[Spoiler] Ein seltsamer Wanderer - Alternative F4 Geschichte

  • 415. Vergangenheit trifft auf Gegenwart III

    Francis stand an der Dachkante und starrte in die Tiefe. Mit einem Schritt könnte er sein Leiden und Schmerzen einfach beenden. Von hier oben ging es mindestens 15 Meter hinunter. Es war unwahrscheinlich, dass er diesen Sturz überlebte. Er zögerte und blickte in das zerstörte Boston vor ihm. Er wusste, dass Blue etwa zwei Meter von ihm entfernt abwartend stand. Das irritierte Francis. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass Blue ihn von seinem Ansinnen abhielt. Nichts dergleichen passierte im Moment. "Ich fühle mich im Moment wie meine alte Heimat. Auf immer zerstört und leer. Verloren und von der Zeit vergessen. Ich gehöre nicht in diese Welt." zischte er. Wut und Trauer vermischten sich in seiner Stimme. "Als dieser Wichser Kellogg meine Frau getötet hat, war im Endeffekt mein Sohn ebenfalls tot. Als Shaun ... mich ... gerade derart ... abgelehnt hat ... ich ... er ... für einen Moment habe ich mich selbst gesehen. Eiskalt. Für seine Sache über Leichen gehend ... es liegt wohl in der Familie ... dass wir nach einer Zeit ... zu Monstern werden."


    Kurz schluckte Francis und sah zu Blue hinüber. Der hatte mittlerweile sein Position gewechselt und sich am Rand des Daches hingesetzt. Seine Beine baumelten herunter. Francis und Blues Blick trafen sich für einen Moment. Ein nicht zu deutender Ausdruck stand in Blues Augen. Er war ungewöhnlich ruhig. "Du irritierst mich immer wieder, Großer. Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass du mich zurückreisst und kampfunfähig schlägst. Du bist doch sonst so ein Messias ... es sei denn ..." Mit einem Mal lachte Francis laut und gehässig auf. Beinahe klang es so, als würde er gleich völlig den Verstand verlieren und jeden anfallen, der ihm in die Quere kam.


    " ... du hast mich die ganze Zeit benutzt ... habe ich recht? Du hattest bereits am Anfang einen Verdacht, wo mein Sohn abgeblieben war ... als du ihn dann gefunden hast ... da hast du dich dafür entschieden ... mich dafür zu benutzen, ihn dir gefällig zu machen ... damit du deinen perfiden Plan, die Menschen des Commonwealths zu unterjochen umsetzen kannst ... mit Sicherheit warten irgendwo andere wie du, auf deinen Befehl zu erscheinen ... es geht in dieser Welt doch nur noch darum, wer die Macht hat ... aber da hat dir mein Sohn Shaun einen Strich durch die Rechnung gemacht ... und jetzt lässt du mich fallen ... weil ich für dich wertlos geworden bin ... Ich werde deine Pläne durchkreuzen." schnaufte Francis wütend.


    Es wurde mehr als deutlich, dass die Situation mit Shaun sich massiv auf seine geistige Verfassung auswirkte und er an jeder Ecke Verrat wittert. Er zog mit einer Hand seine Pistole aus dem Halfter, während er sich mit der anderen auf der Krücke abstützte, dann zielte er auf Blue Kopf. Der Finger von Francis lag auf dem Abzug. Nur eine kleine Bewegung und aus Leben wurde Tod. Blue blieb weiterhin ruhig und bewegte sich nicht. Aber er begann zu sprechen. "Bevor du einen großen Fehlers machst, nämlich einen guten Freund, in deinem tiefen Zorn und Kummer zu erschießen, würde ich dir einige Dinge erklären ..." brummte Blue ruhig.


    " ... da bin ja gespannt, welche ergreifende Ausrede du dir jetzt wieder einfallen lässt ... deine Zunge ist noch gefährlicher als deine Kraft ... sie ist wie ein benebelndes Gift ... du hast mich bereits einmal eingelullt ... noch einmal wird dir das nicht gelingen ... nicht wie in Sanctuary ... vielleicht werde ich dir die Zunge nach deinem Ableben herausschneiden und mir als Andenken aufheben ... mein *abfälliges Lachen* lieber Freund ... los rede, damit wir es beenden können." gifte Francis bar jeder Vernunft. Er hatte endgültig nichts mehr zu verlieren. Gewarnt durch Francis Verfassung vermied Blue alles, was ihn reizen konnte und starrte ebenfalls auf die zerstörte Innenstadt als er weitersprach.


    Jedes Wort, das er jetzt aussprach, wählte er mit Bedacht. " ... ich wollte eigentlich nur mit dir reden ... bevor du einen endgültigen Schritt machst ... " Blue seufzte kurz. "... anders. Francis, ich weiß, dass du schon lange den Wunsch hegst aus dieser Welt zu scheiden ... eine Welt, die dir alles genommen hat, ... Frau, Kind und noch vieles mehr. Natürlich wäre es mein erster Impuls gewesen ... aber ich meine, welches Recht habe ich dazu? Du würdest es irgendwann wieder versuchen ... wenn ich unachtsam oder mit anderen Dingen beschäftigt bin ... deshalb meine Zurückhaltung. Ich habe gehofft, dich mit Worten zu überzeugen. Als dein Freund an dich appellieren zu können, noch auf dieser Welt zu bleiben ... "


    Auch wenn Francis es nicht wollte, begannen die Worte Wirkung zu zeigen. Ein Teil von ihm dachte über die Worte nach, doch gleichzeitig fachten sie seine Wut weiter an. " ... ach die Tour fährst du ... du kannst dir dein geheucheltes Mitleid und Freundesding dort hinschieben, wo die Sonne bei dir niemals hin scheint ..." Francis spannte den Abzug und schoss. Blue gelang es gerade eben noch den Kopf so einzuziehen, dass die Kugel nur die oberste Hautschicht durchfräste. Sofort handelte er. Francis würde keinen zweiten Schuss mehr aus dieser Pistole abgeben. Er machte eine Ausweichbewegung und trat dabei nach Francis Krücke und Bein. Während der sich noch ärgerte, dass er seinen vermeintlichen Freund verfehlt hatte, traf ihn der Tritt. Francis fiel nach hinten, weg von der Dachkante. Die Pistole flog aus der Hand und rutschte weiter nach hinten aufs Dach.


    Zunächst außerhalb der Reichweite von Francis. Während der versuchte sich aufzurichten, war Blue bereits über ihn und drückte ihn mit Bedacht herunter. Dabei hielt er mit seinen Händen Francis Oberarme fest, während sein Knie auf Francis Becken ruhte. Francis wehrte sich aus Leibeskräften und spuckte teilweise wutentbrannt aus. "Fuck, Fuck, Fuck. Ich hätte dir gleich die Kugel in den Schädel schießen sollen. Dann bring es jetzt endlich zu Ende oder willst du dich auch noch an meinem letzten Kampf ergötzen ... *Aargh*" brüllte er böse. "Verdammt, Francis. Komm wieder zu Besinnung. Ich will dich nicht verletzen. Bitte zwing mich dazu. Ich versuche nur, einem guten Freund in seiner dunkelsten Stunde beizustehen. Wenn ich dich wirklich nur benutzt hätte, würde ich mir jetzt die Mühe machen, dich so festzuhalten? Mir wäre es gerade jetzt ein leichtes, dir deinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen ..." brummte Blue bekümmert.


    Francis hob den Kopf an, um Blue anzuspucken. Dabei trafen sich die Blicke der beiden erneut. In dem Moment war es, als würde die Zeit stehen bleiben. Francis sahen in ein paar von Kummer und Sorge geplagte Augen, die verzweifelt nach einem Ausweg zu suchen schienen. In dem Augenblick wurde Francis bewusst, dass sein Gegenüber es ernst meinte. Augen waren das Fenster zur Seele und sie waren es die Jemandes Ansinnen trotz Schauspielerei enttarnen und verraten konnten. Francis brüllte in dem Moment seinen Zorn und Kummer heraus. "So eine gottverdammte Scheiße ... Warum ich ..." dann erschlaffte Francis und schloss die Augen. Eine dumpfe Taubheit umfing ihn für einen Moment und er fühlte eine tiefe Erschöpfung. Aber sein brennender Zorn war verflogen. Er öffnete die Augen und sah wieder seinen bekümmerten Freund an, der ihn immer noch auf ihm hockte und aufmerksam festhielt.


