Eine vollständig determinierte Welt müßte ablaufen wie ein Uhrwerk.
In ihr gibt es keine Probleme und keine Möglichkeit, die Abläufe irgendwie zu beeinflussen.
Die reale Welt ist nicht von dieser Art. >> Karl Popper
Prolog
13 Tage vor dem Day-Z:
Oklahoma City : 37212 St Augustine St >> 23.07.2024 Di 6:25 a.m.
Evelyn Joule
Der Duft von Kaffee stieg bereits in den frühen Morgenstunden zusammen mit der klaren, hellen Sonne, die sich zwischen den Gardienen förmlich hereindrängte und sich zusammen mit den Croissants in der Küche vermischte, über die große Eingangshalle des Hauses über die Treppen hinauf in das Schlafzimmer, in dem es noch dunkel war. Spärlich versuchte die Sonne zwischen den Jalousien hin durchzubrechen, doch das Unterfangen war genauso hoffnungslos als wolle man die schäumende Gischt an der See aufhalten, sich an einem rauen Wellengang an den Felsen des Leuchtturms zu brechen. Das Fenster war gekippt, eine leichte Brise des heranbrechenden Sommers schaffte es im Gegenzug der Sonne sich im Schlafzimmer zu verteilen und legte sich zusammen mit der Seidenbettdecke auf die zarte Haut der Frau, die noch immer in ihren Träumen schlummerte. Das schwarze Haar lag ihr im Gesicht, ihre Wange hervorgequollen, als hätte sie eine Allergie gegen Federn, war ein Resultat davon, da sie immer gern auf ihrem Arm schlief. Ihr Mund stand halb offen, ihre sonst so zarten Lippen quer und verdeckt, ihre Augen geschlossen. Ein kurzes Murren, ein Wimpernschlag einer Sekunde die Hand reflexartig auf die andere Bettseite schlagend, waren wohl die einzigen Anzeichen, dass diese Frau noch unter den Lebenden weilte. Als sie auf eine leere Bettseite schlug und nicht wie gewohnt einen Männerkörper spürte, den leicht fülligeren Bauch der dafür sorgte, dass sie ihren Mann stets Bärchen nannte, zuckten ihre Lider für einen Bruchteil der Sekunde, ehe ihre vollen und grünen Augen verschwommen versuchten die Zahlen der Tischuhr zu entziffern. >>Fieben Uhr Zweifünfzwanfzwick?<< Ihr Atem fühlte sich wärmer auf ihrer Haut an als die Sommerbriese vor der Tür. Die schwarzhaarige Frau, sie drehte sich zur Seite und krallte sich das Kissen ihrer besseren Hälfte, umschlang es als würde ihr Leben davon abhängen und vergaß soeben die Zahlen die sie murmelnd in ihren Arm sabberte. Schlagartig, wie ein Donnerschlag auf eine Trommel schlugen ihre Augen auf. Es dauerte keine Sekunde um zu realisieren was sie soeben wieder vergaß. Adrenalin schoss durch ihren kompletten Körper und ihre Augen fixierten nun das eingekrallte Kissen, dessen Bezug nun faltiger war als ihre Augen. Das Grün ihrer Regenbogenhaut zog sich zusammen, das Schwarz ihrer Iris so fixiert auf das Fenster dessen Jalousie noch immer die Sonne davon abhielt hereinzubrechen. Ihr Herz schlug wie verrückt und der erste Gedanke den sie hatte war sogleich mit einem Auftrieb verbunden, der sie wörtlich aus dem Bett katapultierte. >>FUCK!<< Entglitt es ihrem Mund und Kissen sowie Bettbezug flogen in alle Himmelsrichtungen umher. Die Schwarzhaarige war davon überzeugt, dass Menschen übernatürliche Kräfte entwickelten wenn sie verschliefen. Wie sonst, konnte man sich erklären was sich in den nächsten Augenblicken abspielen sollte? Die Jalousie wurden mit einem donnernden Knallen nach oben geschlagen sodass sie wieder ein viertel nach unten fielen. Nun endlich hatte die Sonne gewonnen und erhellte das nun zerwühlte Schlafzimmer. Noch während sie den nächsten Sprung über ihre Klamotten machte als wäre sie eine Stabweitspringerin in der diesjährigen Olympiade, griff sie mit einem Spurt ihre Klamotten vom Stuhl, rannte in das Badezimmer und steckte sich die Zahnbürste in den Mund, während Arme und Beine von allein Koordinierten. Es