<< Freeside <<
Der Strip. Da war er nun, der erste Punkt einer langen Reise. Jeden Schritt den die Soldatin tat, jedes Schlurfen, jedes Zucken ihrer Gliedmaßen, brannte in ihren Knochen vor Erschöpfung. Die letzten Meter zum Strip waren geschafft und jetzt galt es Unterschlupf zu suchen.
Sie schwenkte ihren Kopf mehrmals zur Seite und sog sämtliche Eindrücke in sich auf. Da war es also. Das Herzstück des Landes. Blinkende und vergilbte Lichter so weit das Auge reichte. Teils erneuerte Straßen, kaum eingefallene Gebäude, abgeblätterte Farben und trotzdem war hier ein Tumult den man sich kaum vorstellen konnte. Aus jeder Ecke der Province ertönte eine andere, sonderbare Melodie aus den Gebäuden. Die Leute waren allesamt mit sich selbst beschäftigt und unterhielten sich aufgeregt, die Passanten die ihr entgegen kamen hatten bereits ein neues Kasino angepeilt und hier und dort waren die Menschen den Umständen gut gekleidet. May beobachtete wie ein Pärchen am Eingang eines Kasinos abgetastet wurden, ehe sie eintraten. May wollte sich gar nicht ausmalen, wie viel Kohle hier allein in diesem Stadtteil auf dem Haufen lag. Sie rümpfte sich kurz ihre Nase und warf ihren Wüstenstock beiseite, stellte sich aufrecht hin und drückte ihre beiden Hände in den Gesäßknochen um sich zu strecken. Ein leichtes, hämisches Lächeln überkam ihren Lippen. >>“Und nun? Weißt du wohin?“<< Neugierig hatte sich Maylin an ihrer Seite hervorgehoben und sie fragend in einer gebeugten Haltung angestarrt. Die Soldatin zuckte daraufhin mit ihren Schultern. „Ich habe keinen blassen Schimmer.“ Sie überlegte kurz. Als sie ihren Kopf von Gebäude zu Gebäude schweifen lies, blieb ihr Blick an etwas sehr präsentem hängen. >>„Wenn du in New Vegas angekommen bist, suche nach dem Gebäude mit den Frauen, derer Beine in den Nachthimmel ragen. …“ << Sie schmunzelte erneut. „Ich denke wir sollten Gomorrah mal einen Besuch abstatten.“ Ihr Finger zeigte auf eine Reklame, auf der zwei possierliche Frauen ihre Beine überkreuzt schlugen.
Die letzten Meter hin, hatte die Frau einen Zahn zugelegt.
Auch hier galt die Regel: Abtasten vor Eintritt! , denn zwei Männer bauten sich mit alten Schnellfeuerpistolen vor der jungen Maid auf. Sie streckten beide eine Hand hervor und bremsten den Elan von May. >>“HALT! Eintritt nur mit Waffenabgabe! Wir wollen hier schließlich keinen Ärger. …“<< Damit war zu rechnen. Die Frau kreuzte die Blicke der beiden und hielt kurz inne. Sie ersparte sich sämtlichen Kommentar, obgleich das ziemlich untypisch für sie war, doch sie wollte nicht gleich zu Beginn wieder aus der Stadt fliegen. Nur widerwillig übergab sie ihre beiden Revolver und ihr Scharfschützengewehr. Die Männer sehr erstaunt, wie intakt und sauber ihre Waffen doch waren, hatten das Gesamtgewicht der Präzessionswaffe vollkommen unterschätzt, was der Typ mit einem Klangvollen „Uff“ kommentierte. May ragte einen Finger hervor und ging bis auf die Nasenspitze auf einen der Beiden zu. „Keinen Ärger ja? Das gilt auch für beide Seiten. Wenn ihr auf die blöde Idee kommen solltet meine Waffen zu verticken, oder sie plötzlich „verschwunden“ sind, dann zeige ich euch Möglichkeiten euch das Licht aus eurer Hohlbirne zu knipsen, ohne eine Kugel abgefeuert zu haben, haben wir uns verstanden?“ Sie haschte an den beiden vorbei ohne eine Reaktion zu erwarten.