    "Blue?" "Hmm?" "Ich ... Es tut mir leid ... Danke." "Geht es wieder?" Francis nickte müde. "Dann werde ich dich loslassen." sagte Blue und beobachtete Francis immer noch sehr aufmerksam. Während der sich auf seine Arme stützte um sich aufzurichten, griff Blue mit der einen Hand nach der Krücke, die in seiner Nähe am Boden lag. Die andere hielt er Francis hin. Der zögerte einen Moment, nahm dann aber die Hilfe an. Zwei Minuten später stand er wieder auf seinem Bein und sah nachdenklich vor sich hin. "Schon mehrere Male habe ich versucht, dich umzubringen. Auch wenn ich das ein oder andere Mal darüber keine Entscheidungsgewalt hatte. Trotzdem stehst du immer noch zu mir *kurzes verbittertes Auflachen* schützt mich sogar vor mir selbst ... Aber wie soll es jetzt mit mir weitergehen. Was kann ich denn schon außer Tod zu bringen in dieser Welt tun ..."


    "Wirkliche Freunde stehen einem auch in schlimmen Situationen bei. Hätte ich meine nicht gehabt ... dann wäre ich dieser Welt auch schon verfallen, Francis." brummte Blue. Francis schaute kurz fragend. "Das werde ich dir beizeiten erklären. Aber es geht jetzt um dich. Um auf deine Frage nach deinem Nutzen in dieser Welt zurückzukommen. Du tust bereits etwas sehr Wichtiges und Sinnvolles. Indem du unseren Leuten deine Kenntnisse und Erfahrung betreffend des Commonwealths und besonders darüber hinaus auf den Weg gibst, verhinderst du vielleicht, dass ein weiterer Vater / Mutter ihr Kind an diese Welt verliert. Ich ... ich weiß nicht ... ob meine Worte helfen... ob sie die richtigen sind ... über deinen Verlust hinwegzukommen ... Aber ich möchte, dass du das weißt."


    Auch wenn Francis es immer noch schwerfiel mit Blues Langmut zurecht zu kommen, regte es ihn zum Nachdenken an. "Ich weiß nicht. So habe ich es noch nicht gesehen. Ich brauche einige Zeit, darüber nachzudenken. Vielleicht muss ich abschließen. Mit der Vergangenheit. Es gibt eine Sache, die ich über die Zeit vernachlässigt habe. Vielleicht habe ich gedacht, dass es nur ein böser Traum ist, aus dem ich wieder aufwache. Ich ... Nora ... ich habe mein Frau in diesem Kühlschrank zurückgelassen ... nur ich habe es nicht übers Herz gebracht ... ihr eine tatsächliche Ruhe zu verschaffen ... ich ... kannst du ..." Francis blickte auf den Boden. "Auch dabei werde ich dir helfen. Komm. Lass uns heimgehen. Codsworth vermisst dich bestimmt schon." Beide machten sich schweigsam auf den Rückweg Richtung Sanctuary.

  • 416. Verdeckt ins Commonwealth

    Als Blue und Francis sich Richtung Sanctuary aufmachten kamen Jeremiah Bardeen und seine Leute endlich an den Grenzen des eigentlichen Commonwealths an. Sie hatten zwar in der Einöde des Ödlands eine gute Zuflucht gefunden, mussten aber feststellen, dass die Reise von dort mehr als strapaziös waren. Was von oben aus wie eine leichte und hüglige Landschaft aussah, stellte sich am Boden als Gegend mit vielen kleineren Schlucht dar, von denen ein guter Teil durch Strahlung und andere Dinge als nicht überquerbar darstellten. Häufig mussten sie umkehren und einen anderen Weg ausprobieren. Erst vor zwei Tagen hatten sie eine begehbare Straße gefunden, die sie Richtung Commonwealth führte. Den ersten Tag waren sie allein auf ihr unterwegs, aber das änderte sich am zweiten Tag schlagartig. Je näher sie dem Commonwealth kamen, desto mehr war auf ihr los.


    Vor ihnen liefen mindestens zwei Händler samt Bewachung und Brahmins. Immer wieder schauten sie argwöhnisch zu Bardeen und seiner Gruppe. Durch einen sich immer noch hartnäckig haltenden Nebel sahen sie In ihren mittlerweile ziemlich zerschlissenen langen und braunen Reisemänteln und den tief ins tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen nicht gerade vertrauenserweckend aus. Auch hinter liefen einige Familien auf Abstand zu ihnen. Mit einem Mal wurde die Straße vor ihnen besser und Bardeen stellte fest, dass hier vor nicht allzu langer viel Ausbesserungsarbeiten vorgenommen worden sein mussten. In einiger Entfernung gab es aus irgendeinen Grund einen Rückstau auf der Straße. Einige kleine Menschentrauben standen und liefen nicht weiter. Auf den Anhöhen vor ihnen konnten sie irgendwelche Gebilde erkennen, die aber der wabernde Nebel zur Unkenntlichkeit verzerrte.


    Einige Zeit später schlossen sie zu den Gruppen auf. Jetzt konnte Jeremiah auch erkennen, was auf der Straße vor ihnen los war. Eine etwas größere Karawane, bestehend aus etwa 10 Brahmins und dreißig Leuten inklusive dem Karawanenführer blockierte die Straße und diskutierten mit einigen blaugekleideten Personen. Dahinter konnte man ein Tor, aus einer Kombination von Holz und Metall erkennen, das sich über die Straße spannte. Die Tore standen offen. Jetzt wusste Jeremiah, was das für Gebäude auf den Anhöhen waren. Es waren Spähtürme. Die Straße hier schien von irgendwen überwacht zu werden. Vermutlich von der Gruppe in der blauen Kleidung. Er besah sich die Karawane vor ihm und wurde das Gefühl nicht los, dass mit dieser irgendetwas nicht stimmte. Er konnte nur nicht sagen was und besah sie sich genauer.


    Die Brahmins waren ziemlich unruhig und einige Karawanenangehörigen bedachten sie mit brutalen Tritten. Keine anständige Karawane würde das mit ihren Transporttieren anstellen. Auch wenn Brahmins gemeinhin als genügsam und ruhige Tiere galten, war es äußerst unklug diese bis aufs Blut zu reizen. Diejenigen schienen keine Ahnung von der Handhabung dieser Tiere zu haben. Auch gefielen Jeremiah Bardeen die finsteren Gesichter dieser Gesellen vor ihnen nicht. Ähnlicher Meinung schienen die Leute am Tor zu sein, wie er durch einige Wortfetzen der Diskussion mit dem vermeintlichen Karawanenführer und einem der Männer des Tores mitbekam. Ihnen kam die Gruppe scheinbar auch nicht geheuer vor.


    " ... ich frage euch nochmal, was habt ihr genau dabei? Allerlei von dem und dem reicht uns nicht ... außerdem glaube ich auch nicht, dass ihr die drei Brahmins dahinten einen der bekannten Händler abgekauft habt. Weiß du, was ich denke? Das ihr ein paar unser bekannten Händler um ihr Leben und Besitz gebracht habt ..." Der Anführer der Karawane tat für einen Moment so, als wäre er über die Anschuldigung empört, dann verzog er seine Gesicht zu einer teuflisch grinsenden Grimasse. Bereits in diesem Moment war Jeremiah in höchster Alarmbereitschaft. Durch kurze abgesprochene Zeichen traten zwei seiner Leute schützend vor ihm. Die anderen machten sich bereit, die vermeintlichen Karawanenmitglieder daran zu hindern nach hinten durchzubrechen und den Familien hinter ihnen Schaden zuzufügen.


