Jamaica Plain

  • Sie konnten die Dächer der Häuser Jamaica Plains bereits sehen, sobald sie die letzte Kuppe überschritten. Der kleine Ort lag vor ihnen und warte auf sie um seine Schätze preiszugeben.
    TJ dachte darüber nach was Alaine sagte und weitere Fragen stiegen in ihm auf, aber die mussten warten. Oberste Priorität hatte die bevorstehende Mission. Alaine und er verließen die Straße und schlugen sich einige Meter ins Dickicht um ihre Ausrüstung zu überprüfen und die Lage zu besprechen. Während Alaine ihre Munition vorbereitete, sah Tarko durch sein Zielfernrohr und scannte die Straßen. Nach etwa zwei Minuten nahm er das Gewehr von der Schulter, sah zu ihr herüber und gab ihr die Info auf die sie bereits wartete.
    "Ich sehe drei Ghule auf der Straße und zwei weitere in dem und dem Haus." er zeigte dabei auf jeweils eine der Ruinen in näherer Entfernung.
    "Die drei auf der Straße kann ich von hier oben ausschalten, aber nicht die beiden in den Häusern. Die müssen wir uns so holen. Einverstanden?" Sie nickte. Er veränderte etwas seine Position und nahm sein Gewehr in Anschlag. Ein Schuss, noch einer. Zwei der Ghule sacken auf der Stelle zusammen. Der Dritte drehte sich in die Richtung aus der die Schüsse kamen und rannte unvermittelt auf die Beiden zu. TJ schoss ein weiteres Mal, der Ghul taumelte, fing sich wieder und hastete weiter vorwärts. Ungläubig sah er zu Alaine herüber die bereits ihre Waffe fest in Händen hielt, zum Schießen bereit. Der Ghul war noch etwa einhundert Meter von ihrer Position entfernt, als TJ ihn wieder durch sein Zielfernrohr aufs Korn nahm. Jetzt erkannte er dass es sich um einen Verbrannten handelte und wusste dass es einiges mehr an Munition bedurfte um ihn niederzustrecken. TJ nahm die Beine des vor Wut schäumenden Wilden ins Visier und schoss. Das rechte Bein ihres Angreifers knickte nach hinten und der Ghul stürzte. Gerade als er sich aufrichten wollte, schoss Alaine drei gezielte Kugeln in den Kopf des Ghuls. Nach einem letzten verzweifelten Aufbäumen des verbrannten Leibes, blieb dieser reglos liegen.
    "Wir haben ein Problem. Die beiden Häuser sind leer.“ gab TJ schwer atmend bekannt. Alaine drehte ihm sogleich den Rücken zu um die Gegend zu ihrer Rechten im Auge zu behalten. *Verdammt, die Kleine ist gut*, dachte er. Wenige Augenblicke später rafften sie ohne weiteres Zögern alles zusammen und liefen über die Straße auf die Häuser gegenüber zu. Dort fanden sie Schutz in einer der Ruinen nahe dem Teich den sie vor ihrer Ankunft schon ausgemacht hatten. Dort bezogen sie erneut Stellung und harrten für einen Moment aus um weitere Bewegungen sehen zu können. Nachdem TJ seine letzte Splittermine wieder im Eingangsbereich, dieses Mal jedoch draußen vor der Tür, deponiert hatte, positionierten er und Alaine sich an zwei Fenstern im ersten Stock. Eine Weile saßen sie mit ihren Waffen im Anschlag dort und konzentrierten sich auf die Umgebung. Dann brach er die Stille mit einer der Fragen, die früher in ihm aufkamen.
    "Willst du mir von der Railroad erzählen? Oder lieber nicht, da ihr so geheim seid dass es euch fast gar nicht gibt?"
    Sie lächelte kurz.
    "Fast gar nicht gibt, ist gut gesagt. Ich glaube, viele Leute hier im Commonwealth halten uns für ein Gerücht. Aber wir sind real." Sie ließ ihren Blick in die Ferne schweifen.
    "Ich kann dir nicht viel über unsere Organisation an sich erzählen, nur, dass wir uns für Synths einsetzen. Synths sehen aus wie wir, und sie entwickeln einen eigenen Willen. Warum sollten sie nicht auch frei sein, so wie wir?"
    "Synths sind also Roboter die wie Menschen aussehen. Ich habe so welche schon mal gesehen. Mein erster Auftrag hier in Boston. Da lagen Zwei dieser Roboter in einer High School, aber die waren schon außer Betrieb. Dann sind Synths also Roboter mit menschlicher Haut?"
    "Nicht ganz", Alaine holte tief Luft. "Synths sind weitaus mehr als Roboter. Sie sind uns biologisch so ähnlich, dass man die Unterschiede nur feststellt, wenn man ihnen den Bauch aufschneidet. Jemand bei uns in der Railroad war jahrelang mit einem Synth verheiratet und hat es nicht gemerkt, nicht einmal der Synth selbst hat es gewusst. Vielleicht sind sogar wir beide Synths und haben keine Ahnung davon, ist das nicht verrückt?"
    Ihre Stimme überschlug sich leicht "Das Institut hat überhaupt keine Vorstellung, was sie da anrichten."
    "Das Institut, hm .... Was kannst du mir darüber sagen? Ist das irgendein Labor mitten in Boston?"
    "Das wissen wir nicht, das weiß niemand", sagte Alaine seufzend. "Es ist fast unmöglich etwas über das Institut herauszubekommen. Sie sind allgegenwärtig und doch nicht greifbar. Wir wissen nur, dass sie Synths herstellen, Menschen entführen und diese durch sie ersetzen. Warum sie das tun? Keine Ahnung. Ich denke, sie wollen langsam die Kontrolle über das Commonwealth erlangen, damit sie uns noch besser austauschen können. Aber daran sind nicht die Synths schuld, viele von ihnen wollen aus der Versklavung des Instituts fliehen und die Railroad hilft denen, die es bis hierher schaffen."
    "Euer Kampf gegen das Institut klingt nach einer ehrenwerten Sache, aber ich weiß nicht was ich davon halten soll. Maschinen sollten dem Menschen dienen und ihnen nicht ebenbürtig sein." sie bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick.
    "Hey, schon in Ordnung. Ich komme eurer Sache nicht in Quere. Allerdings erwarte ich Gleiches auch von der Railroad." er versuchte unschuldig zu klingen.

