247. Showdown
Am nächsten Morgen wachte Drake sehr frühzeitig auf. Er machte sich wieder für die Arbeit unten in der Versorgungsabteilung fertig und ließ dabei die Ereignisse von gestern Revue passieren. Dabei ahnte er bereits, dass seine Entscheidung Brandenton heute mit Sicherheit zu Höchstform auflaufen lies und er von seiner Seite einige sehr unschöne Dinge zu hören bekommen könnte. "Lass dich auf keinen Fall von ihm reizen." hatte George ihn gestern eindringlich gewarnt. "Den Gefallen werde ich ihm definitiv nicht tun, mein alter Freund. Es geht um Zuviel. Ich muss sowieso darauf einstellen, dass ich häufiger angegangen werde. Wie ging das alte Sprichwort noch?...In der Ruhe liegt die Kraft...Hmm, ich sollte mit der Grübelei aufhören und endlich zusehen, das ich zu Tes und den anderen komme. Da ist noch genug zu tun und Shirley wird mir Bescheid sagen, sobald sich etwas tut." brummte er in sich hinein.
Anschließend machte er sich auf dem Weg. Als er unten ankam, freute sich Tesla ihn zu sehen und fragte ihn sofort neugierig aus. Drake berichtete ihm ausführlich, während sie im Bereich der Wasserversorgung einige Dinge reparierten. "Du wirst mir hier unten wieder echt fehlen. Aber diesem Brandenton muss in der Hinsicht echt der Stecker gezogen werden." sagte Tesla nachdenklich "Warten wir ab. Wir wissen noch nicht, ob es überhaupt klappt. Ich habe mich zwar dafür bereit erklärt, aber wenn ein Großteil der Leute mich im Lassen nicht mehr akzeptiert ... werden wir uns etwas überlegen müssen. Im Grunde halte ich mich immer noch nicht für eine gute Besetzung. Ich traue mir selbst nicht wirklich, Tes. Vielleicht wacht John rechtzeitig wieder auf..." antwortete Drake "Kneifst du etwa?" fragte Tesla und zog die Stirn kraus. "Nein. Aber ich will nicht, dass die Leute sich hier in zwei Lager spalten. Das wäre für unser Überleben als Gruppe nicht gut." philosophierte Drake nachdenklich.
"Die Worte habe ich früher schon von dir gehört. Du unterschätzt dich im Moment und an dein ... interessantes Äußere ... haben sich viele schon gewöhnt. Du packst das schon. Aber komm lass uns weiter machen. Sonst werden wir heute nicht mehr fertig." sagte Tesla und beide machten sich an weitere Reparaturarbeiten. Es war etwa gegen Mittag, als die Vorsitzende des Ältestenrats wieder unten im Versorgungsbereich auftauchte. Ben und sie brauchten einen Moment um Drake zu finden. Er hatte sich mit Tesla in den hintersten Bereich der Wasserversorgung zurückgezogen und war gerade dabei in einem Versorgungsschacht zusammen mit Tesla eine Kabeltrasse instand zu setzten. Tesla stand im Schacht, während Drake dort auf dem Boden lag. Von ihm schauten nur beide Beine nach draußen. Beide mühten sich an der Reparatur ab. Tesla fluchte schon wieder.
"Na, na, immer diese Kraftausdrücke. Du bist aber im Moment ganz schön dünnhäutig. So oft, wie du ihm Moment fluchst, Tes." sagte Drake mit einem Schmunzeln. "Ich und dünnhäutig. Pfft. Diese alte, festgefressene Sch**** nervt mich um Moment nur ungemein. Manchmal möchte ich einfach nur mit dem Schraubenschlüssel auf diese alte..." begann Tesla leicht gereizt. "Ach, hier seid ihr. Ich habe schon gedacht, ihr beiden spielt Verstecken" brummte Ben sichtlich erleichtert, die beiden gefunden zu haben. "Kämen gar nicht auf die Idee, Ben. Vor allem, ich und verstecken. Mit unserem "Kleinen" hier fast unmöglich. Was gibt es?" tönte es von Tesla aus dem Schacht. Susann Shirley, die neben Ben stand, musste bei diesem Gespräch unwillkürlich grinsen. "Ich habe Besuch mitgebracht. Für Drake." "Okay kommen raus. Drake, du lässt nach. Warum sagst du mir eigentlich nicht, dass du jemanden hast? Hättest du mir ruhig mal vorstellen können." sagte er, wie aus der Pistole geschossen.