    "Tja, da habt ihr uns wohl erwischt. Seid wohl doch nicht so doof, wie ihr blauen Hampel ausseht ... nun dann schneiden ich euch jetzt halt hier die Hälse durch. Liegt mir eh eher, als das in der Nacht zu tun ... Los Jungs, ab geht die Party. Erst blasen wir die Schlappschwänze mit einem anständigen Feuerwerk aus ihren Schuhen und danach gehen wir schön nach Coastal Cottage weiterfeiern." lachte der Karawanenführer gehässig und zog blitzschnell ein ausfaltbares Klappmesser aus einem seiner Ärmel. Der Minutemen wich mit einem gekonnten Sprung nach hinten aus. In Wirklichkeit bestand die gesamte Karawane aus Raidern. Die gingen sofort zum Angriff über und schlagartig brach die Hölle los. Schüsse, Schreie und kleinere Explosionen erklangen. Von hinter dem Tor kamen mehrere Gruppen der blau gekleideten Leute gerannt. Plötzlich hörte man eine Glocke schlagen und im gleichen Moment schoss eine rote Leuchtrakete nach oben.


    Zwar irritierte das für einen Augenblick die Raider und die anderen Anwesenden, aber das war es dann auch schon. Die anderen Leute und Familien versuchten panisch Deckung zu finden. Einige von Jeremiahs Leuten stellten sich schützend vor sie, während die anderen das Feuer auf den rückwärtigen Teil der Raiderkarawane eröffneten. Eingekeilt zwischen seiner Gruppe und den blaugekleideten Leuten begannen einige der Raider zu fluchen. Damit hatten sie nicht gerechnet. Nach einem heftigen Schusswechsel und etwa fünfzehn Minuten später hatte die komplette Raidergruppe für ihren versuchten Angriff mit dem Leben bezahlt. Erleichtert atmeten die Familien auf und auch Jeremiah war froh, dass der Kampf nur kleinere Blessuren bei seinen Leuten verursacht hatte. Eine Gruppe der blaugekleideten Leute kam mit gesenkten Waffen auf sie zu.


    Sofort schaute der Rest von Jeremiahs Gruppe aufmerksam und einige von ihnen stellten sich schützend vor den Ältesten. Überrascht blieb der Anführer der Gruppe, ein älterer uniformiert Mann stehen und schien einen Moment zu überlegen. Dann steckte er seine Waffe weg und gab seinen Leuten ein Zeichen es gleich zu tun. "Ihre Leute können die Waffen wegstecken. Sie sind von weit außerhalb, nehme ich an?" fragte er Jeremiah direkt. Der nickte. "Wir kommen von einer Siedlung ziemlich weit westlich und sind schon lange unterwegs. Eigentlich sind wir Händler, aber eines Nachts haben feige und hinterhältige Raider viele meiner Karawanenwächter erschlagen. Dabei haben sie unsere Waren und Brahmins mitgehen lassen. Seitdem sind wir auf der Suche nach neuen Brahmins und einem sicheren Handelsplatz." klärte der Älteste den Mann vor ihm auf. Solange sie im Commonwealth waren, würden die Gruppe der westlichen Bruderschaft diese Tarnidentität annehmen. So lange bis sie mehr über die Dinge wussten, die vor Ort passierten.


    "Mein Name ist übrigens Jerry Bell. Uns war es ein Vergnügen Ihnen gegen dieses verdammte Raiderpack zu helfen. Darf ich fragen, zu welcher Gruppe Sie und Ihre Leute gehören?" fragte Jeremiah sichtlich interessiert und lächelte dabei. "Wie gesagt, wir sind hier völlig fremd und würden uns gerne mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut machen." Der blau uniformierte Mann betrachtete nochmals prüfend den vor ihm stehenden dunkelhäutigen, älteren Mann mit den schwarzen, im Ansatz bereits grau melierten Haaren. Dieser erwiederte den Blick durch eine Brille mit leicht verblassten goldfarbenen Rahmen. Der Uniformierte räusperte sich leicht. "Ich bin Sgt. Ramirez. Ich gehöre zu den Minutemen und wir kontrollieren die nördlichen Straßen ins Commonwealth. Wir beschützen die Bewohner und Siedler vor den Gefahren, die hier vor Ort herrschen. Mein Jungs und ich sind echt dankbar, dass Sie uns unterstützt haben. Das ist schon der achte ... nee neunte Angriff diese Woche. Dieses Raidergesocks lässt sich immer wieder was neues einfallen, um an unseren Checkpoints vorbeizukommen ... nun ja ... deshalb auch das anfängliche Misstrauen Ihnen gegenüber, Mr. Bell." erklärte Ramirez höflich.


    Während die beiden sich unterhielten, kümmerten sich die anderen Minutemen um die Familien und die Überbleibsel der Raider. "Also, da Sie hier völlig fremd sind, würde ich Ihnen empfehlen erst einmal in der Siedlung Costal Cottage Rast zu machen. Mein guter Freund Lenny hat dort ne nette Kneipe und vermietet auch saubere und ruhige Zimmer. Und er hat Ahnung vom Commonwealth wie kein Zweiter. Vielleicht kann er Ihnen weiterhelfen. Falls Sie bei ihm einkehren wollen, grüßen Sie ihn schön vom alten Ramirez. Dann sollte er Ihnen die Zimmer zu einem Freundschaftspreis anbieten. Ist meine Art persönlich nochmal Danke zu sagen, Mr. Bell." zwinkerte der Sgt. leicht. Dann gab er sein Leuten Anweisung die Gruppe ohne weitere Umschweife ziehen zu lassen und verabschiedete sich anschließend.


    Eine ganze Zeit, nachdem Jeremiah und seine Leute das Tor passiert hatten, gesellte sich Gelehrter Darrington zu ihm. "Wir müssen unser Berichte aus dem Commonwealth wohl ziemlich aktualisieren. Wie es mir scheint, ist die Gegend hier auf dem Weg zu geordneten Verhältnissen. Wirst du den Rat dieses Ramirez annehmen ... Jerry?" Der Älteste bejahte die Frage seines Gelehrten. "Ja, es scheint mir sinnig, um an adäquate Informationen zu kommen. Außerdem, wenn ich ehrlich bin, hätte ich nichts gegen ein wenig zivilisatorische Annehmlichkeiten. Wie zum Beispiel ein vernünftiges Bett." sagte Jeremiah nachdenklich. Darrington schmunzelte leicht. Er konnte seinen Freund gut verstehen. Das letzte Mal, dass sie in Ruhe und ohne große Sorge in einem Bett schlafen konnten, war in ihrer Zuflucht im Lassen gewesen. Was mittlerweile ziemlich lange her war.

  • 417. Familienbekanntschaft

    Jeremiah saß im Zimmer der Unterkunft in der Siedlung Costal Cottage und lehnte sich nachdenklich auf seinem Stuhl zurück und starrte eine ganze Zeit auf die Holzdecke über ihm. Sie waren der Empfehlung von Sgt. Ramirez gefolgt und in die Kneipe "Zum besoffenen Mirelurk" eingekehrt. Der Älteste war eine ganze Zeit bei Lenny geblieben und hatte seinen Erzählungen gelauscht. Larry war in Costal Cottage so etwas wie der gute Geist. Er kümmerte sich besonders aufopferungsvoll um die Neuankömmlinge, die über die nördlichen Straßen in das Commonwealth kamen. Nach Ende des Gesprächs bekam er von Lenny eine kommentierte Karte des Commonwealths und einige weitere wohlgemeinte Ratschläge. Der Inhaber des "Besoffenen Mirelurks" hoffte, dass er damit dem vermeintlichen Jerry Bell und seiner Karawanengruppe weiterhalf.