Ihren Fuß auf den roten Teppich gesetzt, hatte sie die Eingangstore betreten. Vor ihr erstreckte sich ein Sinnbild der größten Sünde der Menschheit: Glückspiel, Neid, Alkohol, Zigaretten. … Sie war im Paradies. Zielstrebig huschte die junge Frau an die Empfangshalle um einzuchecken. Sie lehnte sich an den Tresen, beugte sich leicht über und tippelte ungeduldig mit ihren Fingern auf das robuste Holz. Eine freundlich wirkende Dame wandte sich mit einem aufgesetzten Lächeln zu ihr zu. >>“Willkommen in Gomorrah, der Ort an dem all ihre Wünsche wahr werden, was kann ich für Sie tun?“<< May stellte ihre rechte Hand auf den Tisch und winkelte ihn ab, griff mit ihrer Linken als Stütze danach und drehte sich um 90 Grad zur Seite, damit sie nicht nur die Pförtnerin im Blick hatte, sondern auch die Eingangstür. Kurz schweifte die Frau mit ihrem Blick über die Leute hinweg, über die Spieltische und letztlich galt ihre vollkommene Aufmerksamkeit der noch immer lächelnden Dame. Sie nickte sanft. „Es ist ein Zimmer auf „Schwarze Rose“ reserviert. Zudem wäre eine Schachtel Kippen und eine Flasche Gebranntes nicht verkehrt. …“ Präzise zur Sache, ohne Umschweife, so war die Frau. Sie fackelte nicht lang und kam generell sofort zur Sache, blendete unnötiges aus, was ihrem Ziel nicht näherbrachte. Die aschblonde Frau hinter dem Tresen nickte bestätigend und holte eine Schachtel Zigaretten unter dem Tisch hervor sowie eine braune Flasche mit Brandy darin, dessen Inhalt bis zum Flaschenhals vollgefüllt war und umherschwappte. Nach wenigen Handgriffen hatte sie ebenfalls die Zimmerschlüssel Parat und schob alles über den Tresen zur Frau. May hatte zuerst nach der Flasche gegriffen und sie an sich gezogen, dabei setzte sie ihre Haltung gerade auf, danach die Zigaretten, dann die Zimmerschlüssel. Als sie sich gerade umdrehen wollte, hustete die Empfangsdame leicht. >>“Entschuldigen Sie. Wir hier im Gomorrah bieten unsere Dienstleistung gegen Bezahlung. Wenn Sie also erst das Zimmer und die Waren begleichen würden?“<< Dieses verdammte Grinsen. Die Schwarzhaarige erhob eine Augenbraue und murmelte in ihren Kragen. „Wie viel?“ Die Empfangsdame rechnete im Geiste schauspielerisch nach, indem sie ein paar Finger hob und von einer Summe X nach unten zählte, obwohl sie den Preis schon lange auf der Zunge hatte. Erneut konnte sich May nicht verkneifen die Augen zu rollen. >>“580 Kronkorken“<< Platzte plötzlich aus hier heraus. Mays Augen weiteten sich. „BITTE WAS?!“ Widerwillig kramte sie in ihren Taschen, schmiss dann einen Sack voll Kronkorken auf den Tisch. „Ich hoffe für dich, dass das der beste Schnaps und die besten Zigaretten der ganzen Galaxie sind. …“ Sie wartete erst gar nicht auf eine Gegenantwort, denn sie schnappte sich ihre Sachen und ging mit schnellem Schritt auf den Aufzug zu.
