[Spoiler] Die Fallout Chroniken: Buch I: Ein seltsamer Wanderer - Alternative F4 Geschichte

  • xSaint96 wie IronieM3N schon sagte größer ja. Ich habe aber noch etwas größer als den "durchschnittlichen" Rad-Skorpion beschrieben, da sich dieses Lebewesen schon lange im strahlenden Meer aufhält und durch seine Jadg immer mehr mutagenes Material in sich angehäuft hat ---> was sich bei diesem Spinnentier in einem abnormen Größenwachstum niedergeschlagen hat.


    IronieM3N ---> Die Happenbemerkung ist wirklich witzig. :D


  • IronieM3N Da kann ich dir nur beipflichten. :thumbup:


    440. Einmal Hölle und zurück VIII.

    Vorsichtig betrat Blue die kleine vordere Höhle vor Virgils eigentlicher Zuflucht und rief nach ihm. Er sollte Bescheid wissen, dass er einen Gast bekam. Virgil stand an einem seiner Tisch und begutachtete Blue nachdenklich. Dann sprach er zögerlich. "Du warst lange fort ... ich dachte sogar schon, dass du nicht mehr wiederkommst ... ich dich sogar in den Tod geschickt haben könnte ... nun bist du hier. Das ist ... gut. Und du siehst nicht aus, als würdest du einen Groll gegen mich hegen." Virgil atmete kurz schnaufend aus. "Hast du es geschafft? Warst du ... im Institut?" Virgils fragender und gleichzeitig hoffender Blick durchbohrte Blue beinahe. Dieser nickte und fingerte dabei in seinem Seitenbeutel herum. Virgil beobachtete ihn.


    Es fiel ihm auf, dass Blue an einem seiner Beine einen Verband trug. Anschließend zog der blaue Mutant etwas aus diesem Beutel heraus. Virgil erkannte es sofort. "Du hast es dabei? Du konntest es wirklich ... bergen?" Seine Stimme bebte vor Aufregung und gleichzeitiger Erleichterung. Blue reichte ihm das, was er für Virgil aus dessen ehemaligen Labor geborgen hatte. Zitternd und mit einem äußerst behutsam Griff nahm Virgil das Serum an sich und setzte sich auf eine Art selbstgefertigten Stuhl. Eine ganze Zeit starte er das, in seinen Händen, klein wirkende Päckchen an. Anschließend sah er zu Blue auf, der ihn ruhig betrachtete und dabei leicht lächelte. "Wie war es ... im Institut? Möchtest du es mir vielleicht erzählen ... was dir dort widerfahren ist?" fragte Virgil mit leiser brummiger Stimme. Seine Stimmlage klang so, als würde er um sein altes Zuhause trauern.


    Trotz dessen, dass Virgil gewisse Taten des Instituts nicht mehr billigen konnte und wollte. Und irgendwo tief in seinem eigenen Inneren konnte Blue es nachvollziehen. Er nickte Virgil zu und begann zu schildern, wie es dank der Hilfe des ehemaligen Institutsmitglieds die Reise dorthin abgelaufen war. Es wurde ein langes und ausführliches Gespräch. Virgil lauschte aufmerksam und mit ungeheurem Interesse. Hin und wieder kommentierte er einige Erlebnisse von Blue und erläuterte bestimmte Abläufe noch tiefergehend. Als Blue Virgil seine Erfahrungen mit dem Institut mitgeteilte hatte, starrte dieser eine geraume Zeit auf die gegenüberliegende Wand. Dann seufzte er und einen Moment später erklang eine kurzes bitteres Lachen. "Wenn ich so über deine Erfahrung mit dem Institut nachdenke ... tja ... dann hast du ihnen aus ähnlichen Gründen wieder den Rücken gekehrt, wie ich. Auch wenn sie dort unten einige sehr nützlich Sachen entwickeln, tun sie es nur für sich."


    Virgil schüttelt den Kopf. "Seitdem ich an der Oberfläche bin ... habe ich einiges erlebt ... kennengelernt, was meine Ansichten von früher komplett ... wie war dieses Wort noch? ... revidiert hat ... es ist wirklich nicht der richtige Weg, den sie gehen. Aber ich habe auch das Gefühl, dass sie sich nicht damit auseinandersetzten wollen ... vielleicht aus Angst ... es ist so ... unbefriedigend." brummte Virgil besorgt. "Kannst du nachvollziehen, was ich meine, mein blauer ... Freund?" Virgil schaute Blue deprimiert an. "Ich denke schon. Einige von ihnen habe ich auch schon ins Herz geschlossen. Ich selbst stehe im Moment vor einem ähnlichem Dilemma. Zwischen Institut, stählernen Bruderschaft und dem Commonwealth bzw. den Minutemen" seufzte Blue und erzählte Virgil den Teil, dem er ihn anvertrauen konnte.


    Die Dinge um den Beryllium Agitator und gewisse Planung behielt Blue sich vor. Virgil schüttelte betrübte den Kopf über Blues Schilderungen. "Das ist eine wirklich missliche Situation. Ich muss persönlich gestehen, dass ich die Ansichten der stählernen Bruderschaft nicht besonders schätzte ... aber aus ihrer Sicht der Dinge können sie nicht anders. Zwei Gruppen, die sich der sogenannten "Rettung" der Menschlichkeit bzw. der Menschheit verschrieben haben und trotzdem gehen sie wieder ein ähnlichen dunklen Weg wie unsere Vorfahren vor dem Krieg. Das ist ... bedauerlich." merkte Virgil resigniert an und schaute dabei auf dem Boden. Plötzlich richtete er seine Augen wieder auf Blue. "Du erwähntest ein Holoband. Mit einigen wenigen Worten von Shaun. Dürfte ich es ... hören?" Blue öffnete kurz das Fach an seinem Pipboy und gab es Virgil. "Ich hatte gehofft, dass du es hören möchtest. Mir bereitet es Kopfschmerzen. Ich werde aus ... Vater nicht schlau."


    Virgil legte das Band in eine selbstgebaute Abspielvorrichtung ein und hört es sich an. Dann wieder und wieder. Etwa zehnmal ließ er es ablaufen. Sein Gesicht schwankte zwischen Besorgnis und Wut. Als er fertig war, gab er das Holoband zurück. An Virgils Gesicht konnte Blue sehen, dass der schwer über etwas nachdachte. "Das kann er ... nicht getan haben ... das würde bedeuten ... und doch ..." Virgil führte eine Art Selbstgespräch. Dann seufzte er erneut. Blue schaute ihn fragend an. "Shaun klingt so anders, als wäre er schwer krank. Wenn ich deinen Bericht über Vaters Aussehen miteinbeziehe ... des Weiteren glaube ich, dass Shaun unter dem Einfluss des Mittels steht, dass man im Institut dazu nutzt, die Bewohner des Commonwealths gefügig zu machen, wenn man sie aufgrund von ... Forschungszwecken nach unten holt. Irgendetwas scheint Dr. Ayo damit zu tun zu haben ..."


    Blue bemerkte, wie Virgil den Name aussprach. In seiner Stimme klang in dem Moment Furcht mit. "Aber warum? Was hat ...?" Mit einem Mal hielt Virgil inne und seine Augen weiteten sich sichtbar vor Schrecken. "Das wäre für ein Institutsmitglied äußerst barbarisch ... aber nur so macht es Sinn." Virgil schüttelte sich. "Ich habe den Verdacht, dass Dr. Ayo versucht über die Beeinflussung von Shaun die Geschicke des Instituts zu lenken. Das wäre fatal. Für alle. Deshalb Shauns versuchte Warnung an dich. Hmm. Er scheint dich in der kurzen Zeit als besonders ... wie sage ich es ... wichtig empfunden zu haben." Wieder pausierte Virgil einen Moment und die zunehmende Sorge war in seinem Gesicht deutlich zu lesen.


