109. Abgesandte
Früh am Morgen im Nukleus. "Guten Morgen, Großer. Ausgeschlafen?" begrüßte Nick Blue. "Hmm, würde ich sagen, Nick. Warum so gut gelaunt?" brummte Blue noch ein wenig verschlafen und rieb sich die Augen. "Wegen unseres Ausfluges... in die Traumwelt." sagte Nick grinsend. Blue stutzte kurz. "Ach so. Hmm. Okay. Entschuldige, ich bin noch nicht ganz da". Blue rappelte sich auf und ging einige Schritte hin und her und blieb dann stehen. Er schaute in den vorderen Bereich des Nukleus. Es herrschte bereits ein geschäftiges Treiben. Einige der Kinder des Atoms waren auch bereits wach.
Nick vernahm mit einem Mal ein merkwürdig brummelndes Geräusch. "Was war das denn?" fragte Nick irritiert zu Blue. Der schaut Nick ein wenig verlegen an. "Ähm, ich glaube... das war ich. Ich habe schon etwas länger kaum etwas Anständiges gegessen. Ich glaube, das erste was ich heute vor allem anderen machen werde, ist mich auf die Jagd nach etwas Essbaren zu machen." Nick grinste mit einem Mal ziemlich breit. "Würde ich empfehlen, also Anschleichaktionen können wir mit deinem knurrenden Magen vergessen." foppte er Blue. "Ach, da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen, Nick. Aber vielleicht haben unsere Gegner dann endlich Mal genug Zeit zum weg rennen..." grinste Blue zurück. Beide beschlossen erstmal nach draußen zu gehen.
Blue wollte sich auf der Insel etwas Essbares besorgen. Auf den Weg zum Ausgang des Nukleus kam ihnen Fanatiker Ware entgegen und sprach Blue an. "Entschuldige die Störung großer Bruder, dürfte ich dich etwas fragen. Ich weiss, du bist gerade bestimmt mit einer wichtigen Sache für den heiligen Atom beschäftigt, aber ich weiss zur Zeit nicht, wen ich sonst um einen Gefallen bitten könnte." sagte Fanatiker Ware mit einer gewissen Sorge in der Stimme. "Bitte sprich, Fanatiker Ware, was kann unbedeutender Diener Atoms für dich tun?" fragte Blue höflich. "Ich mache mir sehr viel Sorgen um Bruder Devin. Er betet viel zu Atom, fastet und nimmt nur verstrahltes Wasser zu sich. Verstehe mich nicht falsch Bruder, Devins Hingabe ist bewundernswert, aber er ist genauso wenig wie ich mit der Gabe Atoms bedacht. Ich mache mir große Sorgen, das er sich langsam aber sicher umbringt."
Blue fragte Ware, warum er sich gerade um Bruder Devin so sorgte. Ware erzählte ihm daraufhin seine und Devins Geschichte. Blue hörte aufmerksam zu und nickte hin und wieder. "Ich werde mit Bruder Devin versuchen zu reden, Fanatiker Ware. Ich kann aber nicht versprechen, dass er auf mich hören wird." sagte Blue. "Allein der Versuch zählt, großer Bruder. Du trägst das Herz am rechten Fleck. Einige der Brüder und Schwestern reden gut über dich und ich glaube du könntest Bruder Devin überzeugen. Danke für deine Zusage." Ware verabschiedete sich und Blue machte sich auf den Weg zu Devin. Das Aussehen von Devin hatte sich in der Zeit immer weiter verschlechtert und Blue verstand Wares Sorgen sehr, als er ihn sah.
Blue überlegte kurz und sprach Devin daraufhin an. Dieser sah Blue zunächst verwirrt an, was auch an seinem gesundheitlichen Zustand lag. "...Ach du bists, Bruder Blue...ich bete zu Atom...doch er gibt mir kein Zeichen. Er scheint mich streng zu prüfen. Ich diene ihm schon so lange demütig und dennoch schickt er mir nicht seinen zweiten Abgesandten..." seufzte Devin. "Bruder Devin, erkennt ihr mich denn nicht, ich bin sein Gesandter" sagte Blue auf einmal mit einer tiefen, brummigen Stimme. "Atom schickt mich, um euch zu prüfen und nach einem Gespräch mit ihm, befindet er euch für würdig. Eure Prüfung ist nun beendet." Devin schaute zunächst völligstens irritiert, dann hellte sich sein Gesicht. "Aber...ja...jetzt verstehe ich. Atom schickt jemanden, der auf den ersten Blick unwürdig zu sein scheint und prüft uns alle damit...Habt Dank, Ehrwürdiger...Atoms Wege sind unergründlich" sagte Devin sichtlich erleichtert. "Bruder Devin, ich würde euch aber bitten, dieses Geheimnis für euch zu behalten, damit ich unerkannt im Sinne Atoms prüfen kann." sagte Blue höflich. "Aber sicher, Gesandter euer Geheimnis wird bei mir sicher sein und ich werde es wohl hüten. Atoms Gnade ist groß." Devin verbeugte sich vor Blue und ging nach hinten in den Nukleus zu seiner Behausung.