Die verrosteten Aufzugsgatter, so wie man sie von früher kannte, öffneten sich und innen drin drückte sie ein paar defekte, nicht mehr beleuchtete Knöpfe die sie zu ihrem Stock brachten. Die quietschenden Gatter fielen ins Schloss und der Aufzug setzte sich in Bewegung. Während sich im Fahrstuhl ein Lichterspiel verschiedenster Lampen ergoss, hatte sie mit einem Biss den Verschluss der Flasche geköpft und einen kräftigen Schluck daraus genommen. Der Brandy brannte ihr die Kehle hinunter und es fühlte sich so an, als würde er nicht im Magen Halt machen und dort ein weiteres Loch hineinbrennen. Die Frau musste angestaut ausatmen. Der Geruch des Alkohols verflog nicht und verteilte sich im Fahrstuhl. „Scheiße. … Das ist echt der BESTE Brandy der Galaxie …“ Nach weiteren zwei Schluck war der Fahrstuhl sanft in seine Endposition gefahren und die Tore öffneten sich. Sie trabte mit leichtem Schritt hinaus in den Flur und folgte dem blauen Teppich, bis sie vor ihrer Zimmertür stand. Die Tür war marode und versucht worden auf Hochglanz poliert zu werden. Das goldene Schild an der Tür, welches eine „325“ zeigte, bestätigte das Abbild des Schlüssels, dessen schwarze Zahlen kaum noch zu lesen waren. Langsam führte sie den Schlüssel in das Loch, der Zapfen drehte sich mit Leichtigkeit in die rechte Richtung, ehe das Schloss selbst knackend aufsprang. Der Knauf der Tür beschlug leicht durch die Körperwärme der Frau, sie drehte ihn auf die rechte Seite über und öffnete die Tür ganz.
Das Zimmer war mühevoll eingerichtet. Es hatte Charme. Die Frau mit der Flasche in der linken, spielend, zog sie einen weiteren Schluck aus dem Hals während sie eintrat. Ihr Blick schweifte auf das verschiedene Kuddelmuddel an der Wand. Hier und dort waren irgendwelche Trophäen zu sehen, alte Gemälde dessen Bedeutung der Frau fremd waren, ein kleiner Beistelltisch auf dem eine alte Lampe stand, dessen Lampenschirm vor jeglicher Zeit war, ein Block mit einem Bleistift und vielerlei anderen Schnick Schnack, den May nicht brauchte. Ihr nächster Blick haschte zum Bett, das feinsäuberlich gemacht war. Sie grinste hämisch, nahm einen weiteren Schluck ihres besonderen Alkohols und warf sich aufs Bett, vollführte fast eine halbe Drehung zur Seite, sodass sie auf dem Rücken landete. Kaum nach hinten gerutscht, sodass sie aufrecht sitzen konnte, wackelte sie mit ihren Beinen. Die braune Flasche hatte sie mittlerweile in ihrer Rechten am Flaschenhals gepackt mit zwei Fingern, und wie ein Pendel kreisen lassen. Mit der Linken fischte sie spielerisch und fast mit einer gewohnten Monotonie eine Zigarette aus der Schachtel und steckte diese an. Das Verglühen der Asche an der Spitze des rauchenden Todes glühte lange, denn so intensiv hatte sie die Rauchschwade in sich aufgesogen. Sie hielt kurz inne, schloss dabei ihre Augen und kippte einen Schluck des Brandys nach, ehe sie ein Gemisch aus einem Alkoholatem und Rauch aus ihren Lungen presste. Süffisant lächelte sie in sich hinein, ehe sich ihr Blick an die Decke wandte. Auf dem Eingangsflur des Zimmers konnte man eine vertraute und verspielte Stimme vernehmen. >>“BOAR“ May! Hast du das Gesehen? Das Bad ist ja RIEESIG!“<< Die Schwarzhaarige legte ihren Kopf zur Seite und blickte in ihr Spiegelbild, dass halb um die Ecke sah. Sie stellte die Schnapsflasche auf den Beistelltisch und legte ihre beiden Hände hinter ihren Kopf, während sie die Zigarette im Mund lies. Sie schloss ihre Augen. „Dann lass für uns ein Bad ein und weck mich wenn du fertig bist …“ Lustig mitanzusehen war es, wie die Zigarette in ihrem Mund glühte und sich mit jeder Lippenbewegung auf und ab bewegte, als würde sie einen kleinen Tanz vollführen. Ein kleines Aschehäufchen brach von der Spitze und rieselte ihr auf ihre Brust. Müde öffnete sie erneut ihre Augen die nun viel kleiner waren. Das entspannte Lächeln war noch immer nicht aus ihrem Gesicht verschwunden und jetzt konnte die Frau das erste Mal seit Langem wieder alles von sich strecken.