    Sie warteten etwa drei Stunden, gesprochen wurde aber so gut wie gar nicht. In der ganzen Zeit hatte sich unter ihren scharfen Blicken nichts geregt, also beschlossen sie, sich von Haus zu Haus in Richtung Museum vorzuarbeiten. Als alles verstaut war verließen sie ihren Wachposten und schlichen, nachdem TJ seine ausgelegte Mine einsammelte, zum nächstgelegenen Haus. Es war zwar gegen Mittag und die Sonne stand hoch am Himmel, trotzdem bewegten sich die beiden so geduckt und leise wie sie konnten. Schließlich liefen noch zwei Ghule zwischen den Trümmern umher. Als die das Haus erreichten, verschaften sie sich sogleich einen Überblick und gingen auch hier, mit der Mine an strategischer Stelle deponiert, in den ersten Stock. Ein paar Minuten später bewegten sie sich weiter. Ein Haus nach dem anderen wurde durchsucht und auf alles, worauf die beiden stießen, waren 2 Ghulleichen. Es hatte den Anschein dass sie schon länger tot waren. Alaine deutete auf die Treppe in den ersten Stock, er nickte kurz und beide stiegen langsam, die Waffen im Anschlag, hinauf. *Hier hat ein Kampf stattgefunden* war TJs erster Gedanke. Noch vorhandene Möbel waren zum Schutz als Barriere in einer Ecke des Raumes aufgestapelt. Das Besondere waren jedoch die vielen toten Ghule die über all auf dem Boden und teilweise aufeinander lagen. Beide waren extrem angespannt, niemand sagte ein Wort. TJ gab Alaine ein Handzeichen und bedeutete ihr damit, dass er sich hinter der Barrikade umsehen wollte. Sie verstand und nahm sofort Stellung um sowohl ihn als auch den Treppenaufgang im Blick zu haben.
    Er tastete sich langsam mit dem Lauf seiner Doppelläufigen um die Möbel herum und erstarrte für einen Moment. Vor ihm lagen ein Mann und eine Frau, tot, und schrecklich verstümmelt. Die Wilden müssen sich ordentlich an ihnen ausgelassen haben. Er sah sich um. Um das Pärchen herum lagen viele Patronenhülsen, sie mussten wohl alles verschossen haben was sie hatten. In den Waffen war keine Munition mehr. Er verzichtete dieses Mal auf eine genauere Untersuchen der Leichen nach Wertvollem.
    Gerade als er sich abwenden und zurück zu Alaine gehen wollte, fiel ihm ein Jamaica Plain Flugblatt, welches unmittelbar neben den beiden Verstorbenen lag, ins Auge. Es hatte den Anschein dass die Frau es in Händen hielt und im Todeskampf fallen ließ. TJ bückte sich kurz um den Flyer aufzuheben. Auf dessen Vorderseite wurde über die Schätze von Jamaica Plain skandiert. Auf der Rückseite stand jedoch etwas handgeschriebenes.
    "Interessant. Moe du dreckiges Schwein." murmelte TJ zu sich selbst, als er hinter der Barrikade wieder erschien und zielstrebig auf Alaine zuschlich. Sie sah ihn fragend an, sein Gesichtsausdruck muss verraten haben das etwas nicht stimmt.
    Gerade als er ihr den Flyer reichen wollte, knarzte es hinter den geschichteten Möbeln, woraufhin die Barriere mit einem lauten Krachen in sich zusammenfiel. Der Lärm musste im gesamten Ort zu hören gewesen sein. Beide sahen sich erschrocken an, im gleichen Moment hörten sie das Stöhnen und Kreischen von Ghulen, scheinbar aus allen Himmelsrichtungen.