    "Ich weiß nicht, was Justin Ayo plant, er vor hat ... aber du ... ihr ... das Commonwealth muss sehr aufmerksam sein. Für euch bedeutet es definitiv nichts Gutes. Es tut mir leid, dass ich dir nicht mehr helfen kann, obwohl du so unendlich viel für mich getan hast." Virgil schaute wieder zu dem Mitbringsel. Blue schüttelt den Kopf. "Du hast mir sehr geholfen, Virgil. Ohne deine Hilfe wäre ich nie ins Institut gekommen. Dadurch habe ich viel über es erfahren und jetzt einen aufkommenden Verdacht bestätigt. Dafür Danke ich dir." Virgil lächelt einen kurzen Moment. Beide blieben noch den Rest des Tages zusammen. Am nächsten Morgen wollte Blue weiter wandern. Richtung der Sentinel Site.


    Als die beiden sich am nächsten Tag verabschiedeten, gab Virgil Blue warnenden Worte mit auf den Weg, dass er frühstens erst wieder in vierzehn Tage vorbeikommen dürfte, da er sich heute das Serum spritzen wollte. Dieser Rückverwandlungsprozess war äußerst schmerzhaft und es war möglich, dass er dabei äußerst aggressiv würde. Danach hoffte Virgil, dass er wieder ein menschliches Antlitz hatte. Nach dieser Zeit dürfte Blue gerne wiederkommen. Er hatte den blauen Mutanten ins Herz geschlossen. Vielleicht war ihm bis dahin eine Möglichkeit eingefallen, wie man herausbekommen konnte, was im Institut vonstattenging. Blue wanderte los und es dauerte mehr als anderthalb Tage, bis er endlich den Standpunkt der Sentinel Site fand.

  • 441. Einmal Hölle und zurück IX.

    Unheilverkündend ragte das pyramidenförmige Gebilde aus dem verbrannten und trockenen Boden des strahlenden Meeres auf. Es wirkte fehl am Platz und wie aus einer anderen Welt. Die geschlossene Wolkendecke tauchte den Umgebung in ein grün-gelbliches Licht und die verseuchten kleinen Teiche in der Umgebung schimmerten ebenfalls grünlich. Nach einer langen Suche fand Blue endlich die Sentinel Site. Er betrachtete schon eine ganze Zeit das Äußere und in seinem Inneren baute sich ein ungutes Gefühl auf, was dieses Gebäude betraf. Etwas, was er noch nie bei einem Gebäude empfand. Zu mindestens in der Zeit, an die er sich erinnern konnte.


    Nach einem weiteren Moment setzte er sich in Bewegung, verlangsamte die Schritte aber wieder, je näher er dem Gebäude und dem eigentlichen Eingang kam. Das Gefühl der Beunruhigung verstärkte sich weiter und manifestierte sich in einem leichten Stechen im Brustbereich. Er blieb unentschlossen stehen. "Was ist das? Warum ... bin ich so ... verunsichert ... es fühlt sich merkwürdig an." fragte er sich sichtbar irritiert. Wenn es alleine nach diesem Gefühl gegangen wäre, hätte er auf der Stelle kehrt gemacht. Irgendetwas warnte ihn davor dort hineinzugehen. Aber gerade das stachelte Blues natürliche Neugier noch mehr an und schließlich ging es bei dieser Mission um etwas ziemlich Wichtiges. Er schob das Gefühl zur Seite, atmete einmal tief ein und aus und betrat die Sentinel Site.


    Ein langer, dunkler Gang tat sich auf und er folgte ihm ein ganzes Stück. Dabei hatte er das Pipboylicht angeschaltet und die Jahrhunderte alte Dunkelheit schien vor diesem regelrecht zu fliehen. Außer einem leichten Windrauschen war es in dem Gang totenstill. Er endet an einer primären Sicherheitstür. Das waren sehr dicke und äußerst stabile Verrieglungen, die man häufig an den Haupteingängen der militärischen Hochsicherheitsbasen fand. In der Wand befand sich ein altes und betriebsfähiges Computerterminal und es stellte sich als Türöffner heraus. Die Sicherheitstür öffnete sich für ihr Alter überraschend leise und trotzdem kam es Blue sehr laut vor. Nachdem er eine Zeitlang dem Gang gefolgt war ging dieser in eine begehbaren Stahlkonstruktion über. Ähnlich denen in alten Fabriken, aber wesentlich stabiler. Gleichzeitig öffnete sich der Gang in den gewaltige Innenraum der Pyramide.


    Vier vertikale und offene Stahlstrukturen reichten vom untersten Geschoss bis zur Decke und endeten vor Öffnungen im Gebäude, die mit Stahlplatten verschlossen waren. Andere stählerene Strukturen schienen sie zu stützen. Eine ganze Anzahl von Auf- und Abgängen war um diese Konstrukt in der Mitte angelegt worden. Blue war trotz der immer noch anhaltenden Beunruhigung so beeindruckt von der Größe dieses Innenraums, dass ihm für einen Moment der Mund aufstand. "Was zur Hölle ist das hier? Das ist mehr als nur ein Lager. Hat Maxson mich belogen oder wusste er es tatsächlich nicht besser, als er mich hierhin geschickt hat?" Blue kannte aus dem Commonwealth die ein oder andere militärische Ruine, wo auch nukleare Waffen gelagert worden waren. Das hier glich aber keinem der anderen Orte. Er musste erst herausfinden, wozu er in der Vergangenheit diente.


    Erst dann würde er die stählerne Bruderschaft benachrichtigen. Langsam und vorsichtig schaute er sich um. Zwischendurch sah er auf seinen Pipboy. Überraschenderweise war der Bereich, in dem er sich im Moment aufhielt, relativ strahlenfrei. Nachdem er mit dem Erforschen des oberen Bereichs fertig war, wandte er sich der Tiefe zu. Die Beschädigungen im inneren dieser Pyramide hielten sich in Grenzen. Dann und wann stieß er auf Skelette. Zwei von ihnen zogen Blues Aufmerksamkeit auf sich. In einer der Ecken lag eines gegen die Wand gelehnt und ein zweites schien dem ersten in den oberen Beinknochen zu beißen. In einer der Augenhöhlen steckte ein Kampfmesser und rund um sie herum waren große dunkelbraune Flecken. An beiden hingen die Reste einer Militäruniform, wie sie vor dem großen Krieg der Standard gewesen war.


    Blue kniete sich zu ihnen herunter, um sie genauer zu betrachten. Dort wo die Zähne auf den Oberschenkelknochen trafen, konnte man leichte Blessuren am Knochen erkennen. Die Zähne waren bräunlich verfärbt, genauso wie das Messer, dass tief in der Augenhöhle steckte. Es schien Blue so, als hätte der Beißende versucht sich von seinen Kontrahenten zu ernähren. Dieser musste sich wohl mit letzter Kraft gewehrt haben und nach kurzer Zeit waren beide an ihren Wunden erlegen. Blue fragte sich, was hier zu Beginn des großen Krieges oder kurz danach passiert sein musste. Seitdem war sie in ihrer Pose verharrt gewesen, was er aus der unberührten Staubschicht schloss.


