Müde, abgekämpft, schwer beladen, aber glücklich sinke ich auf der Finch-Farm in mein Bett. Bin zurückgekehrt ins Commonwealth. Ins lichtdurchflutete, bunte Commonwealth. Es war nur noch eine ferne Erinnerung an jene Tage, bevor ich zu einer Insel weit im Norden aufbrach, um im Auftrag ihrer Eltern die junge Katsumi zu suchen. Jene Tage als dieser schreckliche, dieser herrliche Albtraum begann. Die Insel namens Far Harbor ist ein düsterer verstrahlter Ort. Eine Mischung aus Dantes Inferno und der Welt von H. P. Lovecraft. Traurig, obskur, monströs. Eine Insel, die einen aufsaugt und nicht wieder los lässt.
Verseuchter Nebel wabert über das Land. Trifft mich eine Nebelschwade klackert der Geigerzähler. Am deutlichsten in allen Fallout-Spielen bekommt der verlorene Wanderer hier die Radioaktivität zu spüren. Zumindest im Survival Mode ohne Schnellreise färbt sich der linke Balken schnell radioaktiv rot. Die Suche nach dem nächsten Radaway oder ärztlicher Hilfe wurde so manches Mal kritisch.
Ja, der Survival Mode! Die Welt von Far Harbor lernte ich erst „auf Überleben“ kennen. Und so war dieser Ausflug, wenn auch ab Level 70, mein erstes echtes Spiel in diesem Modus. Woher kommt die nächste Flasche Wasser? Wo finde ich das nächste Bett? Wo kaufe ich Munition? Wo kann ich eine (zentral gelegene) Siedlung bauen? Diese Fragen waren diesmal alle offen. Und ohne Gaußgewehr wäre ich hier verloren gewesen. So muss es sein, sonst ist der Überlebensmodus keiner! Aber alles musste erlaufen werden. Jeder Weg muss zurückgelegt werden. Wieder und wieder. Das war mir hier durch die vielen Questwege etwas zu viel. Erst recht auf den sumpfigen, nicht vorhandenen Pfaden von Far Harbor.
Aber selbst diese Rennerei konnte meine unglaubliche Motivation nicht besiegen. Denn ich wusste, Bethesda wird mich nicht enttäuschen. Und alle die großartigen Erlebnisse haben mich mehr als entschädigt. Begleitet vom mürrischen Meckern des alten Longfellow, dessen Freundschaft mir lange unerreichbar schien. In den Gängen der Synth-Kolonie, die der rätselhafte, jovial und bedrohlich zugleich wirkende DiMA leitete. All diese seltsamen Orte! Die gewisperten Gebete der Kinder des Atoms klingen mir auch noch im Ohr – in ihrer gruseligen Kathedrale der ganz anderen Art.
Überhaupt diese Töne. Wie der auf Dauer etwas monotone, aber insgesamt gelungene Soundtrack. Das Bemerkenswerteste ist aber die Lokalisation. Bethesda hat sich hier gegenüber dem Hauptspiel noch einmal gesteigert. Die deutschen Synchronstimmen von DiMA und dem obersten Prediger sind unvergesslich. Die süße von Katsumi werde ich mir sicher auf den gesammelten Tonbändern noch einmal anhören.
Viel wäre noch zu erzählen: von kriminellen Robotern, einer seltsamen Familie in Cranberry Island, von Schlingern und Vielfraßen und legendären Anglern. Ja, es gibt wirklich Monster da draußen!
Als ich endlich die Finch-Farm erreiche, habe ich ein seltsames Gefühl. Ich erinnere mich an die ersten Filme, die ich als kleines Kind gesehen hatte. Filme waren damals noch wie Träume, die tief in die Seele drangen und dort lange nachhallten. Das beschreibt das Erlebnis von Far Harbor sehr gut, man erwacht aus langem unruhigen Schlaf und undeutlicher werdende Traumbilder klingen langsam aus.
Danke Bethesda!