    "Drake hier zu finden, wird sein wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen. Vor allem bei den ganzen Siedlungen und Menschen. Mit Sicherheit wird er sich irgendwo versteckt halten. Uff ... aber Lenny hat recht. Ich sollte meinen Leuten wirklich ein paar Tage Ruhe gönnen. Danach können wir gestärkt nach ihm suchen gehen ..." Der Älteste wurde in seinen Gedankengang durch ein Türklopfen unterbrochen. "Ja? Wer da?" fragt Jeremiah misstrauisch und entsicherte vorsichtshalber seine Laserwaffe. Er hielt sie schussbreit unter dem kleinen Tisch, an dem er im Augenblick saß. Er war allein auf dem Zimmer verblieben. Die anderen waren in der Siedlung unterwegs und erkundeten sie. Sie hofften auch eventuell irgendwelche Gerüchte über ihren vermissten Freund zu bekommen.


    "Ich bins ... Jerry, Leo. Darf ich eintreten?" Der Älteste schnaufte erleichtert. "Natürlich. Schon wieder aus der Siedlung zurück, mein Freund? Ich dachte, du würdest noch eine ganze Zeit brauchen?" fragte er Leo, der gerade eintrat. Der nickte. "Ich habe einige Gerüchte und Geschichten gehört, die wir bei der Suche von Drake berücksichtigen sollten. Aber ich denke, der gute Lenny wird dir auch bereits schon einiges zum Nachdenken gegeben haben, wenn ich dein Gesicht so sehe." stellte Leo fest, als er Jeremiah ins Gesicht sah. "Ein wenig? Mein Freund, dieser Lenny ist ein wandelndes Lexikon. Ziemlich selten für einen Ödländer. Allein in der ersten Stunde habe ich mein Notizblock vollgeschrieben ... nach dem Gespräch hat er mir eine Karte des Commonwealths mit seinen Siedlungen und sonstigen wichtigen Punkten gegeben. Was für unsere Suche enorm wichtig sein könnte." Er rollte dabei die Karte auf und zeigte sie Leo.


    Der Gelehrte runzelte überrascht die Stirn. "Ganz schön akkurat. Bereiche, die man meiden sollte bzw. nur mit besonderes starken Schutz betreten sollte, sind auch eingezeichnet." Leo Darrington besah sich die Karte sehr genau, dann weiteten sich seine Augen vor Überraschung. "Logan Airport. Gebiet der stählernen Bruderschaft. Nicht betreten. Hast du das schon gesehen?" Jeremiah nickte seufzend. "Ja. Leider. Lenny hat mich eindringlich davor gewarnt, den Weg dort unten mit ihnen zu kreuzen. Zwischen unseren Brüdern und ihnen scheint es schon zu unschönen Zusammenstößen gekommen zu sein. Einmal ist es wohl so weit eskaliert, dass sie Leute aus dieser Minutemengruppe zusammengeschlagen haben. Dann hat wohl der Anführer von ihnen interveniert und seitdem haben sie ein Abkommen miteinander ... aber wie du dir sicherlich vorstellen kannst, sind die Leute hier von der stählernen Bruderschaft nicht sehr angetan ... was uns hier unsere Sache garantiert nicht erleichtern wird ..." gab Jeremiah leicht niedergeschlagen zu und rieb sich dabei unter der Brille die müden Augen.


    "Dann war deine Intuition aber trotzdem richtig, zunächst unerkannt zu agieren. Unsere Brüder und Schwestern von der Westküste sind also immer noch den *kurzes bedrücktes Auflachen* den alten Benimmprinipien treu geblieben. Nun sieh es so, zu mindestens sind sie, was das betrifft berechenbar. Hast du schon eine erste Idee, wie wir jetzt, wo wir nun endlich im Commonwealth angekommen sind, weiter vorgehen?" fragt Leo Darrington neugierig. Auch wenn die jetzige Situation noch sehr unübersichtlich und schwierig zu sein schien, brannte er doch darauf das Commonwealth auf Gelehrtenart weiter kennenzulernen. "Die habe ich wohl. Wir brauchen erst einmal eine Bestandsaufnahme. Siehst du hier auf der Karte die Siedlung Country Crossing?" fragte Jeremiah ruhig und zeigte auf die Karte, die vor ihm auf dem Tisch lag. Der Gelehrte, der mittlerweile auch an dem kleinen Tisch Platz genommen hatte, schaute zu dem Punkt und nickte kurz.


    "Sehe ich. Sie ist schon relativ nahe an dem alten Airport gelegen." "Als erstes will ich zu dieser Siedlung reisen. Von dort müsste man gut beobachten können, mit welcher Stärke die Bruderschaft der Ostküste hier vor Ort ist. Wie ich schon auf dem Hinflug gesagt habe, es muss ein guter Grund sein, dass sie hier sind. Entweder eine wichtige Entdeckung oder eine große Gefahr. Es gibt zwar noch eine kleine Siedlung namens Nordhagen Beach, die näher dran liegt, aber hier gibt es nur wenig Flächen, wo man unbemerkt beobachten kann. Wir können uns im Moment keine negative Auffälligkeiten leisten. Als zweites ... vielleicht auch schon bevor wir abreisen ... wäre es gut, wenn wir zwei unserer Leute bei diesen Minutemen einschleusen können. Sie scheinen den Leuten hier Schutz und Sicherheit zu gewähren. Ich will mehr über sie erfahren ... Sie sind relativ stark hier im Norden vertreten, aber auch im restlichen Commonwealth gibt es etliche Stützpunkte bei oder in den Siedlungen. Vielleicht erhalten wir über sie Hinweise, wo sich unser Freund aufhalten könnte." erläuterte Jeremiah Leo seine derzeitigen Pläne. "Wen wolltest dafür einsetzen?" "Ich denke, Paladin Trian und Gelehrte Abby wären da eine gute Wahl. Sie haben beide das notwendige Fingerspitzengefühl und Ausbildung dafür. Außerdem sind es Drake geläufige Gesichter. Falls er aus dem Schutz eines Versteckes die Gegend ausspäht. Dann weiß er, dass wir hier sind und kann hoffentlich dementsprechend handeln."


    Das Gespräch ging noch einige Zeit weiter und In den nächsten zwei Tagen ruhte die Gruppe sich zum größten Teil aus. Am Morgen des dritten Tages zogen sie weiter Richtung mit allerlei neuen Informationen und Eindrücken im gedanklichen Gepäck. Gegen Abend des dritten Tages erreichten sie die gut befestigte Siedlung "The Slog". Wie auch andere Neuankömmlinge des Commonwealths war er von der Befestigung der Siedlung und des angrenzenden Stahlwerks beeindruckt. Auch lernten sie die Besonderheit dieser Siedlung sehr schnell kennen. Sie bemerkten sofort der hohe Anteile an Ghulen. Bereits bei den Minutemen in Costal Cottage war ihn der ein oder andere aufgefallen. Wie es schien, lebten Menschen und Ghule in verhältnismäßiger Eintracht im Commonwealth. In diesem Moment war Jeremiah besonders froh, dass sie ihre Meinung gegenüber nichtmenschlichen Lebewesen über die Jahre deutlich zum Positiven verändert hatten.


    Am nächsten Tag brachen sie weiter Richtung County Crossing auf. Nachdem sie einige Zeit unterwegs waren, erreichten sie kurz vor der Siedlung "Finchs Farm" eine Weggablung. Hier verabschiedete der Älteste Paladin Trian und Gelehrte Abby. Die Strecke schien ihm sicherer zu sein, als die bei Costal Cottage. Deshalb trennte sich hier erst die Gruppe auf. Die beiden würden versuchen, den Minutemen beizutreten und reisten daher nach Starlight. Durch die Karte von Lenny hatten sie erfahren, dass es wohl zwei Hauptrekrutierungsposten gab. Starlight war der nächstgelegene. Jeremiah schärfte ihnen bei der Verabschiedung nochmal ein, besonders umsichtig vorzugehen. Danach setzten die restliche Gruppe dem Weg weiter fort. Nach einem weiteren anstrengenden Marsch kam gegen späten Nachmittag ihr Ziel und vorläufige Endstation in Sicht.