  • Rasch drückte sich Alaine an die Wand und schaute über ihre Schulter durch einen Spalt hinaus. Auch TJ ging in Deckung.
    Da kommen ungefähr 15 Guhle die Straße entlang“, beschrieb sie das, was sich vor dem Haus abspielte, „und nur aus dieser Richtung. Keine Ahnung, wie viele es insgesamt sind.“
    Intuitiv prüfte Alaine die Munition ihrer Waffe und lud nach. Ihr Herz raste vor Aufregung, es war eine schwierige Situation. Die Guhle durften sie auf keinen Fall einkreisen. Erst jetzt bemerkte sie die verstümmelten Leichen, die hinter der eingestürzten Barrikade sichtbar geworden waren. Für einen Moment lief es ihr eiskalt den Rücken runter. So würden sie auch enden, wenn ihnen nicht bald etwas einfiel. TJ sprang auf, griff beherzt nach seinem Scharfschützengewehr und ging vor einem eingeschlagenen Fenster in Stellung.
    Was machst du denn da?“, fauchte Alaine.
    Die wissen doch sowieso, wo wir sind“, antwortete er ruhig, aber bestimmt. „Uns läuft die Zeit davon.“
    Er hatte recht. Den Luxus, in Ruhe einen Plan zu besprechen, konnten sie sich nicht leisten. Sie mussten handeln, und zwar schnell. Alaine stand auf, unbewusst fixierte sie erneut die Leichen. Sie schluckte schwer. Ihr Tod musste grausam gewesen sein, aber dem Feld aus leeren Patronenhülsen zu urteilen, das sich vor ihren Füßen erstreckte, hatten sie bis zum Äußersten gekämpft. Doch TJ und sie besaßen genug Munition und Kampferfahrung, um nicht vom selben Schicksal ereilt zu werden.
    Ich gehe runter.“
    Alaine hielt Bessie im Anschlag und ging auf die Treppe zu. TJ öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, nickte jedoch nur kurz. Sie wussten beide, dass Alaine mit ihrer Pistole auf diese Distanz nichts ausrichten konnte. Es half nichts, sie musste näher ran.


