam unterwegs gewesen waren. Auch wenn viele der Anwesenden schon von der Situation am Flughafen Unterschiedliches gehört hatten, war es wichtig, dass alle über die aktuellen Entwicklungen informiert waren. Anschließend brachten Geoffrey und sein Bruder ihr Wissen über Liberty Prime ein. Nach dem Ende des ersten Berichts herrschte ein betretenes Schweigen.


    Nach einer kurzen Pause berichtete Blue anschließend detailliert über das Institut und seine Erlebnisse dort. Insbesondere Doc Carrington, Deacon und Desdemona schauten absolut verblüfft, dass es Blue ohne ihr Wissen gelungen war ins Institut vorzudringen und lebendig zurückzukommen. Auch die, die darüber Bescheid wussten nahmen die vielen Neuigkeiten mit Erstaunen auf. Aber ein jeder reagierte mit Besorgnis, als Blue schilderte, was er in den letzten Tagen im Institut erlebte. Blue spielte dabei auch das Holoband von Vater ab, was viele noch mehr verwirrte. Langsam fiel es den Beteiligten schwer ruhig zu bleiben und es kam bereits zu Einwürfen und Streitgesprächen. Durch die augenscheinlich gemeinsam stark anwachsende Bedrohung durch stählerne Bruderschaft und Institut lagen bei vielen die Nerven blank.


    Blue war sichtlich bemüht, sich weiteres Gehör zu verschaffen. Er musste einmal sogar laut werden, um weiter berichten zu können. So eine Reaktion seitens seiner Leute war zu erwarten gewesen und er nahm es ihnen nicht übel. Jedem im Raum, eingeschlossen ihm ahnten, was diese schlimmen Nachrichten bedeuteten. Nach einer weiteren Pause, in der sich die Gemüter versuchten abzukühlen, erläuterte Blue, wie er gedachte weiter vorzugehen. Dabei spielte die ehemalige Railroad und ihre besonderes Wissen eine nicht unerhebliche Rolle. Danach ging man in die Diskussion über. Es war allen bewußt, dass das Commonwealth, so wie es sich gerade entwickelte an einem Scheidepunkt befand. Entweder wieder ins Vergessen zu verschwinden, wie die damalige provisorische Commwealthregierung. Oder einen langwierigen Kampf aufzunehmen, dessen Ausgang ungewiss war.


    Es war eine heftige, aber auch fruchtbare Diskussion. Dabei waren auch einige Vorschläge, die ziemlich extrem waren. Überraschenderweise aus Richtung der ehemaligen Railroad. Desdemona plädiert sogar dafür, das Institut zu zerstören, was von Deacon und Doc Carrington mit Entsetzten aufgenommen wurde. Nach einem heftigem Wortgefecht zwischen den dreien und Blues dementsprechenden Aussage dazu, gab sie zu, dass der wenig durchdacht war. Nach drei Stunden heftigen Diskutieren, hitzigen Wortgefechten und Sorgen über das Weiterbestehen des Commonwealth kristallisierte sich langsam ein Plan heraus, wie man den Bedrohungen begegnen konnte. Blue, der die ganze Zeit der Diskussion, bis auf wenige Ausnahmen ruhig geblieben war, erläuterte nun zusammenfassend den Plan, den sie gemeinsam geschmiedet hatten.


    "Konkret werden wir unser Hauptaugenmerk nun darauf richten, unsere Gegner langfristig zu schwächen. Grundsätzlich werden wir passiv und nicht proaktiv vorgehen, d.h. wenn wir angegriffen bzw. bedrängt werden reagieren wir. Ein weiterer Ausbau der Siedlungsverteidigung wird deswegen angestrebt. Bei beginnenden feindlichen Verhalten von Bruderschaft und / oder Institut wird deren Ressourcenbeschaffung gezielt unterbunden. Im Untergrund in oder in der Nähe jeder Siedlung werden gut versteckte Rücksichtsmöglichkeiten und Notreserven geschaffen." Blue unterbrach kurz, um den Anwesenden, die Möglichkeit zu geben, den ein oder anderen Hinweis noch einzubringen. Im Moment war man einer Meinung.


    "Der Bau wird in jeder Siedlung unabhängig und unter Geheimhaltung gegenüber anderen Siedlungen erfolgen. Aufgrund einer möglichen Kompromittierung durch Agenten des Instituts oder Beobachtungen der stählernen Bruderschaft. Danke an Deacon für den wichtigen Hinweis. Sollte es zu einem offenen Krieg kommen und die einzelnen Siedlungen durch eine Übermacht angegriffen, werden die Siedler in den vorbereiteten Untergrund evakuiert und verteidigt. Geoffrey, Karl und Doc Carrington werden dabei die Planungen und Ausführungen übernehmen. Das geschieht sofort nach Ende unserer Beratung. Preston und ich werden uns um die Informierung der betreffenden Stellen kümmern." Die Angesprochenen nickten mit ernster Miene.


    "Des Weiteren werde wir die Ausbildung bestimmter Teile der Minutemen intensivieren. Deacon wird zusammen mit Andrew ausgesuchte Leute anlernen. Unsere beiden Forschungsabteilungen in Saurus Ironworks und Vault 88 sorgen für die dementsprechende Ausstattungen. Natürlich müssen wir hier im Hinterkopf behalten, dass auch das Institut bereits Beobachter installiert haben könnte. Zurzeit können wir nur aufmerksam sein. Eine Lösung haben wir bisher dafür nicht. Die anderen Minutemen werden vertieft darin geschult, insbesondere Vorteile im Häuserkampf und versteckten Einsatz zu erkennen und durchzuführen. Unseren Gegnern also schmerzhafte Stiche zu verpassen und dann wieder untertauchen. Mit anderweitigen Konfrontation der beiden Fraktionen sind wir momentan hoffnungslos unterlegen. Die Neueinführung des Bereiches geschieht auch mit sofortiger Wirkung ..." Blue rieb sich kurz die Augen. Auch ihm merkte man die Anspannung mittlerweile sehr an. Anschließend fuhr er weiter fort.


