John, Sara und Ryn lauschten stumm den Abschiedsworten Maylins. Was die anderen Beiden dachten wusste er nicht, vermutlich war ihnen die Frau, die nun über die Holzbrücke schritt, ziemlich gleichgültig. Sein vorherrschendes Gefühl war Scham. Scham darüber, dass er sie ziehen ließ obwohl er wusste, dass die Leute die den Mann in der Hütte so kaltblütig ermordet hatten nun hinter ihr her waren. Scham darüber, dass er blieb obwohl seine Untätigkeit ihr erneut vermittelte, alleine im Ödland zu sein. Und vor allem Scham darüber, dass Erleichterung in ihm hoch stieg, weil sich mit Maylin auch die Gefahr die von ihr ausging Schritt für Schritt entfernte. Elend stand er da, im Bewusstsein der wahrscheinlich größte Feigling im gesamten Ödland zu sein.
Während er die Augen nicht von der Gestalt wenden konnte, die soeben die Brücke verließ, begann er sich zu überlegen wie er die ganze Sache den beiden Anderen erklären sollte. Schließlich waren vor allem er und die fliegende Händlerin die Letzen die noch von der Zweckgemeinschaft des gestrigen Tages übrig waren, er fühlte sich ihr verpflichtet. Mit einer enormen Willensanstrengung gelang es ihm den Blick abzuwenden und sich John und Sara zuzuwenden. "Also..." setzte er an, in dem Bemühen seiner Stimme einen entschlossenen Klang zu geben. Doch er wurde unterbrochen. "Hoy, Maylin, warte doch." ertönte eine äußerst laute Stimme hinter ihnen. Überrascht drehten er und die Anderen sich um. Vom Dorfplatz her eilte ein Mann in Richtung Brücke. Er trug die typischen Fetzten und auch die Frisur eines Raiders. Sein Gesicht wurde von einer grotesken Maske bedeckt, deren Mundbereich von einer Art Megaphon eingenommen wurde, was die Lautstärke seines Ausrufes erklärte.
Dies alles registrierte Ryn allerdings nur am Rande. Seine Aufmerksamkeit wurde viel mehr von dem Gerät angezogen, dass der Mann auf seiner Schulter trug. Es war groß, es war technisch und Ryn hatte die akute Befürchtung, dass es sich bei dem Ding um eine Waffe handelte. Was auch sofort bestätigt wurde, Sara neben ihm rief: "Rock-It-Werfer!" Was Ryn als Nächstes tat war mutig, kurzentschlossen und absolut bescheuert, kurz: das Männlichste was er bislang in seinem noch jungem Leben getan hatte. Während der Neuankömmling etwas schrie und dabei den Abzug betätigte, warf sich Ryn zwischen die Mündung des Werfers und die Brücke auf der sich Maylin befand. Wäre der Schuss aus einem Gewehr abgefeuert worden, dann hätte sein Sprung mit Sicherheit nicht gereicht. Aber der Rock-It-Werfer zündete langsamer als eine konventionelle Feuerwaffe um dann eine weit tödlichere Ladung auszuspucken. Aus dem langen Rohr zischte funkensprühend eine einen Meter lange Stahlharpune. Die Zacken der Waffe wurden vor seinen Augen immer größer, dann krachte das Ding gegen seinen Kopf und während das Licht vor seinen Augen erlosch, spürte Ryn wie sein Körper umgerissen wurde.
Schwärze umgab ihn. Sein Geist bewegte sich mal schneller, mal langsam, wie ein Kaugummiband auf dem ein kleines Kind herumkaute. Starb er? Er wollte nicht sterben. Aber da- in weiter Ferne bewegte sich ein Licht auf ihn zu. Voller Angst versuchte er zu verstehen was mit ihm geschehen war. Dann sah er den schwarzen Flecken und begriff was passiert war. Kälte stieg in ihm hoch. Der Fremde Attentäter hätte nicht besser treffen können. Mit einer beeindruckenden, und für Ryn tragischer Genauigkeit hatte er das Wichtigste am Körper des jungen Arztes erwischt: seinen Stetson.
Das Licht hatte ihn nun endgültig erreicht, oder besser: er hatte ganz einfach sein Augenlicht nach dem Schlag gegen seine Birne zurückgewonnen. Der schwarze Fleck im Zentrum des leuchtenden Fleckes waren wie er angenommen hatte Saras schwarze Haare. Sie kniete sich über ihn, wobei die Sonne Ryns Augen blendete, so dass er ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte. Vorsichtig begann er sich aufzusetzen, wobei er Sara schwach und etwas verwirrt anlächelte. Nun stand ein ungläubiger Ausdruck in ihren hübschen grünen Augen. "Wie hast du...?" "... den Schlag überlebt?" vollendete Ryn ihre Frage. Als Antwort nahm er seinen Stetson ab, zum ersten Mal vor einer Fremden, und drehte ihn um. Das Innere war stahlverkleidet.Traurig besah er sich danach die Vorderseite des treuen Stücks, die nun drei lange Schnitte zierten. Dann sah er auf. "Was hab ich verpasst?"