    Es war nicht einfach, zwischen den Trümmern im Erdgeschoss eine geeignete Deckung zu finden. Die Wände im vorderen Teil des Hauses waren eingestürzt, nur der Raum, in dem sich die Küche und der Aufstieg in das obere Stockwerk befanden, schien noch intakt. Neben einer alten Waschmaschine ging Alaine schließlich in Position, von hier aus hatte sie den Eingangsbereich gut im Blick. Die Wand hinter ihr und der Treppenaufgang zu ihrer Linken machten es unmöglich, dass ein Guhl in ihren Rücken gelangte. Es gab keinen Fluchtweg, doch das spielte keine Rolle. Wenn sie die Guhle nicht aufhalten konnten, waren sie tot.
    TJ hatte bereits fünf oder sechs Schüsse abgegeben, als der erste Guhle durch die Tür brach. Sie verpasste ihm zwei Kugeln in den Kopf. Dann der nächste, Alaine schoss sein rechtes Bein ab und gab ihm den Rest, bevor er auf sie zu kriechen konnte. Sie schoss wie im Rausch. Ächzen und Stöhnen drang von allen Seiten auf das Haus zu, aber sie hielt die Stellung. Ein Guhl stürzte sich plötzlich auf sie, als sie ihre Waffe nachlud. Nur mühsam schaffte sie es ihn abzuschütteln und schlug mit Bessie auf sein hässliches, triefendes Gesicht ein. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann lag er endlich am Boden. Im oberen Stockwerk rumpelte es, Alaine blickte die Treppe hinauf und entdeckte TJ, der auf halber Höhe mit seiner abgesägten Schrotflinte auf den Eingang zielte. Sie nicken einander kurz zu und bereiteten sich auf die nächste Welle vor, die jeden Augenblick vor ihren Läufen auftauchen würde.


    Es war kein Kampf, es war ein Massaker. Minutenlang zog sich die endlos erscheinende Schleife aus Nachladen und Schießen. Nachladen und Schießen. Sie hatten ihre Munitionsreserven beinahe verbraucht, als der Strom an Guhlen endlich nachließ. Der letzte von ihnen fand sein Ende vor TJs Lauf, dann war es auf einmal still. Das Kreischen zwischen den Ruinen erstarb und die Schüsse verhallten in der Ferne, doch Alaine wusste, dass diese Ruhe trügerisch sein konnte. Auch ein Berg toter Guhle vor ihren Augen täuschte nicht darüber hinweg, dass dort draußen noch mehr von ihnen lauerten. Vielleicht in der näheren Umgebung. Sobald sie ihren Auftrag hier erledigt hatten, mussten sie vorsichtig sein. Beim Verlassen von Jamaica Plain durften sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, einem weiteren Ansturm würden sie nicht stand halten.
    So etwas habe ich noch nie erlebt“, stieß TJ hervor.
    Alaine klopfte auf seine Schulter und ein breites Grinsen durchzog ihr Gesicht, plötzlich fingen beide an zulachen. Es war ein befreiendes Lachen. Eines, das man von sich gibt, wenn man etwas geschafft hat, das man für unmöglich hielt. Sie hatte Deacon wirklich einiges zu erzählen, wenn sie zur Railroad zurückkehrte.


    Sie entschieden, eine Weile zu verschnaufen. Alaine überprüfte ihre Vorräte, das Wasser reichte noch für zwei, drei Tage. Sie nahm einen kräftigen Schluck aus ihrer Flasche. Auf dem Weg nach Diamond City mussten sie unbedingt Halt an einer Siedlung machen, auch, um ihre Munition wieder aufzustocken.
    Nachdem sie ein wenig zur Ruhe gekommen waren, reichte TJ ihr ein Blatt Papier. „Das wollte ich dir vorhin schon zeigen“, sagte er. „Ich habe es oben bei den Leichen gefunden.“
    Sie schaute ihn fragend an, warum sollte sie sich einen alten Flyer der Schatzausstellung ansehen? Dann gab er ihr mit der Hand ein Zeichen. Sie drehte den Zettel und entdeckte die Nachricht, die jemand hastig mit schwarzer Schrift geschrieben habe. Damit hatte sie nicht gerechnet.