    "Habe ich irgendetwas vergessen?" fragte er, nachdem er seine notierten Punkte vorgetragen hatte und schaute in die Runde. Es wurde mit dem Kopf geschüttelt. "Gut. Ich denke, wir sind nun am Ende unser Beratungen. Dann würde ich abschließen. Wir haben alle jede Menge zu erledigen und die Zeit spielt gegen uns." Schnell verließen die teilnehmenden Personen das Treffen und kümmerten sich um die aufgetragenen Aufgaben. Blue blieb noch einen Augenblick sitzen und ließ das Geschehene Revue passieren. Sein Gesicht war dabei grimmig und unzufrieden. Preston war ebenfalls noch vor Ort und stand neben ihm. Er legte die Hand auf Blues Schulter. "Du solltest dir keine Vorwürfe machen. Du hast dein Bestes gegeben, was das Commonwealth betrifft. Du weißt noch, was ich dir gesagt habe?" Blue nickte. "Das ihr alle hinter ... * leises Seufzen* ... meinen getroffenen Entscheidungen steht. Das macht die gesamte Situation für mich aber nicht einfacher." brummte Blue frustriert.


    "Auch auf den anderen Seiten gibt es Leute, die lieber eine andere Entwicklung ihrer Fraktion hätten und die mir ebenfalls etwas bedeuten. War mein Weg vielleicht nicht der Richtige? Hätte ich mit der stählernen Bruderschaft überhaupt nicht zusammenarbeiten oder das Institut betreten dürfen. Habe ich dadurch das Commonwealth nicht erst in Gefahr gebracht?" Blue rang mit sich selbst. Preston schnaufte kurz auf und sah dabei tief in Blues Augen. "Manchmal habe ich wirklich das Bedürfnis, dir für solche Gedanken eine kräftige Kopfnuss zu geben. Niemand außer dir hat den Mut gefunden trotz Gefährdung seines eigenen Lebens diese Dinge anzugehen." sagte Preston wütend. Er blieb aber respektvoll dabei.


    "Du arbeitest mit der stählernen Bruderschaft zusammen, die dich eigentlich nach ihren Statuten erschossen hätte. Oder einem Institut, dass dich wahrscheinlich liebend gern sezieren würde. Nein, du scheinst bei beiden ein solchen Eindruck hinterlassen zu haben, dass sie dich akzeptieren. Wenn auch vielleicht nur aus Eigennutz. Du hast die Möglichkeiten richtig genutzt, verdammt nochmal. Vielleicht werde diese Kontakt doch nochmal hilfreich. Diese ganze Situation ... nun es geht jetzt halt nicht mehr anders. Ich denke, wir wären schon unter der Knute des einen oder wieder das Versuchsobjekt des anderen. Dass das Commonwealth sich mittlerweile als Gemeinschaft empfindet, auch dran hast du "Schuld, mein Freund." schnaufte Preston wütend. Es war wie so häufig. Blue reduzierte seine eigene Rolle bei einigen Entwicklungen im Commonwealth auf ein Mindestmaß. Bei anderen wiederum, dachte er, dass er nicht genug getan hätte. Das führte bei Preston mittlerweile dazu, dass der darauf ungehalten reagierte.


    "Auch wenn ich dir das schon etliche Male gesagt habe und du es wahrscheinlich nicht mehr hören kannst. Ich und andere werden den Weg mit dir gehen. Egal wohin er führt. Ich weiß, dass du Gewalt erst einsetzt, wenn du keinen einzigen Ausweg mehr siehst. Mir ist klar, dass dir dieser Auseinandersetzung ... dieser Krieg fernliegt." schloss Preston hitzig ab und wurde wieder ruhiger. Blue erwiderte Preston Blicke ebenso ernst. Mit einem Mal lächelte Blue kurz. "Das ist wohl wahr, Preston. Ich will diesen Krieg nicht, aber irgendwann kommt dann wohl doch der Moment, wo jeder entgegen seiner Inneren Einstellung handeln muss. Und ein Anführer, der seine Leute beschützen möchte, der sollte wohl nicht sich selbst hadern. Das ist nicht förderlich." brummte Blue frustriert.


    "Das Einzige, was ich in dieser vertrackten Situation noch tun kann, ist die eigentlich Auseinandersetzung so weit wie möglich herauszuschieben. Einen Schritt habe ich bereits unternommen ..." Blue schaute dabei auf seinen gebrochenen Arm. "... und wenn es so weit ist, werden wir nicht ganz unvorbereitet sein. Ich sollte mich jetzt auch nützlich machen, anstatt weiter zu sinnieren. Ich habe mein Möglichstes gegeben. *Erneutes Seufzen* Komm. Für uns beide gibt es noch eine Menge zu erledigen." Preston und er verließen das Besprechungsquartier. Die nächsten vier Wochen reisten beide quer durch das gesamte Commonwealth und der Plan zur Verteidigung des Commonwealths nahm langsam, aber sicher Gestalt an.

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