    Nachdenklich sucht er weiter. Nach einer Zeit gelang Blue an eine weitere Sicherheitstür. Wieder verschaffte er sich Zugang und blieb für einen Moment erschrocken stehen. Neugierig sah ihn ein Mensch in der Gewandung der Kinder des Atoms an. Neben ihm stand ein Aggressotron, der in den Farben des göttlichen Atoms bemalt war. "Ich beobachte dich schon einige Zeit. Du bist wahrlich ein seltener Besucher. Wisse, dass dies hier ein heiliger Ort ist. Atom duldet keine Ungläubigen in seinen heiligen Hallen. Verlasse diesen Ort. Verweilst du hier, wird dich der Zorn des Atoms treffen. Ich, Bruder Henri, warne dich nur einmal." sagte der Anhänger des Atoms ernst. In diesem Moment zahlte es sich für Blue aus, dass er versuchte mit den unterschiedlichen Fraktionen erst einen diplomatischen Weg zu gehen und von vielen ihre besondere Rituale kannte.


    Blue verbeugte sich vor Bruder Henri in der typischen Art der Kinder des Atoms. "Sei gegrüßt ehrenwerter Bruder Henry. Auch ich huldige dem großen Atom. Meine Pilgereise führte mich vom Nukleus, was in der Nähe einer Siedlung auf Far Habor liegt, hier hin. Ich bin unter anderem im Auftrag des hohen Beichtvater Tektus und dem großen Atom unterwegs. Gepriesen sei Atom." sagte Blue mit beinahe andächtiger Stimme. Bruder Henri schaute einen Augenblick irritiert und räusperte sich verlegen. "Verzeiht ehrenwerter Bruder. Es ist mehr als selten, dass jemand wie ihr den Weg zu Atom findet. Natürlich stehen euch Atoms Hallen offen. Hier, dass werdet ihr brauchen, wenn ihr komplett in Atoms Heiligtum wandeln wollt. Kann ich sonst noch etwas tun, Bruder?" fragte Henri sehr freundlich und überreichte Blue ein altes Holoband, was er dankbar annahm. "Im Moment noch nicht. Aber wenn ich etwas benötige, werde ich mich bei euch melden."


    Blue atmete nach dem Gespräch innerlich auf. Mit der Hilfe von dem Holoband konnte er die gesamte Basis durchsuchen. Er wandte sich den tiefer gelegenen Ebene zu und durchwanderte sie aufmerksam. Er fand dabei einige Hinweise und Aufzeichnungen, was die Sentinel Site vor dem großen Krieg gewesen sein könnte. Das Puzzle fügte sich langsam zusammen und die Auflösung des ganzen Geheimnis beunruhigte ihn zutiefst. Blue saß an einem funktionsfähigen Computerterminal und starrte die Informationen an, die er auf diesem fand. Sie waren schlimm. Der stählernen Bruderschaft durfte keinesfalls die Sentinel Site in die Hände fallen. Es würde ihnen eine Waffe zur Verfügung stehen, die ihnen eine Vormachstellung zusammen mit einem funktionierenden Liberty Prime im Ödland verleihen würde. Das könnte einen neuerlichen Anfang vom Ende bedeuten.


    Die alte Prescott Sentinel Site war in der Lage fast vollautomatisch nukleare Sprengköpfe zu fertigen und sie auch auf Raketen zu installieren, die eine ungeheure Reichweite besaßen. Die Materiallager der Einrichtung war voll. Das bedeutete, dass die Bruderschaft einen neuerlichen großen Krieg anzetteln konnte. Blue wusste nicht, wie weit Maxson wirklich gehen würde, aber er rechnete mit dem Schlimmsten. Fieberhaft überlegte er, wie er diese Situation lösen konnte. Die Anlage in die Luft sprengen durch die Überhitzung des noch funktionsfähigen Reaktors war zu gefährlich. Die Explosionen und der nukleare Fallout würde massive Schäden im Commonwealth anrichten. Die Anlage selbst für die Minutemen zu nutzen kam für Blue nicht in Frage. Diese Waffen durften nie wieder benutzt werden, sonst würden sie wieder eine Spirale der Massenvernichtungswaffen in Gang setzen. Auch ohne diese Waffe herrschte genug Mord und Totschlag in der jetzigen Welt.


    Blues Hände waren in sein Gesicht gelegt und seine Gedanken rasten regelrecht. Es gab nur eine Möglichkeit. Irgendwie musste es ihm gelingen, die Anlage komplett zu versiegeln. So dass die Bruderschaft sie nicht mehr nutzen konnte. Dieser Entschluss stand definitiv fest. Und es war möglich. Die alten Systeme waren noch halbwegs funktionsfähig , dass es tatsächlich gelingen konnte. Blue machte sich zunächst daran, die herumliegenden Atomsprengköpfe im Sockel der Einrichtung in das Lager zu schaffen. Selbst für ihn war es Schwerstarbeit.


    Danach kümmerte er sich um Bruder Henri. Mit warnenden Worte brachte er ihn und den Aggressotron dazu, die Basis zu verlassen. Danach begann Blue die Anlage zu versiegeln und mit unglaublich komplizierten Verschlüsselungen zu sichern. Es war das Einzige, was er tun konnte, um zu verhindern, dass es zu massiven Kollateralschäden kam. Nachdem die letzte dicke Sicherheitstür verschlossen war, nutzte er das Gerät, welches er von Haylen erhielt. Es dauerte nicht lange, bis er selbst im Inneren der Pyramide das Geräusch von Vertibirds wahrnahm.

  • 442. Einmal Hölle und zurück X.

    Commonwealth. Ehemaliger Logan Airport. Abend des Tages, als der Skorpion-Kampf stattfand.


    In ihren Quartier lag der Proctor auf dem Bett. Zunächst betrachtete sie ihre Beinstümpfe und dann den in der Ecke stehenden Powerrüstungsrahmen, der in einer speziellen Reparaturbucht aufgehangen war. Sie war innerlich ziemlich nervös. Konnte sie Ritter Carter wirklich vertrauen? Sollte sie ihn wirklich mit in ihr Geheimnis einbinden? Anderseits war er ihr gegenüber ziemlich loyal. Aber wie würde er reagieren, wenn er wusste, was sie ihm sagen würde. Galt seine uneingeschränkte Loyalität auch noch, wenn es den Ältesten betraf. Sie musste mit irgendjemanden sprechen. Das Wissen, was Maxson mit dem Commonwealth und vor allem Blue vorhatte, belastete sie schwer.


    Sie wurde aus ihren düsteren Gedanken gerissen, als es an der Quartierstür pochte. "Darf ich eintreten, Proctor?" Es war Ritter Carters Stimme. "Warum sind Sie noch nicht hier, Carter? Sie sind fünf Minuten zu spät." sagte Ingram mit gespieltem Ernst, dabei kam ein leichtes Lächeln über ihre Lippen. "Ad Victoriam, Proctor. Verzeihen Sie die ..." Ingram unterbrach ihn im streng klingenden Ton. "Schließen Sie die Tür hinter sich und setzen Sie sich dorthin, Carter." Der Angesprochene schluckte und nickte unscheinbar. Wenn Ingram so sprach, deutete es auf Probleme mit ihren Untergebenen hin.


    Er war verunsichert. War irgendetwas falsch gelaufen? Ihm fiel zurzeit nichts ein. Was ihn ebenfalls maßlos irritiert, war das er den Proctor ohne ihr Powerrüstungsgestell zusehen bekam, also in einem Moment relativer Verletzlichkeit. Etwas, was Ingram sonst vermied. Nachdem er auf einen bereitstehenden Klappstuhl Platz nahm, schaute er Ingram leicht verunsichert, aber trotzdem erwartungsvoll an. "Niemand weiß, dass Sie hier sind?" Die Nervosität in Ingrams Stimme war jetzt deutlich hörbar. Der Ritter verstand noch immer nicht, warum der Proctor sich so eigenartig verhielt. "Gut *tiefes Luft holen und Seufzen*. Carter, Sie müssen mir schwören mit niemanden bei der stählernen Bruderschaft über unser Gespräch zu reden. Noch nicht einmal mit Ältesten Maxson."