war Rekordzeit denn in binnen von Minuten war sie fertig angezogen und bereit den Zahnpastaschaum in das Waschbecken zu spucken. Wieder zurück im Schlafzimmer warf sie das benutzte Handtuch auf das Bett und griff nach ihrem Holster, der wie ein Gürtel am Stuhl baumelte sowie nach ihrer Dienstmarke. Erst jetzt, wo das Adrenalin langsam aufhörte zu wirken, hatte sie Stimmen des Radios, den alten Wetter Klaus, so wie sie ihn immer nannte obwohl es sich hierbei um eine 24 jähirge Radiomoderatorin handelte die schon immer das Wetter mit engelsgleicher Stimme ansagte, aus der Küche vernommen. Neugierig aber mit einer suspekten, hochgezogenen Augenbraue, schlurfte die junge Frau über den Flur die Treppen hinab in die Küche.
Ein Ausdruck von Verwirrtheit lag auf ihrem Gesicht, welchen man nicht mal deuten musste wenn man blind war. >>Guten Morgen Evelyn Schatz.<< Ein breites Grinsen überzog das mit einem Dreitagebart bestickten Gesicht ihres Mannes, der mit einer Kochschürze und einer Pfanne bewaffnet mit dieser auf Evelyn deutete. >>A-aber?<< Sie legte ihren Kopf schräg zur Seite, begutachtete misstrauisch den brutzelnden Speck in der Pfanne dessen Farbe so rotbräunlich Bronze schimmerte, wie die Haare von Joe, ihrem Gatten. Ein erneuter misstrauischer Blick flog zu ihm, dann wanderte der Blick auf die Wanduhr, die mittlerweile 6:32 zeigte. Ein hämisches Grinsen legte sich über ihre roten Lippen und eine Faust ballte sich zum Angriff, dann schlug sie ihrem Mann auf die Schulter. Dieser lächelte und drückte seiner Frau einen Kuss auf den Mund. >>Die Einzige Möglichkeit dich aus dem Bett zu kriegen Süße.<< Er wandte sich ab und stellte die Pfanne zurück auf den Herd und wendete den knisternden Speck mit einem Pfannenwender. >>Wir haben uns zwar geschworen „Bis der Tod uns scheidet“ aber es war nicht ausgemacht, dass wir die Zeit die uns bleibt nur mit Schlafen verbringen und tot spielen<< Bedrohlich richtete er den Pfannenwender auf seine Frau und lächelte fies dabei. >>Man kann Kanonenkugeln in deiner Gegenwart abfeuern und dich würde das nicht stören, Fräulein<< Als wolle er seinen fiesen, taktischen Plan feiern weil er die Uhr um eine Stunde vorgestellt hatte, fuchtelte er wie der junge D’Artagnan mit dem Pfannenwender herum und steckte ihn in die Schürze, worauf er sich zufrieden an die Küchenplatte lehnte und mit dem Ellenbogen die Pfanne zum Kippen brachte. Evelyn zeigte wortlos auf das Spektakel und erfreute sich an ihrer Schadenfreude und an der Tollpatschigkeit ihres Mannes. Das brutzelnde Fett sowie der Speck ergossen sich in einem Schwall zusammen mit einer aufdonnernden Pfanne auf dem Boden, auf seine Schürze und hinterließ einen Geruch, als hätte Joe ein Bad in einer Baconfabrik genommen. Die schwarzhaarige lachte spielerisch auf. >>Kleine Sünden bestraft Gott als erstes, mein Lieber.<< sie schlurfte zu ihrem Gatten und zupfte ein Stück Speck von seiner Schulter, dabei biss sie genusshaft hinein und warf ihrem Mann einen erotischen Blick zu. >>Das ist der Stoff aus dem meine Träume gemacht sind. Bedeckt und eingewickelt in knusprigen Frühstücksspeck, darunter der Mann meiner Träume den es sich lohnt zu vernaschen.<< Eher gequält und mit einem aufgesetzten Lächeln erwiderte er den Blick von Evelyn. Er seufzte und warf einen Blick auf die Uhr. >>Jetzt darf ich wieder unter die Dusche und komme zu spät zur Arbeit. Meine Kollegen werden mir den Kopf abreißen wenn ich wieder zu spät komme.<< Er legte vorsichtig die Schürze ab und wandte sich nun der Tür zu, die er gerade passieren wollte. Evelyn, sie gab ihrem Mann noch einen Klaps auf den Hintern ehe sie einen Teller holte und den Speck vom Boden aufklaubte und auf den Tisch stellte.