Tesla hatte komplett vergessen, dass heute noch ein wichtiger Besuch anstand. Er quetschte sich an Drake vorbei und schaute Ben und Susann Shirley direkt an. Er lief knallrot an und bekam zunächst keinen Ton heraus, nachdem er festgestellt hatte, wen Ben da mitgebracht hatte. Drake schob sich ebenfalls aus dem Schacht heraus, stand auf, sah erst Shirley und dann Tesla an. Er sagte keinen Ton und grinste nur breit. "Ich und mein loses Mundwerk ... es tut mir..." sagte Tesla extrem verlegen. Zu Teslas Verwunderung lachte Shirley herzlich und gab eine schlagfertige Antwort mit der die drei nicht gerechnet hätten. "Es braucht Ihnen nicht Leid zu tun. Hmm, aber in der Tat eine Interessante Vorstellung. Dann hätte ich endlich mal jemanden, der mich auf Händen tragen könnte. Oder was meinen Sie, Drake?" Jetzt sah dieser ziemlich verlegen aus und lief tiefblau an. "Ich ... ähm ja wahrscheinlich ... uff."
Selbst Ben grinste jetzt. Shirley wurde wieder ernst. "So gerne ich diese erheiternde Unterhaltung fortführen würde ... Es gibt jetzt noch eine wichtige Sache zu regeln. Drake würden Sie mitkommen? Brandenton hatte alle offziellen Geschütze in Stellung gebracht und wir brauchen Sie jetzt oben." Drake schloss kurz die Augen öffnete sie dann wieder und sah Tesla für einen Moment an. "Wenn Sie wollen, können Sie ihn mitnehmen. Als Unterstüzung. Es ist ein öffentliche Sache." sagte Shirley. Tesla ließ sich nicht lange bitten. Die drei brachen auf. Es ging zum großen Versammlungsraum auf Ebene -4. In diesem Raum fand die gesamte Versammlung plus Ältestenrat Platz. Als Shirley mit Tesla und Drake dort ankam, war es bereits sehr voll.
Die Versammlung war fast vollzählig anwesend. Sie hatte auf der rechten Seite Platz genommen. Auf der linken Seite saß der Ältestenrat. Vor Kopf saßen fünf Richter, die im Lassen unter anderem für Gesetzesfragen zuständig waren und sie sollten die neutrale Seite einnehmen. Zwei Tische standen jeweils mit etwas Abstand zu der jeweiligen Seite. An dem Tisch auf der rechten Seite saß Jep Brandenton. Er war ein hagerer Mann von etwa fünfzig Jahren in einem schwarzen Anzug mit silberblauer Krawatte. An einer Stelle war ein kleines Emblem der Silver Dragons angebracht. Er hatte rabenschwarzen, glatten Haaren und trug eine rundliche Brille auf der Nase. Die braunen Augen, die die ganze Zeit unruhig hin und her wanderten, wiesen einen stechenden Blick auf. Neben ihm saßen zwei weitere Leute und man unterhielt sich leise.