    Der Ritter schaute fragend, aber mit einem kurzen Blick in Ingrams Augen bemerkte er Sorge und tiefe Qual. Er zögerte einen Moment, dann willigte er ein. Daraufhin schien Ingram erleichtert und erzählte mit leiser Stimme, was eigentlich nur den Obersten der Bruderschaft bekannt war. Zunächst trat Staunen in sein Gesicht. Dann Unglauben und zuletzt Frustration, Trauer und Wut. Auf dem Gesicht des Ritters war deutlich ein Zornesfalte sichtbar geworden. Mehrere Male schluckte er. Atmete tief ein und aus. Es war mehr als offensichtlich, dass er versucht seine Zorn hinunterzuschlucken. Es dauerte einen Moment, bis er sich gefasst hatte.


    Ingram sah ihn mitfühlend dabei an. Carter räusperte sich und flüsterte beinahe. Der unterdrückte Zorn war deutlich in seiner Stimme zu hören. "Darf ... ich frei sprechen ... Proctor?" Ingram nickte und fügte beinahe genauso leise hinzu "Auch werde natürlich nichts von dem weitergeben. Ich habe mich dazu entschieden es Ihnen zu erzählen, weil ich Ihnen sehr vertraue." Carter sah einen Moment überrascht aus, dann verfinsterte sich seine Miene wieder. "Auch wenn es mir schwerfällt den Ältesten zu kritisieren, glaube ich das der Älteste, das unterschätz, was passieren wird, wenn er wirklich vorhat ... Ritter ... Blue festzusetzen. Außerdem hat Blue uns dadurch geholfen, nicht offensichtliche Gefahren abzuwehren. Die uns mit Sicherheit geschwächt oder bei unserer Mission in Bedrängnis gebracht. Davon ab ... hat er mir und meinen Kameraden wahrscheinlich das Leben gerettet. Nicht zu vergessen, dass von Gelehrten Haylen. Bisher hat er sich vorbildhaft für ein Mitglied der Bruderschaft verhalten. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, liegt das Hauptproblem darin, dass er ..." Carter holte wieder tief Luft "... ein Supermutant ist?"


    Proctor Ingram nickte langsam. Carter schüttelte den Kopf. "Er ... der Älteste tut ihm Unrecht. Ich befürchte ... wenn er mit Blue ... dem Ritter weiter so umgeht oder ihn gar einsperrt ... wird er sich irgendwann von uns abwenden ... oder schlimmer noch ..." Carter brach kurz ab schaute Ingram ernst an. "Im allerschlimmsten Fall ... sich gegen uns wenden." Dann starrte er vor sich. "Können wir gar nichts daran ändern? Etwas tun, dass ihn überzeugt?" fragte er hoffnungsvoll in Ingrams Richtung. Sie schüttelte betrübt den Kopf. "Ich wünschte es. Aber ich sehe keine Möglichkeit. Ich hatte gehofft ... nun ... " Der Proctor räusperte sich und schien beinahe verlegen. Wieder etwas, was der Ritter vom Proctor nicht kannte. "... dass Sie vielleicht eine Idee haben. Ich weiß auch, dass Sie Blue ausgesprochen gerne mögen und ihn sogar verteidigen. Er ... ist für Sie ein guter Freund. Nicht wahr?" fragte sie behutsam nach.


    "Wissen Sie, sie sind noch nicht so lange bei der Bruderschaft und haben vielleicht einen nicht so eingeschränkten Blick .... wie ich." Carter war baff. Ihm wurde durch diese Gespräch mehr als bewusst, dass seine Gedanken und die vom Proctor sehr nahe beieinander lagen, was den blauen Supermutanten betraf. Carter atmete tief ein und überlegte einen Moment, ob er wirklich das sagen sollte, was ihm auf den Lippen lag. "Wenn wir es nicht schaffen können, den Ältesten zu überzeugen, bleiben eigentlich aus meiner persönlichen Sicht nur zwei Möglichkeiten. Bei der Bruderschaft bleiben und vielleicht vor dem Ödland sicher zu sein, aber ein Leben lang mit den daraus resultierenden Entwicklungen irgendwie zurechtkommen oder ... " Carter zögerte einen Moment.


    Proctor Ingram führte den Halbsatz fort "... der Bruderschaft den Rücken kehren und ein reines Gewissen haben, aber dem Ödland ausgeliefert sein *seufzen* Und ich denke, ich weiß, welche Möglichkeit Sie wählen würden." sagte Ingram niedergeschlagen. Der Ritter antwortete nicht und schaute auf den Boden vor sich. "Danke, Carter. Dass Sie so offen und ehrlich zu mir waren. Ich brauche ... nun ein wenig Zeit ... für mich. Und Sie brauchen keine Angst zu haben. Es bleibt wirklich unter uns beiden. Kann ich denn weiter mit Ihrer "Mitarbeit" rechnen?" fragte sie ihn wieder mit leiser, aber auch beruhigt klingender Stimme.


    Carter irritierte zunächst die Betonung des Begriffs der Mitarbeit, dann verstand er. "Selbstverständlich, Proctor Ingram. Ich stehe für jedwede Mitarbeit zur Verfügung." Ingram lächelte daraufhin kurz. Carter verließ anschließend das Quartier von Ingram. Die Situation, die sich für seinen Freund Blue zusammenbraute, gefiel ihm gar nicht. Er hoffte, dass es nicht dazu kommen würde. Ansonsten würde es einen Krieg zwischen den Minutemen und der Bruderschaft geben.

  • 443. Ein unsichtbarer Feind

    Westküste. Mitte April 2284. Zerstörte Enklave-Basis Hidden Arrow.


    Der Enklaveoffizier zündete sich gerade ein Zigarette an, als einige seiner Untergebenen begannen das Massengrab vor ihm aufzugraben. In einiger Entfernung standen mehrere Vertibirds. Davor patrouillierten einige Soldaten in schwarzglänzenden Höllenfeuerrüstungen die Gegend. Man legte die Toten jeweils in einzelne Boxen und verbrachte sie in einen der bereitstehenden Vertibirds. Ohne äußerliche Regung betrachtete er das Treiben. Als sich seine Zigarette beinahe zu Ende neigte, erschien jemand auf den er gewartet hatte.


    Die Person lief durch das, was vom ehemaligen Eingang der Enklavebasis übergeblieben war. Es schien ein Wissenschaftsoffizier zu sein, was man aufgrund seiner Enklavenkleidung schließen konnte. Der Offizier, der am Grab stand, setzte sich in Bewegung, bis beide aufeinandertrafen. "Und? Haben wir eine Chance Hidden Arrow durch Instandsetzung und die Verlegung des Einganges an eine komplett andere Stelle wieder funktionsfähig zu bekommen, Lt. Reed?" fragte er den Wissenschaftoffizier. Ein beinahe spöttischer Ausdruck erschien auf dem Gesicht des Angesprochenen. "Ich formuliere es mal so. Wenn wir ein Stahlwerk und noch bestimmte andere Einrichtungen haben, dann ja, Cpt. Page." Der Captain schaute einen Moment fragend. "Sie sollten es sich selbst ansehen, dann verstehen Sie, was ich meine, Sir."