    Gerade als sie durch das offene Tor von County Crossing treten wollten, kam ihnen eine Gruppe der Bruderschaft entgegen. Unverkennbar an den Ausstattung und den Insignien, die sie trugen. Einige von ihnen zogen Karren hinter sich her. Augenscheinlich mit Lebensmittel beladen. Die Mehrzahl von ihnen schaute finster. Jeremiah las aus ihren Gesichtern Missfallen und eine gewisse Verächtlichkeit. Achtlos, ohne den weiteren Weg vor sich zu achten gingen sie im schnellen Schritt vorwärts. Und zwar so schnell und unachtsam, dass der Vorderster und scheinbar Anführer der Gruppe, mît Jeremiah zusammenstieß, der nicht mehr ausweichen konnte.


    Einen Augenblick später fand der sich auf dem matschigen Lehmboden wieder. Vom Anführer der Gruppe kam keine Entschuldigung, sondern nur einige leise gezischte Worte. Auch wenn sie kaum hörbar waren, verstand sie der Älteste sofort. "Geschieht euch Drecksödländern recht. Genau dort unten gehört ihr hin. Am Boden vor uns liegend." Ohne zurückzublicken setzte die Gruppe den Weg fort und war bald aus dem Gesichtsfeld der anderen verschwunden.

  • 418. Verbotene Plätze

    Jeremiah schluckte die aufkommende brennende Wut sofort hinunter. Würde er ihr hier und jetzt nachgeben, konnte das ihre Mission im Commonwealth direkt zum Scheitern verurteilen. Er besann sich eines Besseren. Er machte sich gerade daran aufzustehen, als er eine ihm fremde, mit schwarzen Lederhandschuhen versehene Hand freundlich angeboten bekam. Eine weibliche, ziemlich rau klingende Stimme erklang. "Alles in Ordnungen bei Ihnen? Haben Sie sich etwas getan? *leichtes Seufzen* Diese verdammten Rüpel ... manchmal möchte ich ... *erneutes Seufzen* ... egal ... Kommt, ich helfe euch auf. Nicht das ihr von dem nassen Boden krank werdet." Jeremiah zog sich mit Hilfe der Fremden nach oben und schaute in ein mitgenommenes, aber trotzdem sehr empathisch wirkendes Gesicht eines Ghuls.


    Sie war nach Art der Minutemen in einer blauen Uniform gekleidet und lächelte. Über dem rechten Auge trug sie eine schwarze Augenklappe. Auf dem kahlwirkenden Kopf saß ein schwarz-blaues Barett. In dem Moment als Jeremiah ihr ins Gesicht schaute, schossen ihm für den Bruchteil einer Sekunde mehrere Gedanken durch den Kopf. "Noch vor einigen Jahren hätte ich vollkommenen Ekel und Ablehnung gegenüber diesem Ghul empfunden. Gut, dass das mittlerweile anders ist. Heute habe sie in den meisten Fällen mein Mitgefühl. Mein Gegenüber zeigt mir gerade mehr Empathie als die, die wir unsere Brüder nennen." seufzte er innerlich. "Vielen Dank. Sehr nett von ihnen, Miss." bedankte er sich freundlich. "Oh, gerne. Ihr seid ausgesprochen höflich, Fremder. Und ich bin positiv davon überrascht, dass Sie auf mich nicht abwertend reagiert haben, Mister. Die meisten Neulinge von außerhalb des Commonwealth sind nicht so ... unvoreingenommen. Das wird unser Umgang miteinander um einiges einfacher gestalten." Der weibliche Ghul klang ernst, aber lächelte erneut.


    "Wir sind bemüht gegenüber Ghulen und anderen respektvoll und unvoreingenommen zu sein. Auf unseren langen Reisen hat sich das im Normalfall äußerst bewährt. Ich bin übrigens Jerry Bell, Karawanenführer. Tatsächlich von außerhalb des Commonwealth. Zurzeit allerdings ohne passende Ausstattung. Raider." erwiderte Jeremiah und seufzte erneut dabei auf. "Wer waren eigentlich diese groben Klötze? Irgendwelche Söldner?" tat der Älteste unwissend. "Angenehm. Ltd. Sutton, befehlshabender Minutemen im schönen County Crossing *kurzes raues Lachen* Grobe Klötze. Diese Bezeichnung passt sehr gut, Mr. Bell. Tja, aber was soll ich sagen ... wir sind Verbündete. Auch wenn sie uns eher als Klotz am Bein empfinden. Aber im Moment sind sie bei ihren Unternehmungen auf uns angewiesen. Es sind Leute von der stählernen Bruderschaft. Zwar gibt es auch einige von ihnen, die in Ordnung sind ... aber nun ja, viele von ihnen ... sind Ödländern gegenüber ziemlich grob. Leider." klärte Lt. Sutton auf und ergänzte kopfschüttelnd.


    "Bei uns Ghulen sind sie noch schwieriger. Aber das sollte Sie nicht belasten. Wir haben eine Vereinbarung mit ihnen und ich bin angehalten bei erneut anhaltenden Schwierigkeiten Meldung an unsere Anführer zu machen. Und das Risiko werden sie aufgrund ihres Ältesten nicht eingehen. In letzter Zeit hat ihre "Höflichkeit" doch arg nachgelassen." Jeremiah bemerkte, dass Ltd. Sutton trotz der ruhigen Erzählung doch angespannte wirkte. Sie versteckte es nur sehr gut. Da er aber als zunächst Gelehrter und dann als höchster Ältester mit vielen unterschiedlichen Personen zu tun gehabt hatte, konnte er solche Dinge gut erkennen. "Verstehe. Keine leichte Situation für Sie. Dürfte ich Ihnen als unbedarften Commonwealthneuling die ein oder andere Frage stellen. Als wir uns auf die Siedlung zubewegten, haben wir ein eigentümliches Brummen vernommen. Je nachdem, wie der Wind stand, mal mehr, mal weniger hörbar. Wissen Sie, was das ist?" fragte Jeremiah Ltd. Sutton ehrlich interessiert.


    Die letzten Tage waren ziemlich diesig durch den kräftigen Wind gewesen. Der wirbelte den staubigen und teils toten Boden des Commonwealth ständig hoch, so dass man auf die Entfernung kaum den Himmel vom Erdboden unterscheiden konnte. Manches Mal war der Staubsturm so intensiv gewesen, dass man Mund und Nase zusätzlich schützen musste. Seine Frage sollte dazu führen, dass Ältester Bardeen schneller Informationen über die stählerne Bruderschaft der Ostküste bekam, als er dachte. Ltd. Sutton kniff mit einem Mal das gesunde Auge zu einem Schlitz zusammen und sie klang noch ernster als vorher. "Ja. Ich weiß sehr genau, was dieses Geräusch verursacht. Ich werde es Ihnen sogar zeigen. Weil Sie mir ausgesprochen sympathisch sind und wissen sollen, warum Sie auf alle Fälle das Gebiet der Bruderschaft meiden sollten. Sind Sie einmal dort versehentlich eingedrungen, können die mit Ihnen machen, was sie wollen. Auch wenn wir Ihnen dort helfen wollen würden *leises Seufzen* uns wären die Hände gebunden. Unsere Beziehung zueinander sind im Moment sehr angespannt ..." sagte Sutton ernst und beendete diesen Satz zunächst nicht und ging dann ein Stück vor und winkte den vermeintlichen Jerry Bell heran.


    Jeremiah sah mit einem besorgt wirkenden Gesicht erst den Minutemenltd. und dann seine eigenen Leute an. Gelehrter Darrington nickte ihm langsam zu und gab ihm damit zu verstehen, dass die Gruppe ihr vertraute. "Vielleicht ist das gerade die beste Möglichkeit endlich mehr über unsere Ostküstenbrüder zu erfahren. Ohne viel Aufsehen zu erregen." dachte der Älteste bei sich erleichtert und packte die Möglichkeit beim Schopf. "Ihre Leute brauchen sich keine Sorgen machen, Mr. Bell. Es ist nicht weit. Wir gehen zur Brücke, die sich hinter der alten Energiespeicheranlage befindet." Sie zeigt dabei auf zwei zerstörte, kugelförmige Gebäude. Nach etwa vier Minuten erreichten sie den Punkt, den Ltd. Sutton aufsuchen wollte. Sutton ging in der letzten Zeit häufiger so vor, wie sie es jetzt wie bei Jerry Bell tat. Mit einigen Neuankömmlingen, die zu neugierig gewesen waren, entwickelten sich sehr unschöne Situationen mit der Bruderschaft. Dem wollte Sutton als verantwortlicher Minutemen vor Ort vorbeugen. Noch mehr Hass gegeneinander tat beiden Parteien und dem Commonwealth nicht gut.