Draußen vom Flur hörte man bereits kleine, aber donnernde Schritte die sich wie eine Herde wild gewordener Elefanten anhörten und sich in Richtung Küche bewegten. >>Mooooommmmmmyyyyyy<< hallte es bereits 13 Straßenblocks weiter durch das Haus und ein kleines Klammeräffchen drückte die Beine von Evelyn so stark zusammen, dass sie kurz ins Wanken geriet. >>Heeyy meine Kleine, na? Was hast du da?<< Elizabeth, oder einfach nur, Liz, strahlte ihre Mutter mit einem helleren und wärmeren Sonnenscheinlächeln an als die Sonne es jemals hinbekommen hätte. Liz war Evelyns und Joes kleine Tochter gewesen die mehr Energie besaß als ihre Eltern zusammen. Liz drückte ihrer Mutter liebevoll ein kleines Stück Papier in die Hand, worauf sie ein kleines Haus gemalt hatte, in dem in Strichmännchenmanier Evelyn, Joe und die kleine Liz zu sehen waren. Die schwarzhaarige Frau nahm Liz auf den Arm, küsste ihre Wange und versuchte ebenfalls mit einem Sonnenstrahlenlächeln zu kontern. Es war aussichtslos. Ihre Tochter gewann diesen Kampf immer. Liz strahlte eine förmliche Ruhe aus die man nicht erklären konnte obwohl das Kind so aktiv und neugierig war. Liz interessierte sich längst schon in ihrem Alter für Dinge die eher ungewöhnlich waren. Spielten Kinder in ihrer Umgebung im Kindergarten im Sandkasten, so schnappte sich Liz ein Buch und tat so als würde sie lesen. Während sich Kinder um ein Spielzeug stritten, so war Liz draußen in der Natur und begutachtete die Schmetterlinge dabei wie sie vom Wind getragen wurden. Liz verkörperte viele Eigenschaften von Joe und Evelyn. So war sie stets herrschend und stur wenn sie, wie ihre Mutter, etwas haben wollte aber auch bedacht und zurückhaltend und mit einem großen Interesse in der Natur, so wie es ihr Vater ist. Woher das rothaarige Mädchen allerdings die Sommersprossen hatte, da waren sich Joe und Evelyn einstimmig sicher, der Postbote hatte gute Arbeit geleistet.Evelyn setzte das kleine Mädchen auf den Stuhl. >>Na Liz Spätzchen, welchen Becher willst du heute haben<< Die Mutter öffnete einen Glashängeschrank und deutete auf verschiedenen Farben. Liz dachte angestrengt nach, als wäre die Frage, die sie gerade gestellt bekommen hatte, ausschlaggebend für den Weltfrieden oder nicht. Sie wandte sich auf ihrem Stuhl mal zur linken Seite und zur Rechten, dabei falteten sich ihre Augenbrauen eng zusammen und Falten legten sich auf ihre Stirn. Schließlich deutete sie auf einen grünen Plastikbecher. >>Den da?<< erwiderte Evelyn neckisch und deutete auf den gelben. >>Neeeeeeiiiiiin Mommy, den grüüüüünen<< Ein großes Lächeln zierte sich auf den Lippen der Mutter, dann schenkte sie der Kleinen einen Schluck Orangensaft ein. Kaum hatte sie diesen weggestellt und wollte sich gerade setzen, klingelte es an der Tür. Ein tiefes und dröhnendes Schallen einer Glocke wie in einem Schloss, hallte durch den Hausflur. Irritierend blickte Evelyn auf die Uhr. 6:48. Erst wollte sie die Tür nicht öffnen doch Liz drängte die Mutter förmlich dazu. >>Mommy Tüüühhhüüürr<< Sie lächelte, seufzte und legte eine Hand auf Liz’s Kopf. >>Schon gut Kleines. Ich mach auf und du wartest hier. Ja? Mommy ist gleich zurück und du isst brav etwas, hast du gehört? Sonst erzähle ich das Mister Bommels das du nichts gegessen hast und er kommt dann heute nicht mit in den Kindergarten.