Nick und Blue gingen zum Ausgang und verließen den Nukleus. Nachdem sie einige Zeit gelaufen waren, sprach Nick Blue an. "Soso, du großer Gesandter Atoms, was werden wir jetzt machen? Du hast den armen Jungen ganz schön an der Nase herum geführt." und schmunzelte. Blue blieb stehen und drehte sich zu Nick um. "Was hätte ich denn deiner Meinung tun sollen, Nick? Wenn ich da nichts in dieser Art unternommen hätte, wäre Devin höchst wahrscheinlich in einigen Tagen der Strahlenkrankheit erlegen. Und das war das Einzige, was mir auf die Schnelle eingefallen ist." brummte Blue. "Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, Großer. Das war schon in Ordnung. Das sollte kein Vorwurf sein...du alter, brummiger Yao-Guai." seufzte Nick, der Blue gerade wohl auf den falschen Fuss erwischt hatte.
"Hmm, entschuldige Nick. Ich weiss du hast es anders gemeint. Ich bin wohl etwas unleidlich, weil ich ein Loch im Bauch habe. Ein gebratener Yao-Guai, gefüllt mit Tatos und...hmm lecker. Ich sollte wirklich aufhören, darüber nach zudenken, sonst bekomme ich ja noch mehr Hunger. Außerdem sind mir Yao-Guais im Moment zu wiederborstig..." sagte Blue, der scheinbar gerade wirklich großen Hunger hatte. "Ich kenne da noch jemanden, der gerade wiederborstig ist..." sagte Nick und grinste. "Nick, du kannst mich mal geflissentlich gern haben" sagte Blue, der nun ebenfalls grinsen musste.
Die beiden liefen seit einiger Zeit auf der Straße und Blue hatte bis jetzt noch nichts gefunden. "Tja, Großer, ich würde sagen, dein Bauchgrummeln ist ein wenig zu laut...da nimmt alles reiß aus." sagte Nick im Spass. "Aber merkwürdig ist es schon. Weit und breit nichts zu sehen." bemerkte Nick anschließend nachdenklich. In einiger Entfernung sahen die beiden einen alten, leicht runden Van stehen. Blue peilte diesen auf einmal an und Nick folgte ihm leise. "Meinst du, das ist..." flüsterte Nick leise. "Das werden wir gleich sehen, ich werde mal...dezent anklopfen." Blue schlich hin und schlug einmal mit dem Hammer auf den alten Van. Der bekam auf einmal von vorne weg Beine und langsam schälte sich ein riesiger Einsiedlerkrebs aus dem Gehäuse. "Na, wer sagst denn. Eingedostes Essen. Lecker. Komm mal zu Papa." sagte Blue und fing an mit dem Hammer den großen Krebs zu bearbeiten. Durch die Bewohner von Far Harbor wußte Blue, dass diese riesigen Krebse gut essbar waren.
Blue machte ein Feuer, nachdem er den Krebs erledigt hatte und legte das Fleisch ins Feuer. Er verdrückte, bis auf den Panzer und die Scheren, restlos alles. Nach zwei Stunden waren beide wieder auf den Weg. Sie wollten erst einmal zu Longfellow, um nach ihm zu sehen. Das letzte Treffen war wieder einige Tage her. Anschließend hatte Blue geplant nach Far Harbor zu gehen, um sich mit weiterem Proviant und weiteren Dingen einzudecken. Es stand eine Inselrundreise an, um all die Orte abzuklappern, die in DiMas Erinnerungen eine wichtige Rolle zu spielen schienen.
Gegen späten Nachmittag kamen sie bei Longfellows Hütte an und Longfellow saß gerade in seinem alten Schaukelstuhl auf der überdachten Veranda. Grummpel lag zu seinen Füßen. Die beiden freuten sich, als sie Nick und Blue von weitem sahen. Sie hatten sich viel zu erzählen und es wurde darüber Abend. Blue entledigte sich während des Gesprächs erst einmal seiner Verkleidung und zog sich seine anderen Sachen wieder an. Das war für die folgenden Unternehmungen wichtig, dass er wieder anständige Waffen dabei hatte. Er wollte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Longfellow war leider noch nicht so fit, dass er mit konnte. Die beiden verabschiedeten sich und gingen nach Far Harbor.
Blue schaute bei Brooks vorbei und ging dann zu Mitch ins Last Plank. Er wollte ihm einigen hochprozentigen Alkohol abkaufen, den er für einige medizinische Dinge brauchte, die er auffüllen wollte. Teddys Vorräte waren leider erschöpft gewesen und so mußte Blue ein wenig improvisieren. Nick war draußen geblieben und hatte sich an die Reling gestellt und betrachtete das Meer. Es war heute Abend wieder besonders neblig, so das er nicht weit sehen konnte. Nick vernahm Stimmen von Richtung der Anlegestelle, in dessen Nähe auch ihr Boot lag. Die Stimmen hörten sich so an, als würden sie sich streiten und Nick konnte Allens Lee Stimme heraushören und noch zwei weiter, von denen eine ihm seltsam bekannt vorkam. Er konnte sie aber zunächst nicht zuordnen.