    Das Geräusch schwoll langsam an und schien von irgendwo oben zu kommen. Für einen kurzen Moment ließ der Wind und Staub nach und Sutton deutete mit dem Kopf nach oben. Jerry Bell schaute dort hin und für einen ganzen Moment verschlug es ihm die Sprache und seine Gesicht verzog sich zu einem fragenden und in Teilen ziemlich besorgten. Dann fand er die Sprache wieder und flüsterte beinahe. "Was zur Hölle ist das? So etwas habe ich noch nicht gesehen." Anschließend schaute er nach unten und konnte durch einige zerstörte Ruinen in der Ferne einige bruderschaftstypische Barrikaden, die dazu auch noch bemannt waren, sehen. Er war ehrlich verblüfft und für einen kurzen Moment sogar verunsichert. "Das ist die Prydwen. Das Luftschiff der stählernen Bruderschaft und so etwas wie ihr fliegende Kommandozentrale. Sie ist es, die das Geräuschspektakel verursacht. Am Boden des alten Flughafens haben sie eine Menge von Leuten stationiert. Viele von ihnen in Powerrüstungen. Verstehen Sie jetzt, Mr. Bell?" Der nickte immer noch irritiert und die nächste Frage verließ fast beiläufig seinen Mund. "Ist diese Bruderschaft mit jemandem im Krieg? Diese Bewaffnung spricht beinahe dafür."


    Sutton schwieg einen kurzen Moment, bevor sie auf diese Frage antwortete. "Ich würde es eher als am Rande eines Krieges bezeichnen. Haben Sie schon einmal etwas von dem Institut gehört, Mr. Bell?" "Nur sehr wenig. Lenny aus der Siedlung Coastal Cottage hatten den Namen genannt und einige Andeutungen dazu gemacht. Aber richtig konkret ist er dabei nicht geworden ... mir schien es, als hätte er beinahe Angst gehabt darüber zu reden." antwortete der Älteste ehrlich. "Der gute Lenny ... *kurzes raues Lachen* ... ja viele haben im Commonwealth Angst vor dem Institut. Und zurecht. Sie entführen Leute und tauschen sie gegen menschensecht wirkende künstliche Wesen aus. Den sogenannten Synths. Teilweise haben sie auch schon ganze Siedlungen dem Erdboden gleichgemacht und vor gar nicht allzu langer Zeit sogar eine unserer Hauptsiedlungen angegriffen. Wir konnten sie zwar zurückschlagen, aber niemand weiß, ob sie es wieder tun und vor allem warum sie es tun. Die stählernen Bruderschaft scheint ein spezielles Problem mit dem Institut zu haben. Sie machen Jagd auf sie, versuchen sie zu finden und wollen letztendlich wohl auch ... sie und ihre Technik zerstören." klärte Sutton den vermeintlichen Karawanenführer auf. Der leichte Unterton dabei entging ihm dabei nicht. Ltd. Sutton schien nicht ganz vom Ansinnen der Bruderschaft überzeugt zu sein. Das Bündnis zwischen Bruderschaft und den Minutemen schien ihm nicht ganz auf Überzeugung zu fußen. In diesem Moment war er froh, dass Paladin Trian und Gelehrte Abby versuchten sich den Minutemen anzuschließen. Mehr Informationen bedeuteten für ihn bessere Plangsmöglichkeiten bei der Suche.


    "Danke für die eindrückliche und dennoch höflich Warnung, Ltd. Sutton. Ich werde mit meinen Leuten ein großen Bogen um diese Gebiet machen." sagte Jerry Bell ehrlich dankbar. Der kurze Moment hatte ihm gereicht, um zu verstehen, dass die Lage vor Ort bald sehr heiß werden konnte. Es war mehr als eindeutig, dass sie die stählerne Bruderschaft der Ostküste tatsächlich auf dem Kriegspfad befand. Die Bedrohung musst ziemlich groß sein, wenn sie diese Art von Geschützen auffuhren. Eine Aussage von Ltd. Sutton irritierte den Ältesten. Der Kodex der Bruderschaft besagte eindeutig, dass Wissen konserviert und geschützt werden sollte und gefährliche besonders verschlossen werden sollte. Aber zerstören? Jeremiah fragte sich in dem Moment, was den Ältesten der Bruderschaft der Ostküste zu dieser Entscheidung bewogen hatte. Noch eine weitere Sache, die er versuchen würde herauszufinden. "Mein lieber Freund, du hast dir aber wieder eine "tolle" *kurzes innerliches sarkastisches Auflachen* Gegend ausgesucht ... wir sollten zusehen, dass wir dich finden, bevor hier die Hölle losbricht." dachte er bei sich. Die Suche hatte für Jeremiah Priorität. Deswegen war er schließlich in das Commonwealth gekommen.


    Nachdenklich ging er zusammen mit dem Ltd. zu seinen Leuten zurück, die bereits mit fragenden Gesichtern auf ihn warteten. "Wir werden für heute Rast in der Siedlung machen und morgen weiterreisen. Ich werde euch bei einem Bier alles weiter erläutern." informierte er seine Leute kurz und knapp. Bei dieser Ansage wussten sie, dass es einiges zu berichten gab. Der Ltd. verabschiedete sich von der Gruppe und Jerry Bell suchte in County Crossing ein Übernachtungsquartier auf.

  • 419. Schatten der Schlange I

    Während Ältester Bardeen sich zur Rast mit seinen Leuten in ihrer Tarnung in der Siedlung County Crossing zurückzog, befand sich Blue bereits wieder im Institut. Gestern hatten er und die Minutemen noch die Toten aus Vault 111 nicht weit vom Vaulteingang beigesetzt. Der Bereich würde langfristig zu einen vernünftigen Friedhof und Erinnerungsstätte ausbaut werden. Auch die Frau von Francis, Nora fand dort ihre endgültige Ruhe und Francis stand lange an ihrem Grab. Er schien lange mit ihr eine leise Zwiesprache halten. Blue hielt Abstand, aber blieb in der Nähe, falls Francis doch Beistand wollte. Erst als er und Francis ein abschließendes Gespräch hatte, verließ Blue die Oberfläche des Commonwealth Richtung Institut. Dort angekommen wanderte er routineartig durch die Abteilungen des Instituts und beschäftigte sich dort. Im Inneren dachte er intensiv über die verbrachte Zeit im Institut nach.


    Immer mehr machte sich dabei das Gefühl von Verunsicherung breit und eine nicht zu erklärende Unruhe stieg langsam auf. Unterbewusst schien ihn seine Intuition darauf hinzuweisen, dass es ihm nicht gelingen würde, das Institut davon zu überzeugen konnte, ein Bündnis auf Gegenseitigkeit einzugehen. Die Sichtweisen der beiden starken Fraktionen des Commonwealths waren dafür zu entgegengesetzt und beiden hatten nur so viel Interesse an den Commonwealthbewohner, wie es sie selbst weiterbrachte. Egal, wie man es zum jetzigen Zeitpunkt drehte und wendete, es war vorauszusehen, dass das Commonwealth seine Eigenständigkeit verlieren und von dem Wohlwollen einer der beiden Mächte abhängig sein würde. Wie dieses sogenannte Wohlwollen aussah, wusste Blue bereits im Vorhinein sehr genau. Aber sich gegen beide Mächte zu stellen, würde auf Ähnliches hinauslaufen. Verzweiflung, Not und Tod wären das, was bei allen drei Möglichkeiten für die Bewohner des Commonwealths am Ende stand. Er wusste, dass er sich bald rasch entscheiden musste.