    Gemeinsam betraten sie die Öffnung. Der Captain brauchte sich nur einen Moment umzusehen. Ungläubige schaute der Captain. "Betrifft das alle Bereiche?" Reed nickte. "Wie ist das möglich? In dieser relativ kurzen Zeit? Wie haben die das alles abtransportiert. Wir hätten Spuren in der Landschaft sehen müssen." Reed zuckte nur mit den Schultern. "So etwas habe ich noch nicht gesehen. Ich glaube, dass wird dem hohen Kommando gar nicht gefallen." Page nickte nur stumm. Beide schauten auf lange Gänge, die nur mehr aus nacktem Felsgestein bestanden. Die komplette Basis war zerlegt und alles voraus sie bestand, war abtransportiert worden.


    Plötzlich war hinter ihnen eine Stimme zu vernehmen. "Cpt Page, Sir? Wir sind soweit mit dem Verladen der sterblichen Überreste fertig und abflugbereit. Ich möchte bemerkten, dass keinerlei Waffen im Grab zu finden waren." Wortlos verließen die beiden Enklaveoffiziere die ehemalige Basis und stiegen in die Vertibird. Sie flogen nach Norden. Einem nur der Enklave bekannten Zufluchtsort entgegen. Er lag in dem ehemaligen Staat Oregon, nicht weit vom Crater Lake entfernt.


    Einige Tage später. Geheime Enklavebasis. Crater Lake


    "Das ist unbefriedigend. Unsere Leute sind von einem uns nicht bekannten Feind massakriert worden, der kaum weitere Spuren hinterlassen hat und in der Lage ist, in kürzester Zeit eine gesamte Basis zerlegen kann. Ich muss, glaube ich nicht erwähnen, dass das äußerst beunruhigend ist. Das heißt, wir haben außer den Aufzeichnungen der Überwachungskameras bis zum Verbindungsverlust und den Nachrichten, die uns Dr. Emilgardo geschickt hat, keine neueren Erkenntnisse?" fragte eine hagere Frau von etwa 50 Jahren mit verhärmten Gesicht und kurzen aschblonden Haaren in die Runde, die vor ihr saß.


    Dabei sah sie Captain Page mit einem unzufriedenen Blick an. Einige Anwesende schüttelten den Kopf. "Was ist mit der pathologischen Untersuchung der Verstorbenen?" ging eine weitere Frage in Richtung der Forschungsabteilung der Enklave. "Neben den typischen Verletzungen durch das Subjekt, scheint der Gegner im Besitz von hochentwickelten Laser bzw. sogar Plasmawaffen zu sein. Das haben wir ja bereits über die Sicherheitsaufnahmen geahnt, aber es hat sich nun bestätigt, General Caldwell. Wir haben allerdings bei der Sichtung des medizinischen Materials, was uns Dr. Emilgardo hat zukommen lassen, eine Besonderheit bei dem Subjekt entdeckt. Er trägt im subkutanen Bereich in der Halsgegend einen alten HSX-Chip. Wir haben die auslesbaren Kennmarken bereits zur Suche in unserer Archiv gegeben. Vielleicht haben wir ihn in der alten Sammlung."


    General Caldwell war sichtlich erstaunt über diese Neuigkeit. "Das ist in der Tat eine interessante Feststellung. Gut. Ich gehe davon aus, dass alle Berichte von Ihnen allen fertig sind? Ich muss Sie ja nicht daran erinnern, dass Präsident Moreno es hasst, wenn ihm wichtige Informationen vorenthalten werden." Besagte Berichte wurden zu General Caldwell durchgereicht und die Versammlung wurde aufgelöst. General Caldwell machte sich auf dem Weg nach unten. Zu den Räumen des Präsidenten der Enklave. Die Enklavebasis selbst war ziemlich weitläufig und die unterschiedlichen Ebenen über Fahrstühle und andere Beförderungsmöglichkeiten verbunden. Sie bot etwa 5000 Menschen der Enklave Zuflucht und war ziemlich hochtechnisiert.


    Nach einiger Zeit erreichte sie besagte Ebene. Am Ende eines Ganges und mit einer blauen Laserbarriere geschützt lag der Raum des Präsidenten der Enklave. Caldwell durchschritt die Barriere ohne weiter Verzögerung und die typische Enklaventür schwang zur Seite und nach oben. Sie gab den Blick in ein geschmackvoll eingerichteten Raum frei. Die Wände schienen mit einer Nussholztäfelung versehen, die eine angenehme und warme Aura ausstrahlte. Der Boden bestand aus einem Blauen Teppich. Viele Bücherregale schmückten den Raum weiter aus. An einer Stelle im Boden war das alte Siegel des Präsidenten der vereinigten Staaten eingelassen. Relativ mittig im Raum stand ein antik wirkender Schreibtisch, der auch einige Gebrauchsspuren aufwies.


    Dieser Schreibtisch war schon zu Beginn des großen Krieges alt gewesen und trotzdem schien er eine gewisse Würde auszustrahlen. Dahinter saß ein Mann von drahtiger Statur mittleren Alters. Braune kurze Haare und etwa1,85 m groß. Er war zurückgelehnt und schaute sehr konzentriert auf dem Computerbildschirm vor ihm. General Caldwell vernahm ein wütendes Schreien und Brummen und Kampfgeräusche aus Richtung des Bildschirms. Präsident Moreno hatte Caldwell längst bemerkt. "Wissen Sie, ich muss mir dieses Video immer wieder ansehen. Das Subjekt ist wirklich bemerkenswert. Trotz des von Dr. Emilgardo ausgelösten Zustandes scheint er immer noch Zugriff auf seine höheren kognitiven Fähigkeiten zu haben. Allein wie er kämpft."


    "Ich finde es eher beängstigend und ich darf Sie trotz aller Begeisterung daran erinnern, dass das unsere Leute waren?" Caldwell erntete ein kurzen stechenden Blick. "Meine Liebe, muss ich Sie daran erinnern, dass sowohl Fields und Emilgardo mir ein wenig zu strebsam waren, was ihre persönlich angedachte Position in der Enklave betraf. Ich muss gestehen, dass ich es sogar genossen habe, wie Fields vom Subjekt getötete worden ist. Ich sehe es so, zwei potenzielle Bedrohungen weniger. Haben Sie die Berichte?" Moreno schaltet den Bildschirm aus und drehte sich Richtung Caldwell, die auf einem von zwei bequemen Holzstühlen vor dem alten Schreibtisch Platz nahm. Er nahm die Berichte an sich.


    Sein kompletter rechter Arm war eine bionische Konstruktion, die fast wie eine echte Hand wirkte, wäre die tiefschwarze Färbung des Hautmaterials nicht gewesen. Er lass den Bericht genau, aber auch relativ zügig. Wenn man ihm bei Lesen in das rechte braune Auge schaute, wusste man das hier ein messerscharfer Verstand saß. Das andere Auge war ebenfalls ein künstliches. Es wirkte beinahe normal, wenn neben dem linken Auge nicht zwei Vertiefungen zum Einstecken von Kabeln gewesen wäre.


    Nach einiger Zeit war er durch. Caldwell wartete die Reaktion von Präsident Moreno nervös ab. Der lehnt sich zurück. "Der Verlust von Hidden Arrow ist tatsächlich ärgerlich. Aber der Ausfall beeinträchtigt unsere Pläne nicht. Wir werden weiterhin verdeckt bleiben und unsere getarnten Agenten ins Ödland schicken. Sie sollen weiterhin die Primärfraktionen infiltrieren. Dazu gehört jetzt auch die mit diesem silbernen Drachensymbol. Wir müssen sie ebenfalls einschätzen. Missionen erfolgen nur, wenn ich sie abgesegnete habe. Ich werde nicht die Fehler begehen uns zu früh zu offenbaren. Verstanden, Caldwell?"