"Das hört sich nach Stress an. Immer dieser Allen Lee. Ich sollte mal nachschauen, was da unten los ist." sagte Nick zu sich. Er ging los und dann sah er was da gerade passierte. "Das ist nicht gut. Dieser ausgemachte Idiot. Ich muss Blue sofort Bescheid sagen." Dann rannte Nick los. Er platzte regelrecht ins Last Plank hinein und berichtete Blue kurz und knapp, was sich gerade an den Kais abspielte. Blues Gesicht verfinsterte sich und er ließ alles stehen und liegen und rannte los. Nick folgte ihm ihn kurzen Abstand.
"Wir wollen hier nicht noch mehr von euch verdammten Festländern. Seht zu, das ihr kehrt macht und dahin zurückfahrt, wo hier herkommt. Sonst erschieße ich einen von euch. Ihr seid hier nicht willkommen." sagte Allen Lee äußerst gereitzt und zielte mit der Waffe auf einer der Leute, die vor ihm standen. Avery versuchte zu intervenieren, war damit diesmal nicht so erfolgreich. Die Situation drohte zu eskalieren. "Aber wir suchen..." sagte ein blau Uniformierter, der die Gruppe anzuführen schien. "...das ist mir egal, wen ihr sucht, hier werdet ihr ihn auf jeden Fall nicht finden...verschwindet" sagte Allen weiterhin gereizt. Sein Gegenüber ging auf Kontra "Hören Sie mal, Sie aggressives Subjekt, hören Sie auf uns zu bedrohen, sonst sehe ich mich gezwungen, einen Schießbefehl zu geben." sagte der Mann nun ebenfalls im bedrohlichen Ton. "Halt die Klappe, Festlandbewohner. Sonst schieße ich einem von euch den Kopf weg, ich werde..." "Aufhören, beide verdammt." konnte man eine tiefe brummige Stimme vom Kaieingang von Far Harbor hören. Sie klang wütend. Es war Blue. "Ltd. Sie werden zurück aufs Schiff gehen und erstmal dort bleiben." bellte Blue regelrecht den Mann an, der der Anführer der Gruppe war, die aus etwa zwanzig Minutemen bestand. Dann wandte er sich an Allen. "Wenn du einem meiner Leute Schaden zufügst, Allen, dann lernst du mich kennen. Nimm den verdammten Schießprügel runter. Ich kümmere mich darum." pfiff Blue Allen an.
Der schaute erstmal total verwirrt und Avery wußte erstmal nicht zu sagen. Blue ging schnell zu Cassie Dalton und wechselte mit ihr einige Worte. Cassie nickte und Blue bedankte sich bei ihr. Er ging dann zum Kai herunter und an Avery und Allen vorbei. "Avery, ich werde euch alles erklären, wenn ich wieder da bin. Es wäre gut, wenn du Allen davon abhalten könntest, irgendwelche unschuldigen Leute zu erschießen." Er warf Allen dabei einen wütenden Blick zu. Der sah Blue ebenfalls angesäuert an, riss sich aber für den Moment zusammen. Anschließend ging Blue und Nick zu dem Boot, wo die Leute auf ihn warteten und wies den Bootsführer an einen bestimmten Kurs zu nehmen. Dieser nickte und schlug den angegebenen Kurs ein. Das Boot legt ab und fuhr Richtung der Farm der Daltons.
Während der Fahrt unterhielt sich Blue kurz mit den Ltd. Sein Name war Ferrington. Er gehörte wohl zu den Minutemen, die in seiner Abwesenheit neu rekrutiert worden waren. Blue kannte ihn nicht. Bei den anderen Männern war ein bekanntes Gesicht dabei. Sgt. Flux war mit dabei und schien sich sehr über das Wiedersehen zu freuen. "Es tut mir leid, dass ich Sie so angeranzt habe, Ferrington, aber die Vorortsituation erfordert ein wenig...Fingerspitzengefühl. Und Allen Lee ist ein Hitzkopf. Ich gehe davon aus, dass Sie Colonel Garvey geschickt hat?" fragte Blue wieder ruhig Ferrington. "Jawohl, Sir. Unsere Truppe sollte Sie suchen gehen und schauen, ob es Ihnen gut geht und Ihnen eventuell zur Hand gehen." antwortete Ferrington. Blue seufzte innerlich. Er hatte nicht mehr aufgrund der Situation auf der Insel nicht mehr daran gedacht, dass Preston nach zwei Monaten Nichtmeldung einen Suchtrupp losgeschickte, um nach seinen beiden Freunden zu sehen. Das machte die ganze Vorortsituation nicht unbedingt einfacher. Er mußte jetzt seine Leute auf den Stand der Dinge bringe. Blue hoffte, dass die Situation am Kai nicht das Vertrauen der Far Harbor Bewohner nachhaltig erschütterte.