    Bevor ihm das Schicksal oder andere zuvorkamen und Dinge anstießen, auf die er nicht mehr mildernd einwirken konnte. Um die Mittagszeit nahm er nachdenklich sein Essen in der Hauptkantine des Instituts zu sich. Er wog alle Informationen, die er nun erhalten hatte, miteinander ab. Er würde für sich noch heute eine endgültige Entscheidung treffen. Die Entscheidung, die er hier traf, würde sich maßgeblich auf seine Freunde und die Bewohner wirken. Aber diesen einen Tag wollte er noch mit Nachdenken und Abwägen verbringen. Schweren Herzens setzte er sich dieses Ultimatum. "Du wusstest, dass der Tag der Entscheidung kommen würdest ... Auch, wenn du gehofft hatte, dass ... *inneres betrübtes Seufzen* ... es wird nicht besser, wenn ich es noch weiter hinauszögere. Die übrigbleibenden Optionen werden im Moment auch schlechter ... werde nach dem Essen noch ein wenig herumwandern ... vielleicht habe ich doch noch eine Möglichkeit übersehen ... " brummte er resigniert in sich hinein.


    Während Blue beim Essen saß und hoffte, dass ihm noch etwas einfiel, wurde er von bestimmten Stellen des Instituts seit seinem Eintreffen sehr genau beobachtet. Vater studierte gerade die aktuelle Aufnahme der Überwachungskamera, auf der er Blue sah. Das Treffen an der Oberfläche hinterließ auch einige Spuren bei Vater. Auch wenn er nach wie vor für die Oberflächenbewohner inklusive seines genetischen Erzeugers nicht viel überhatte, überraschte es ihn zu sehen, was sich auf dem Dach des ehemaligen C.I.T ereignete, als er seinen genetischen Vater und Blue im Institut über die als Vögel getarnten synthetischen Dronen betrachtete. Der Institutsdirektor verfolgte mit, wie Francis Blue beinahe erschoss. Anstatt das Blue ihn dafür töte, wie es Shauns Erfahrungen nach an der Oberfläche sonst normal war, versuchte dieser seinen Erzeuger zu Vernunft zu bringen und schaffte es sogar noch.


    Das irritierte den, als Shaun geborenen Institutsdirektor. Darüber nachsinnend begann er seine Pläne für das Commonwealth und im Besonderen die Mitwirkung von Blue zu überdenken. "Warum hat er ihn nicht einfach aus dem Weg geschafft? Für seine eigenen Planungen müsste dieser Mensch eine unberechenbare Variable darstellen *kurzes unverständliches Murren* Ein Ärgernis. Wenn Blue den Menschen des Commonwealths weiterhin so verbunden bleibt, werden einige Projekte des Instituts schwierig durchzuführen sein. Eigentlich dachte ich, der Aufenthalt im Institut hätte ihm mittlerweile die Augen geöffnet. Vielleicht waren Dr. Ayos Begründungen gar nicht so abwegig ... Aber ... Nein! ... Durch seinen unglücklichen Angriff auf diese Siedlung namens Sanctuary trägt er eine weitere Ursache mit für das zögerliche Verhalten. Ich sollte mich weiter in Geduld üben ... * Seufzen* nur läuft mir langsam meine Lebenszeit davon." dachte Vater in Gedanken. Er fasste sich mit einem Mal an die Stirn.


    Für einen Moment war es vor lauter Schmerz verzerrt. Er wurde aschfahl und sein gesamter Körper zitterte. Zweimal atmete er tief ein und aus. Danach hatte er sich wieder in der Gewalt und sein äußerlicher Zustand normalisierte sich wieder. "In der Tat. Die Schwächeanfälle werden intensiver und die Abstände kürzer. So wie es der normale Verlauf ist. Dann wird es für mich Zeit, mich für einen meiner Kandidaten festzulegen. Der nächste Institutsdirektor muss gut bedacht werden. Bald wird es zu einigen weitreichenden Änderungen kommen. Ich hoffe, dass ich es noch miterleben kann, wenn der langjährige Testreaktor endlich in einen vollwertigen umgewandelt werden kann. Dann steht dem Institut nichts mehr im Weg der Menschheit einen neuen Weg aufzuzeigen. Durch das Ende der Energieknappheit stehen wieder alle Türen der Forschung offen." Vater lächelte kurz zufrieden und setzte sich wieder an seinen Tisch. Er betrachtete dabei die Berichte der unterschiedlichen Abteilungen.


    "Gerade Allie Filmore und ihre Abteilung hat dem Institut in letzter Zeit überragende Dienste geleistet. Ohne ihren unermüdlichen Einsatz wären die anderen Abteilungen mit ihren Projekten nicht weitergekommen. Deshalb ist auch sie in meine nähere Auswahl gerückt. Dr. Holdren wäre auch ein hervorragende Wahl. Die Ergebnisse in seinem Bereich werden einer erfolgreichen Wiederbesiedlung und Nahrungsversorgung an der Oberfläche sehr positiv beeinflussen ... bei Dr. Madison Li schwanke ich noch sehr. Ihre gemeinsame Vergangenheit mit der *abfälliges Geräusch* stählernen Bruderschaft könnte ihr wissenschaftliche Beurteilungsvermögen betreffend des Instituts negativ beeinflussen ... Dr. Binet steht aufgrund seiner unkonventionellen Sichtweise auf unsere Synthdiener nicht zu Debatte. Genauso wie Dr. Ayo, der mir in vielen Dingen zu wenig Weitsicht zeigt. Auch wenn er seine Abteilung hervorragend führt und seine Arbeit sehr ernst nimmt ... Dann wäre da noch. .." Während Shaun in den Überlegungen zu seiner Nachfolge versankt, betrat Dr. Ayo das Quartier des Institutsdirektor.


    Dr. Ayos Mundwinkel zeigte für den Bruchteil einer Sekunde ein grausames Lächeln, dann verschwand es wieder. Er trat seitlich an den Schreibtisch des Institutsdirektor heran. "Shaun? Mein Sicherheitsalarm betreffend Ihres Gesundheitszustandes hat gerade eine kurze Meldung herausgegeben. Geht es Ihnen wieder besser? Sofern man bei Ihrer Erkrankung von einer tatsächlichen Besserung sprechen kann." Dr. Ayo klang besorgt, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. Etwas Lauerndes und Hinterlistiges lag darin. Shaun schaut Dr. Justin Ayo kurz fragend an, grinste tatsächlich einen Moment lang und schüttelte den Kopf.


    "Ich wollte Sie gerade fragen, warum Sie schon Kenntnis davon haben. Aber ich sollte den überaus engagierte Leiter des SRBs mit so einer Frage nicht vor den Kopf stoßen. Sie sind für die Sicherheit aller unserer Leute im Institut zuständig. Das Sie auch von so etwas Kenntnis haben, zeigt nur die Ernsthaftigkeit mit der Sie das Institut unterstützen." Shaun lehnte sich dabei zurück und betrachtet Dr. Ayo nachdenklich. "Wie alle anderen im Institut auch. Aber Sie sehen aus, als würden Sie weitere Sorgen plagen?" sagte Justin Ayo mit gespielter Zurückhaltung. Ayos eigene Gedanken waren niederträchtig und boshaft. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, welche das wohl gerade sind ... aber sehr bald werden Sie noch ganze andere Sorgen haben."

  • 420. Schatten der Schlange II

    Vater antwortete Dr. Ayo mit deutlicher Frustration in der Stimme. "Ich bin mit der derzeitigen Entwicklung unseres Neuzugangs unzufrieden. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass es nur einige wenige Tage benötigt ihn von uns zu überzeugen. Gerade er, der dort oben den größten Teil seines Lebens nur Ablehnung erfahren haben dürfte, müsste für diese Möglichkeit doch mehr als dankbar sein. Stattdessen hält er immer noch zu diesen *abfälliges Geräusch* Oberflächenbewohnern. Mit einer von meiner Seite nicht zu verstehenden Geduld und Empathie für diese Barbaren. Ich befürchte fast, dass wir ihn nicht bei uns halten können. Was für unsere weiteren Planungen ein herber Verlust wäre ..."