<< Mister Bommels, ein Stoffhase den Liz seit Anbeginn der Zeit hatte. Er war ihr persönlicher Schutzengel wenn böse Monster unter dem Bett hausten oder draußen ein Unwetter tobte. Sie zog Mister Bommels den Hasen eigentlich überall mithin und teilte jede Sekunde mit ihm.
An der Tür angekommen konnte sie aus einem Teil der undurchsichtigen milchglasähnlichen Glasfassade zwei große Männer erkennen die auf der Veranda warteten. Neugierig zog Evelyn die Tür auf und blickte mit einem abschätzenden und durchdringenden Blick, zusammen mit zusammengekniffenen Augen die beiden Herren im Anzug und Sonnenbrille an. Es lag in ihrer Natur und auch in ihrem Beruf Menschen die sie das erste Mal sah genauestens einzuordnen und abzuschätzen. Es war Fluch und ein Segen. Es war nicht kontrollierbar, es war einfach vorhanden. So konnte sie über den rechten Mann sogleich aussagen, dass dieser eine unruhige und eher schlampige Person war. Ein Teil seines Hemdzipfels ragte über seinen Gürtel hinaus und auf seinem Hemdkragen waren Krümel von Croissants zu erkennen. Den zweiten Mann brauchte sie nicht einmal genauestens betrachten ohne zu erkennen, dass dieser vorschnell handeln würde, würde man ihn auf die Palme bringen. Er knackte stets mit seinem rechten Zeigefinger und an seiner Stirn zeichneten sich wiederkehrende Falten aus die darauf schließen, dass er öfters unter seiner Brille mit dem Auge zuckte. Er war unruhig, kein Geselle den man in seiner Abendspielrunde dabei haben wollte oder mit dem man generell ein Wort wechselte. Evelyn warf sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und lehnte sich mit der Schulter gegen den Türstock. >>Zwei Männer in Schwarz mit einer Sonnenbrille und einem dämlich aussehnenden Hut aus den 40igern. Ist irgendwo Mottoparty wovon ich nichts weiß<< Evelyn war eine zynisch sarkastische und eigentlich kalte Person gegenüber anderen Menschen die nicht zu dem Kreis gehörten den sie liebte. Davon gab es nur eine Handvoll Menschen die dazuzählten. Der Croissantmensch räusperte sich kurz und kam direkt zur Sache. >>Wir würden gerne mit Dr. Joule sprechen.Er muss unverzüglich mit uns nach Brookline. Code 43<< Evelyn zog eine Augenbraue nach oben. >>Code was?<< Sie hatte tatsächlich nicht bemerkt, dass die Aussage weniger an Evelyn gerichtet war als an Joe, der gerade mit einem Handtuch in den Haaren seinen Kopf rubbelte und hinter seiner Frau herantrat. >>Code 43? Wie hoch ist das Sicherheitsrisiko? Wie viele Personen sind Involviert? Ist die Quarantäne bereits eingeleitet worden? Is - … << Einer der Männer erhob die Hand. >>Wir haben einen Bericht der alles umfasst hier. Bitte kommen sie unverzüglich mit um das Schlimmste zu verhindern.<<