Shirley, Tesla und Drake waren durch eine Seitentür in den Raum getreten. Shirley bat die beiden am Tisch Platz zu nehmen. Brandenton bedachte beide mit einem abschätzigen Blick. "Wenn ich das richtig sehe sind wir nun vollzählig. Dann können wir mit der Vollversammlung beginnen, oder spricht etwas dagegen? Miss Shirley? Mr. Brandenton?" fragte einer der Richter. Er schien die Moderation des stattfindenden Gesprächs zu übernehmen. Sein Name lautet Jonathan Cox. "Nein, euer Ehren, es würde nichts dagegen sprechen. Alle notwendigen Personen sind hier." sagte Vorsitzende Shirley knapp und respektsvoll. "Sind ebenfalls vollzählig vertreten. Wir wären auch sofort Beschlussfähig, wenn wir diese eindeutige Sache für unsere Seite geklärt haben, euer Ehren." sagte Brandenton recht selbstsicher. Cox runzelte kurz die Stirn, sagte aber nichts darauf und schilderte dann als neutrale Instanz den Grund für die Vollversammlung.
Danach ging es auch gleich zu Sache. Brandenton nahm kein Blatt vor dem Mund und bezichtigte die Vorsitzende des Ältestenrates sich selbst in entsprechende Position bringen zu wollen und Drake als erfüllungswillige Marionette zu nutzen. Shirley war sichtlich geschockt über den Vorwurf und wiedersprach vehement. Sie wiederum warf Brandenton vor geltenden und sehr eindeutige Regeln zu missachten, um sich selbst in eine Position zu bringen, die ihm nicht zustand. Tesla schüttelte während des Gesprächs mehrmals nur den Kopf. Das Ganze ging eine Weile hin und her. Cox musste beide Seiten mehrmals in die Schranken weisen. Drake verfolgte die Gespräche sehr aufmerksam. Er selbst hatte bis jetzt nicht ein Wort gesagt, obwohl einige unschöne Dinge von Brandentons Seite kamen, die ziemlich unter die Gürtellinie gingen.
"Für mich ist es eindeutig, dass Sie ihn nur wiedereinsetzen wollen, damit Sie davon profitieren können. Er hat bis jetzt nicht ein Wort selbst dazu gesagt. Ich bezweifle sogar, dass er dieser Unterhaltung überhaupt folgen kann." sagte Brandenton aggressiv in Richtung Shirley. "Wie wäre es denn, wenn Sie mal mit ihm selbst sprechen. Anstatt die ganze Zeit über ihn zu sprechen. Er hält sich nur an den Regeln. Im Gegensatz zu Ihnen." giftete Shirley zurück. "Als hätte das Sinn. Cox wären Sie bitte so freundlich, ihm das Wort zu erteilen. Ich werde ihm auch gleich im Anschluss einige Frage stellen, vorausgesetzt er versteht die überhaupt." wies er den Richter an. Cox war mittlerweile deutlich verärgert über das arrogante Gehabe von Brandenton.
"Für Sie immer noch euer Ehren und mäßigen Sie Ihren Ton, sonst unterbreche ich die Vollversammlung, bis Sie sich wieder beruhigt haben. Ich erteile hiermit Drake das Wort. Möchten Sie sich zu den Vorwürfen äußern, die Mr. Brandenton geäußert hat?" Drake nickte kurz, stand auf und verschränkte die Hände hinter dem Rücken und antwortete mit seiner tiefen, immer etwas brummig klingenden Stimme. "Die Vorwürfe gegen Ms. Shirley entbehren jeglicher Grundlage, euer Ehren." und erläutert Cox kurz den Sachverhalt aus seiner Sicht der Dinge. Dann wandte er sich an Brandenton direkt. "Und ja, ich kann der Unterhaltung durchaus folgen, auch wenn Sie mich zurzeit scheinbar für ein großen, blauen Kretin halten. Auch mein derzeitiger Geisteszustand ist in Ordnung. Und eine vermeintlich erhöhte Gewaltneigung besitzte ich auch nicht. Sie können gerne Doc Darper zu beiden Dingen befragen. Ich habe ihn bereits von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden, damit er den Fragen hier offen antworten kann. Das ist alles, was ich ihm Moment zu sagen habe. Sie können Ihre weitere Fragen gerne an mich stellen." sagte Drake sehr sachlich und setzte sich wieder.