    Plötzlich fuhr er Dr. Ayo wütend an und schlug sogar mit der Faust auf den Tisch. "Erst die Sache mit Kellogg und dann Ihren mehr als überflüssigen Angriff auf die Hauptsiedlung. Ohne diese Ereignisse hätten wir leichteres Spiel mit der Oberfläche und neue Informationen über bestimmten Arten der Kriegsführung gehabt. Was auch Ihrem Bereich zugutegekommen wäre, aber nein *verstimmtes Seufzen* ... " Der Institutsdirektor hatte sich mittlerweile wieder aufgesetzt und den Kopf Richtung seines Schreibtisch gedreht und fuhr gereizt fort. Er konnte Dr. Ayo bis heute seine eigensinnige Handlungsweise nicht verzeihen. Deshalb machte er seiner Frustration in dieser Sache erneut Luft.


    Während Shaun von Dr. Ayo wegschaute, sah dieser ihn mit hasserfüllten und stechenden Augen an. Dann ballte er seine Hände und hob für einen Moment die rechte Hand an. Für einen Wimpernschlag sah man kurz eine sehr dünne und silbrige Spitze glänzen. Dann steckte seitlich in Shauns Hals eine Art Miniaturbetäubungspfeil mit einem Flüssigkeitsträger. Innerhalb kürzester Zeit entleerte dieser seine unbekannte Fracht in den Blutkreislaufs des Institutsdirektors und löste sich danach ohne Rückstände auf. Nur ein kleiner roter Punkt am Hals deutete auf diesen heimtückischen Angriff hin. Vater griff sich mit einer Hand anbetreffenden Stelle und stütze sich mit der anderen auf dem Schreibtisch ab. Ihm verließen langsam die Kräfte. Wie in Zeitlupe sank er auf den Boden. Dabei schaute er überrascht Dr. Ayo an.


    Seine Lippen bewegten sich auf und ab, aber kein hörbares Wort verließ seinen Mund. Einen Moment später lag er am Boden, angelehnt an seinem Schreibtisch. Der Atem ging schwer und Shauns Augen wiesen einen merkwürdigen Ausdruck auf. Auch schien er sich nicht wirklich bewegen zu können. Justin Ayo ging in die Hocke und grinste teuflisch. "Wie fühlt es sich an hilflos am Boden zu liegen. Bestimmt eine neue Erfahrung für Sie ... Direktor?" spottet der Leiter des SRB. Kaum hörbar flüsterte Shaun. Angst stand in seinen Augen. "Was haben Sie vor, Dr. Ayo? Wollen Sie mich umbringen? Sie werden damit nicht davon kommen ... man wird feststellen ... " Ayo legte den Finger auf den Mund von Shaun.


    "Sssht. Direktor? Wofür halten Sie mich. Für einen ordinären Mörder? Ich weiß ja, dass Sie mich nicht schätzen und mich dementsprechend behandeln. Aber soetwas liegt mir fern. Dafür sind meine Runner zuständig. Das wird Ihre unheilbare Krankheit für mich erledigen. Ich weiß, dass Sie wahrscheinlich nur noch vier Wochen haben." sprach er ungewöhnlich ruhig und fast so leise wie der Institutsdirektor. Er schüttelte den Kopf. "Wissen Sie, ich ergreife nur eine Möglichkeit, die den Ayos schon längst zugestanden hätte. Den Posten des Institutsdirektor. Wir haben dem Institut über so viele Generationen treu gedient und als es damals so weit war, hat Ihr gefühlsdusselige Vorgänger Ihnen die Institutsleitung übertragen. Weil Sie ja ach so viel für das Institut getan haben. Ja, es ist nicht abzustreiten, dass Ihre Gene waren, die die Gen 3 Synths zuletzt ermöglichten. Ihre anderen Leistungen waren nicht mit denen zu vergleichen, die meine Familie geleistet hat." zischte Dr. Ayo nun deutlich gereizt, aber immer noch gedämpft.


    Shaun schaute Ayo fragend an und krächzte leise. "Wenn Sie mich aus dem Weg schaffen, werden andere den Platz einnehmen, aber nicht Sie Dr. Ayo. Sie sind zu unbeherrscht für Posten. Außerdem werden Ihnen die anderen Abteilungen nicht folgen und aufbegehren, wenn Sie sich an die Macht putschen. Selbst wenn Sie es schaffen sollten, die Befehlsgewalt über die Runner zu behalten, wird es zu einer Revolte gegen Sie kommen. Das Institut wäre damit geschwächt. Was bei der derzeitigen Lage an der Oberfläche der Todesstoß für das Institut bedeuten könnte ..." Dr. Ayo schüttelte den Kopf. "Shaun, halten Sie mich für so fahrlässig und dumm? Ich bin mir dieser Dinge mehr als bewusst und plane nicht erst seit gestern. Sie werden mir dabei helfen." Shaun machte große Augen und lachte hustend. "Niemals. Freiwillig werde Ihnen niemals die Institutsleitung übertragen ..."


    Dr. Ayos Augen verengte sich zu Schlitzen und lächelte wieder finster. "Das werden Sie. Ob Sie es wollen oder nicht. Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Das Medikament, das jetzt in Ihrem Blut zirkuliert wird Sie meinem Willen unterwerfen." Er schaute dabei auf seine Uhr am Handgelenk. "Es ist eine Abwandlung des Mittels, was wir den Subjekten aus dem Commonwealth spritzen, die dann gegen unserer Synths ausgetauscht werden. So erhalten wir alle notwendigen Informationen. Es sollte auch gleich so weit sein." sagte Dr. Ayo unüberhörbar selbstzufrieden. Der Institutsdirektor sagte darauf nichts mehr. Der Leiter des SRB hatte recht. Er würde keine Möglichkeit haben, sich dagegen willentlich zu Wehr zusetzten. Dafür war es zu stark und in seinem körperlich geschwächten Zustand war dem noch weniger entgegen zu setzten.


    Niemals hätte er damit gerechnet, dass ein Institutsmitglied, das gegen anderes Mitglied einsetzten würde. Er hatte Justin Ayo bei Weitem unterschätzt. Diese Erkenntnis erreicht ihn kurz bevor das Mittel sein volle Wirkung entfaltete. "Und übrigens Shaun, entschuldigen Sie die persönliche Ansprache. Obwohl ... eigentlich nicht. Egal, wie sich unser Neuzugang entscheidet, er wird dem Institut dienen. Auf die ein oder andere Art." Die Augen des Leiters des SRB leuchteten voller Vorfreude. "Ich werde Ihnen nun meine ersten Anweisungen mitteilen. Sollte Blue hier auftauchen und Ihnen mitteilen, dass er nicht dem Institut beitreten will, bringen Sie ihm Verständnis entgegen. Verabschieden Sie ihn höflich. Vielleicht sogar mit einem kleinen Geschenk. Lassen Sie ihm trotzdem die Möglichkeit offen, dass er zurückkehren kann. Natürlich sperren wir aus Sicherheitsgründen den Teleporter für ihn. Wiegen Sie ihn in Sicherheit. Desto einfacher wird es nachher, wenn wir beginnen meinen Plan fürs Commonwealth auszuführen. Sollte er bleiben wollen, umso besser." Shaun hörte zu und nickte.


    Sein Augen waren starr und die Pupillen waren so weit geweitet, dass seine Iris fast schwarz war. Er befand sich nun in der Hand von Dr. Justin Ayo. Der brachte damit seine langen gereiften Pläne zur Ausführung und griff von allen unbemerkt nach dem Posten des Institutsdirektors. Shaun war dazu verdammt die letzten Wochen seines Lebens als fast willenslose Marionette dem Leiter des SRB zu Diensten zu sein. Auch wenn er wusste, dass es aussichtslos war, setzte sich der letzte Rest seines eigenen Willens zu Wehr. In der Hoffnung für einen kurzen Moment bestimmte Leute im Institut vor Justin Ayos Machenschaften warnen zu können.

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