    "Ja, Sir." antwortete sie knapp und verließ darauf Moreno. Kurz blätterte er zu der Stelle, wo es um den HSX-Chip ging. "Was ist sein Geheimnis? Dieser Mutant muss uralt sein. Die Bauart des Chips deutet auf die zweite Version hin. Das war etwa 2020 bis 2040." Etwa eine Stunde später meldete sich per interner Kommunikation der Bereich, der den Chip untersuchte. "Er ist in der alten Bibliothek gespeichert, aber Sie kommen nicht heran. Wie darf ich das verstehen?" Moreno war deutlich verärgert. Die Stimme am anderen Ende erläuterte ausführlich das Problem. "Höchste Sicherheitsstufe ... Verstehe ... Stellen Sie mir eine Verbindung von Zentralarchiv zu meinem Computer her."


    Kaum ausgesprochen ging der Monitor an und Moreno gab einen komplexen Code ein. Dann war er im Zentralarchiv auf betreffender Seite geschaltet. Per speziellem Code war er in der Lage Zutritt zu bekommen. Er lass betreffend Eintrag und ein breites Lächeln erschien. "Sieh an, sieh an. Wer hätte das gedacht? Für Jemanden, der lange vor dem großen Krieg gestorben ist, sind Sie sehr lebendig. Das ist ein Geheimnis, was ich noch in Erfahrung bringen werde. Sie werden ihrem Land weiterdienen, ob Sie es wollen oder nicht. Der Enklave wird es einige Dinge vereinfachen." Moreno grinste böse.

  • 444. Annäherung


    Westküste. Einige Tage später. Mitte April 2284. Lassen


    In der Kommandoebene des Lassen saßen Drake und John in Drakes Büro zusammen und unterhielten sich über die letzte gemeinsame Versammlung. "Ich muss sagen, dass ich immer noch überrascht bin. Und das meine ich durchweg positiv." Auch Drake nickte. "Es ist gut, dass der Großteil des Lassen sich in dieser Sache relativ einig ist. Das wird uns den Umgang mit der NCR erleichtern und wir können ihnen unsere Sicht der Dinge vermitteln ... ich hoffe nur, dass sie es akzeptieren." seufzte Drake.


    "Ich denke schon. Das Überleben ihrer Nation könnte davon abhängen, dass sie mit ihren Erweiterungen jetzt stoppen. Ich glaube nicht, dass ihr Präsident nicht noch weitere Gebiete annektieren wird. Er müsste doch schon jetzt erkannt haben, dass es jetzt schon kaum möglich ist, dass bisherige Territorium anständig zu verteidigen." begründete John ruhig. "Ich weiß wirklich nicht, was ich von Präsident Kimball halten soll. Was ich mittlerweile über die Geschichte der NCR erfahren und gelesen habe, ist das die Präsidentschaft von Tandi ihre goldenen Zeiten waren. Als ihre Nachfolger begannen sich von ihrem gewählten Weg abzuwenden und den eher expansionistischen zu folgen, fingen vielerlei Probleme an. Kimball ist beinahe das Gegenstück zu Tandi." Drake pausierte einen Moment. John spürte bei Drake deutlich, dass er sich viele Gedanken zur NCR machte, und sie versuchte in ihrem Handeln zu verstehen. Etwas, was ihm aber scheinbar Kopfzerbrechen bereitete.


    "Ich hoffe, wie du dass, er die NCR erst einmal zu Ruhe kommen lässt. Gerade nach dieser Schlacht mit der Legion. Wir haben das volle Einverständnis unserer Leute der NCR zu helfen und sie zu unterstützen. Mit der Prämisse auf Abwehr, Verteidigung und allem voran, wenn es irgendwie möglich ist, Diplomatie. Das ist unter den gegebenen Umständen das Vernünftigste, was wir machen können, um uns weiter in dieser neuen Welt zu etablieren." sagte Drake nachdenklich.


    John nickte zustimmend. "Ich hoffe nur, dass sie den Major nicht zu streng bestrafen. Für viele seiner Leute ist er ein Held, der den Befehlen von oben nicht bedingungslos gehorcht hat, sondern alles getan hat, um eine riesige Bedrohung für die NCR abzuwehren." John mochte Evans und seine Ansichten. Auch das Gespräch mit dem Ältesten Jeremiah Bardeen war ihm noch sehr präsent. Trotz der sehr blutigen Vergangenheit von NCR und stählernen Bruderschaft war er bereit gewesen sich auf das Gespräch einzulassen und zu vermitteln.


    "Ich denke nicht, dass er auf Milde seitens Präsident Kimballs rechnen kann, auch wenn ich trotzdem darauf hoffe." Drake schüttelte betroffen den Kopf. John schaute seinen Freund nach dieser Aussage ziemlich fragend an. "Was er für seine ... Nation ... getan hat, war absolut richtig. Da stimme ich dir unumwunden zu. Aber er schwächt in gewisser Hinsicht die Position und Kompetenz eines Präsidenten, der bei Teilen der Bevölkerung kaum noch Unterstützung vor seinen Kurs findet. Soweit ich Kimball einschätzen kann, wird er es ihm sehr übelnehmen. General Moore kann auch nur bedingt etwas für Evans tun. Ergreift sie zu viel Partei für den Major, kann es sie ebenfalls den Job kosten."


    Johns Gesicht verfinsterte sich. "Ich verstehe, was du meinst. Trotzdem hoffe ich es ebenfalls. Wir müssen abwarten ... und ... eventuell Konsequenzen daraus ziehen." John war mit dieser Möglichkeit der Entwicklung unzufrieden und sah vor sich hin. Aber es war die Entscheidung der NCR, nicht ihre. John wusste auch, dass sie gut daran täten, sich aus solchen Dingen herauszuhalten. Sie hatten selbst genug damit zu tun, einen guten Weg für ihre Leute durch diese Zeiten zu finden und ihnen eine Zukunft zu geben.


    Außerdem wäre es ziemlich überheblich von ihnen gewesen, sich in die Belange einer Nation einzumischen, die ihren harten und steinigen Weg durch die Nachwirkungen des großen Kriegs gegangen war. Er durfte nicht den Fehler machen und seine Erfahrungen von vor dem Krieg auf diese Welt zu projizieren. Diese chaotische Welt verführte ihn regelrecht dazu. Langsam wurde John bewusst, warum Hawk und andere bereit gewesen waren so einen extremen Weg zu verfolgen und warum Drake diesen niemals einschlagen würde. Die Sicht auf Menschen und Probleme waren bei beiden komplett unterschiedlich gewesen.


    Selbst nach Drakes Mutation zu einem Supermutanten schien sich seine Ansichten erhalten zu haben und sicherten den in einer anderen Zeit gestrandeten Überlebenden eine vielleicht friedfertigere Zukunft. Friedliche Lösung, wenn irgendwie möglich. Aber auch nicht zu jedem Preis. Das war schon immer ein Wesenszug von Drake gewesen. "John? Ist alles in Ordnung? Sollen wir eine Pause machen? Wir können danach weiter fortfahren." Er merkte, wie der Blick seines Freundes auf ihm ruhte. John schüttelte den Kopf und lächelte kurz. "Nein, ich hatte mich gerade nur in der Vergangenheit verfangen. Wir können gerne weiter machen. Du wolltest noch eine Meinung bzw. einen Rat von mir betreffend einer Sache von mir, richtig?"