"Pfft. Das haben Sie doch mit Shirley einstudiert. Mich führen Sie beiden nicht an der Nase herum ... Sie sind doch bloß das Schoßtierchen dieser machtgeilen Person." sagte Brandenton sauer. Shirley schaute Brandenton an, als hätte dieser den Verstand verloren. "Brandenton, mäßigen Sie sich. Das ist jetzt die zweite Verwarnung." sagte Cox. Anschließend wandte Cox sich an den ebenfalls anwesenden Doc Darper. Er stellte ihm eine Menge Fragen, wie auch die Seite des Ältestenrats und der Versammlung. Brandentons Argumentation verlor immer mehr an Boden, je länger man den Aussagen von Darper lauschte. Nach etwa einen halben Stunde waren die Fragen an ihm abgeschlossen. Cox unterbrach die Sitzung nun und zog sich mit den anderen zur Beratung zurück.
Auch sie hatten jetzt genug erfahren, um den an sie gestellten beiden Anfragen ordentlich nachzugehen. Nach etwa zehn Minuten kamen sie wieder aus der Beratung zurück. Brandenton und Shirley warteten gespannt auf den Beschluss. "Nach kurzer Beratung geben wir dem Antrag des Ältestenrats statt. Die Fakten sind eindeutig und klar dargelegt. Abgewiesen wird dagegen der Antrag von Mr. Brandenton. Eine Unzurechnungsfähigkeit der betreffenden Person ist nicht festzustellen. Daher spricht nichts dagegen, eine Wiedereinsetzung laut unserer Gesetzeslage auszuführen. Ich würde daher vorschlagen, durch eine kurze händische Abstimmung dem Beschluss von Ms. Shirley zuzustimmen, um diese Sache zu einem ordentlichen Abschluss zu bringen." sagte Cox mit ruhiger Stimme. Hinter Brandenton gingen eine Menge Hände hoch. Auf Seiten des Ältestenrates alle.
Brandenton hatte verloren und konnte es nicht fassen. Die Wut war ihm deutlich anzusehen. Dann tat er etwas, womit niemand gerechnet hatte. Er lief im Zorn rüber zu Drake. Der hatte nach dem Beschluss kurz die Augen geschlossen und seufzte. Als er sie wieder öffnete, stand Brandenton bereits vor ihm. Dieser handelte mittlerweile in seinem Zorn vollkommen irrational. Er hatte eine Beretta gezogen und richtete sie auf ihn. Tesla, der neben Drake saß, war starr vor Schreck. Auch die anderen hatten mittlerweile mitbekommen, was sich gerade abspielte. Drake blieb seelenruhig sitzen und schaute ihn nachdenklich an. Das irritierte Brandenton zutiefst. Er hatte definitiv mit einer anderen Reaktion gerechnet. Was jetzt noch von Drakes Seite kam, verblüffte ihn noch mehr.
"Brandenton, wenn Sie mich erschießen wollen, dann sollten Sie auf den Bereich der Augen zielen. Das geht am Schnellsten. Es sei denn, Sie wollen mich Quälen." "Ich ... verdammt ... warum wehren Sie sich nicht ... Es wäre Ihnen doch ein Leichtes..." "Damit Sie mich als das darstellen können, was Sie seit Anfang vor hatten? Den Gefallen werde ich Ihnen nicht tun ... Sie haben gerade mit dieser einen unüberlegten Handlung alles verloren, Brandenton. Ist Ihnen das bewusst?" sagte Drake sehr ruhig. Brandenton ließ kurz die Waffe sinken. Der Moment der Ablenkung reichte. Mit einem Mal brach Brandenton mit einem schmerzverzerrten Gesicht zusammen und hielt sich das Bein. Es blutete. Während Brandenton Drake bedrohte, war Twibs mit einigen Leuten der Sicherheit unbemerkt eingetreten. Cox hatte sie verständigt. Twibs hatte Brandenton kampfunfähig geschossen und verhaftete ihn anschließend. Durch diese Aktion verlor er sein Mandat und damit den Posten des Vorsitzenden.