    Drake sah ihn an und nickte langsam. In seinen Augen flackerte kurz eine gewisse Unsicherheit auf. "Ja *tiefes Seufzen* wahrscheinlich sehe ich Gefahren, wo keine sind ... aber ... in der bekannten Geschichte der NCR gab es Ereignisse, die mit der Enklave zu tun hatte. Sie haben zusammen mit der stählernen Bruderschaft und unter größter Mühe ihr Hauptquartier zerstört. Sie waren damals der Meinung, sie komplett vernichtet zu haben. Nur wissen wir aus eigener Erfahrung, dass ..." Drake brach plötzlich ab. Er schien einen Moment mit seiner Fassung zu ringen. John fiel auf, dass Drake seine Fäuste zusammengeballte. Nach einem weiteren Moment knackte es und seine großen Hände zitterten. Dann wurde John gewahr, dass sein Freund scheinbar versuchte, eine gewisse aufkommend Wut zu unterdrücken.


    "Drake? Ist alles ... in Ordnung mit dir?" Dann hörte er, wie sein Freund tief Luft einsog und wieder ausatmete. "Es ... geht ... wieder. Es ... tut ... mir ... leid, John. Aber es ... *tiefes Einatmen* ... macht mir immer noch Sorgen, dass die Enklave da draußen ist. Und die Dinge, die in ihrer Basis passiert sind, ... sie ... sind mir gerade ... wieder einmal hochgekommen." John lächelte verständnisvoll. "Schon in Ordnung, mein alter Freund. Mach dir keine Vorwürfe. Darper sagte, dass es noch lange dauern kann, bist du ... darüber hinweg bist." Drake nickte, drehte sich dann aber von John weg und starrte auf die gegenüberliegende Wand.


    "Es sollte aber meine Entscheidungsfähigkeit nicht negativ beinflussen und dessen bin ich mir bei der Enklave nicht sicher. Daher die Bitte um deinen Rat." Drake atmete wieder tief ein und aus. "Also, wo war ich stehen geblieben ... ihr habt mir erzählt, dass die Enklave vor dem Krieg aus hohen Leuten aus der Regierung und usw. bestand. Der Kampf der NCR und unserer hat gezeigt, dass sie noch immer noch Zugriff auf alte Technologie haben oder daran arbeiten sie wieder zu erlangen. Was ist, wenn sie es schaffen, wieder die Möglichkeit haben ... " Drake unterbrach sich abermals und schaute John wieder an.


    In seinem Blick war deutlich Angst zu sehen und seine Stimme senkte sich beinahe zu einem Flüstern "... auf Atomwaffen zuzugreifen oder auch eine der anderen Fraktion. Wir wissen, dass dort draußen noch vieles liegen könnte, was ... benutzt werden kann. Deshalb würde ich gern unsere Luftabwehrfähigkeit verbessern lassen. Auch wenn der Lassen einen direkten Treffer aushalten würde, will ich kein Risiko eingehen. Ich bin mir bei dem Ganzen nicht sicher. Auch würde ich gerne unsere anderen Abwehrfertigkeiten erweitern lassen und die Siedlung Silverrigde ebenfalls besser schützen. Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber mein inneres Gefühl sagt mir, dass wir es tun sollten."


    John Rothschild sah seinen Freund lange an. Er erinnerte sich in dem Moment daran, was sein Vater Samuel in einem Gespräch mit ihm vor langer Zeit sagte. "Immer, wenn D. eine ungute Vorahnung hatte, traf sie zu 90%iger Wahrscheinlichkeit ein. Wie er das gemacht hat ... frage ich mich noch heute." John seufzte kurz. "Deine Begründung ist nachvollziehbar. Das ist eine Möglichkeit, die wir wirklich auf dem Schirm haben sollten. Ja, sie oder anderen könnte es tatsächlich gelangen. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. Wenn wir Einrichtungen finden, die diese Möglichkeit erlauben, sollten wir sie ... komplett zerstören. Niemand sollte diese grauenvollen Waffen je wieder benutzen." John erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie damals die Raketenstarts auf dem Bildschirm miterlebten.


    Jeder einzelner Punkt war eine Atombombe und die schiere Anzahl der Punkte jagte John auch heute noch einen kalten Schauer über den Rücken. Mit dem Auswirkungen würde dieser Planet und die Lebewesen auf ihm noch sehr lange Zeit leben müssen. Drake sah erleichtert aus, als John die Worte aussprach. "Danke. Ich habe schon gedacht ... dass ich zu übervorsichtig bin." John schüttelte heftig dem Kopf. "Nein mein Freund ... zu vorsichtig kann man in dieser Welt nicht sein."

  • 445. Die Verurteilung I

    Westküste. Shady Sands. Anfang Mai 2284.


    Evans trank ein Schluck Wasser und schaute dabei durch die Tür des kleinen, weiß getünchten Hauses nach draußen. Dort flirrte schon am frühen Vormittag die Hitze der Sonne. Selbst in dem kleinen Gebäude wurde es mittlerweile unangenehm warm. Der Major stand auf und überprüfte kurz den Sitz seiner Kleidung, bevor er zum Türrahmen ging. Er trug ein kurzes grünes Hemd, eine Hose im gleichen Ton und schwarze, betagte Stiefel. Vor seiner Brust baumelten seine Erkennungsmarken. Ansonsten trug er nichts bei sich. Von der Tür aus beobachtete er ruhig die Umgebung.


    In 500 Meter Entfernung konnte er durch das Tor des militärischen Stützpunktes das Treiben auf den belebten Straßen von Shady Sands sehen. Eine der Wachen, die am Eingang des mit einem stabilen, hohen und ausbruchsicheren Stahlzaunes umzäunten Geländes standen, blickte ernst in Richtung Evans. Er betrachtete ihn einen Moment und drehte sich wieder um. Nicht aber ohne den Kopf unzufrieden zu schütteln. Evans trat daraufhin in die Sonne und begann, wie auch schon in den Tagen davor, innerhalb des umzäunten Geländes umherzuwandern. Kurz schaute er in die Höhe, auf das Ende des Zauns, an dem sich der Stacheldraht glitzernd in der Sonne wand und dann wieder auf den Boden.


    Vor einem kleinen Brett, dass er aus Holzresten gebastelt und eigenhändig in den Boden gerammt hatte, blieb er stehen und ritze mit einem kleinen Stein eine Kerbe hinein. "15." brummte er kaum hörbar zu sich selbst und ging weiter. Auf der anderen Seite des kleinen Gebäudes angekommen, schaute er auf ein Areal, der deutlich als Mannschaftsbereich zu erkennen war. Dort hielten sich im Schutz der aufgespannten und zerfransten Sonnensegel viele Soldaten der NCR auf, die Schutz vor der Hitze suchen. Evans wusste aus Erfahrung, dass es heute ein erbarmungsloser heißer Sonnentag wurde. Einen, den man besser nicht in der prallen Sonne verbrachte. Evans beobachte die Soldaten nachdenklich.


    Einige saßen müde auf den Boden, andere wiederum lehnten im Schatten der Sonnensegel an den Barracken. Andere unterhielten sich. Keiner von ihnen lachte und bei vielen stand eine gewisse Unzufriedenheit ins Gesicht geschrieben. Evans seufzte innerlich. Selbst hier im Stützpunkt von Shady Sands war Verdruss und Missmut unter den Soldaten der NCR zu verspüren. Etwas, was dem Major vor einigen Jahren nicht möglich erschienen wäre. Früher war es eine Ehre unter den Soldaten zu sein, die zum Stützpunkt von Shady Sands zu gehören. Heute sah es eher so aus, als würden die hier stationierten Leute lieber überall anderes sein.


    Er wandte den Blick ab und ging langsam weiter. Der Anblick von gerade setzte ihm zu und verpasste ihm regelrecht Stiche um die Herzgegend herum. Um die Moral seiner Kameraden schien es auch hier nicht zum Besten bestellt zu sein. Er wanderte weiter und betrat dann wieder das Innere des kleinen Hauses. Jetzt fühlte es sich drinnen bedeutend angenehmer an und er legte sich wieder auf die schmucklose Pritsche. Sie war neben einen kleinen Tisch und Stuhl das einzige Mobiliar in der Behausung. Evans starrte auf die getünchte, aber mittlerweile von feinen Rissen durchzogene Decke und dachte über die Ereignisse von vor über fünfzehn Tagen nach. Es war kaum eine Woche nach der Schlacht bei Willow Beach vergangen, da bekam er Besuch im Lager.


    Er hatte sich früh morgens vor sein Zelt gesetzt, als er vom Neuverbinden seiner Verletzung zurückkam. Es dauerte nicht lange, da näherte sich eine Gruppe von sechs Personen. General Moore war darunter und sie sah ziemlich missmutig aus. Die anderen waren von der Militärpolizei. Evans blieb ruhig sitzen. Er ahnte bereits, was gleich folgen würde. Etwas womit er jeden Tag nach der Schlacht gerechnet hatte. In aller Ruhe rauchte er die Zigarette auf. Wahrscheinlich würde es seine letzte in Freiheit sein. Es dauert nicht lange, dann war der Tross bei ihm angekommen. Moore sah ihn sachlich ohne lesbare Gemütsregung an, sagte nichts und nickte nur einem der Militärpolizisten zu.


    Der erwiderte das Nicken und trat einen weiteren Schritt auf Evans zu. "Major Evans. Im Namen der militärischen Führung der NCR verhafte ich Sie. Ihnen werden Dienstvergehen unterschiedlicher Schwere vorgeworfen. Sie werden mir jetzt ohne weitere Umstände folge Leisten." sagte der Ranghöchste der Männer der Militärpolizei. Zwei der Militärpolizisten waren bereits rechts und links neben Evans getreten und behielten ihn wachsam im Auge. Evans nickt leicht, stand auf und hielt beide Hände dem Anführer der Gruppe hin. Der blickte einen Moment irritiert auf, holte dann aber die Handschellen heraus und bedeute Evans seine Hände auf den Rücken zu legen.


    Einen kurzen Moment später schnappten sie zu und der Major wurde abgeführt. Moore schaute Evans hinterher. Für einen kurzen Moment wurde eine Art Trauer auf ihrem Gesicht sichtbar, der aber genauso schnell verschwand, wie er aufgetaucht war. Zunächst wurde Evans in Camp McCarran für einige Tage in einer Einzelzelle inhaftiert, die rund um die Uhr überwacht wurde. Dort nahm man ihm auch alles ab, was er bei sich hatte, und gaben ihm die Kleidung, die er bis jetzt trug. Danach ging es nach Shady Sands weiter, bis er vor fünfzehn Tagen hier angekommen und in weitere Einzelhaft gesteckt worden.


    Zu seiner Überraschung nicht in eine Einzelzelle tief im militärischen Gefängnis, sondern draußen und weit abgesondert von allen und dennoch sichtbar für jeden einzelnen Soldaten, der auf dem weiträumigen Stützpunkt unterwegs war. "Wahrscheinlich als abschreckendes Beispiel." dachte er in den letzten Tagen häufiger. Kurz nachdem er hier eintraf, wurde ihm kurz erklärt, dass er jetzt "Hausarrest" hatte. Sinnbildlicher ging es in dieser Situation beinahe nicht und es war ein beschönigendes Wort, für das was es eigentlich war, Isolationshaft.


    Wieder wurde er allein gelassen und nur am frühen Morgen wurde ihm seine Verpflegung für den Tag gebracht von einem NCR-Offizier gebracht, der mit ihm ebenfalls nicht sprach. Evans setzte sich nach einer Zeit wieder auf und fragte sich, ob das bereits die verhängte Strafe war, die man ohne sein Beisein verhängte oder ob da noch mehr folgte. Seine Tatbestände waren ja eindeutig klar gewesen, so dass es durchaus möglich war. Er zuckte kurz mit den Schultern. Eigentlich war es egal. Für ihn lief die Zeit ab, so dachte er. Diese Form der Inhaftierung würde ihn auf lange Sicht seine Gesundheit und am Ende sein Leben kosten. Aber auch das war ihm mittlerweile egal.


    Er dachte wieder zurück an die Schlacht und wie sie die verdammte Legion über den blutgetränkten Colorado zurückgedrängten. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er war seinem Schwur nachgekommen. Die NCR und ihre Bürger zu schützen. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sich eine gewisse Unruhe in der Nähe seines Gefängnis breitmachte. Evans war gerade dabei, seine karge Mahlzeit zu essen, als sich das Tor quietschend öffnete und derjenige von der Militärpolizei vor ihm stand, der ihn auch hier hingebracht hatte.


    "Darf ich noch meine Henkersmahlzeit aufessen oder habt ihr es so eilig mich zu verurteilen?" fragte Evans den Militärpolizist sarkastisch. Zunächst sagte dieser nicht und musterte Evans ruhig und eingehend. Dann antwortete er wortkarg. "Natürlich können Sie aufessen, Evans. Ich warte so lange hier, bis Sie fertig sind." Er versuchte weiter zu essen, aber der Soldat schaute ihm so akribisch dabei zu, dass er aufgrund von Hitze und innerer Unruhe für einen kurzen Moment die Situation vergaß. "Wollen Sie da weiter wie General Stock im Arsch stehen oder sich nicht lieber setzten. Ich finde es irgendwie ziemlich irritierend, dass Sie die Erbsen zählen, die ich mir in den Mund schiebe." Für einen kurzen Moment zuckte es in dem Mundwickel seines Gegenübers. Dann setzte er sich und wartete wieder.


    Fünf Minuten später war er fertig und folgte dem Militärpolizisten ohne große Eile. Insgesamt wurde er von vier weiteren von ihnen umrundet und man schlug den Weg in Richtung eines der größeren Militärgebäude ein. Als sie nach einiger Zeit dort ankamen, fühlte es sich innerhalb der Gebäude wenigstens ein bisschen kühler an als draußen. Man brachte ihn nach ganz unten, in das Kellergeschoss und Evans Begleitung blieb vor einer normalen Tür stehen und wies Evans an hineinzugehen. Seinen eigenen Leuten gab er ein Zeichen und sie blieben draußen. Der Major und der Militärpolizist betraten das Zimmer, was relativ gemütlich eingerichtet war. Sonst war niemand darin.


    Evans schaute irritiert. Er hatte mit einem Militärgericht, einer Gefängniszelle oder ähnlichem gerechnet, aber nicht mit so etwas. Der Militärpolizist räusperte sich kurz, dann sprach er Evans wieder an. "Ich würde vorschlagen, Sie sollten sich wieder ein wenig herrichten. Mit Verlaub, Sie stinken, wie drei Haufen Brahminmist auf einmal." Evans schüttelte voller Unverständnis den Kopf. Was wurde hier mit ihm gespielt? "Entschuldigen Sie, mein Freund, dass ich ihre empfindliche Nase belästige, aber ich musste mich entscheiden. Entweder trinken oder duschen. Beides ging bei der täglichen Ration Wasser leider nicht." Wieder zuckte der Mundwinkel.


    Wieder ignorierte er den Major und fuhr fort. "Dort hinten liegen ein paar vernünftige Kleidungsstücke. Sie werden sich bis morgen hier aufhalten. Meine Männer und ich stehen vor Ihrer Tür Wache. Und Major, Sie sollten nicht versuchen zu fliehen, im eigenen Interesse." Dann drehte sich der Militärpolizist um und verließ den Raum. Man konnte hören, wie die Tür von außen verriegelt wurde. Zurück blieb ein ratloser Evans. Was würde morgen passieren? Seine Verurteilung? Er war sich nicht ganz sicher.

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