    Das konnte nicht wahr sein.
    Alaine ballte ihre Hand zur Faust. „Moe, du elender Scheißkerl!“, brach es aus ihr hinaus.„Wir sind also nicht die Ersten, die er losgeschickt hat. Dieser Hund hat ganz genau gewusst, dass hier irgendetwas nicht stimmt.“ Eine Ader an ihrem Hals zuckte. „Wenn wir seinen dämlichen Schläger jemals finden, schlagen wir ihm am besten das Gesicht damit ein.“
    Sie hasste es, hintergangen zu werden. Ohne die Patronen von Carla wären TJ und sie vielleicht zwei weitere Leichen, die er auf dem Gewissen hatte. Wenn er gleich die Wahrheit gesagt hätte, wären sie vorbereitet gewesen. So ein Arschloch! Alaines Finger zitterten vor Wut, sie faltete den Flyer zusammen und verstaute ihn in der Tasche ihres Parkas. Dafür würde er bezahlen.
    Ich habe eine bessere Idee“, sagte TJ süffisant. Er ging auf den roten Sessel zu, der in der Ecke des Zimmers stand. „Wir...“
    KLONG. Ein metallisches Geräusch ließ sie beide erschrecken, nachdem TJ sich hingesetzt hatte. Schnell sprang er wieder auf. Sie schoben den Sessel beiseite und sahen sich erstaunt an, als unter ihm eine Luke zum Vorschein kam.
    Wenn ich etwas verstecken wollte, dann dort unten.“
    Alaine hatte den Griff bereits in der Hand, doch TJ bat sie, noch einen Augenblick zu warten. Sie wussten nicht, was hinter der Luke auf sie lauerte. Er richtete seine Schrotflinte aus, dann zog Alaine die schwere Metallplatte nach oben.


    Doch das Einzige, das ihnen entgegen schlug, war der modrige Geruch feuchter Erde.
    Alaine drückte sich den Ärmel ihres Parkas vor den Mund. Es roch nach Pilzen, aber nicht nach Verwesung. Das erhöhte die Chancen, dass sich in den Tiefen nichts all zu Tödliches verbarg. Mit einer Hand voll weiteren Guhlen oder Kakerlaken würden sie fertig werden. Trotzdem waren sie sich einig, dass sie vorsichtig vorgehen mussten. TJ und Alaine hockten auf dem Boden und diskutieren. Sie entschieden, dass Alaine voraus gehen sollte. Sie konnte unbemerkt in den Keller schleichen und sich umsehen, sollte sie etwas entdecken, würde sie TJ Bescheid geben. Er würde an der Luke warten, mit der Waffe im Anschlag. Bei dem geringsten Anzeichen, dass etwas nicht stimmte, würde er ihr zur Hilfe eilen.
    Sie entsicherten ihre Waffen, dann blickten TJ und Alaine einander an. Sie hatten fast jedes Haus in Jamaica Plain auf dem Kopf gestellt. Sie wussten nicht, ob sie hier richtig waren. Ob hier einst die Bürgermeisterin mit ihrem Mann gelebt hatte, aber ihnen gingen die Optionen aus. Aufgeben kam nicht in Frage, sie würden nicht mit leeren Händen nach Diamond City zurückkehren. Auch wenn Moe Cronin ein Idiot war, ein Auftrag ist ein Auftrag. Die Rechnung für seine Lüge würde er bezahlen, dafür würden sie sorgen.


    Langsam stieg Alaine die Eisensprossen hinunter und befand sich in einem schmalen, niedrigen Gang. Die Beleuchtung war ausgefallen, doch durch die geöffnete Luke fiel genug Licht, dass sie alles gut erkennen konnte. Sie schlich voran, der Gang mündete in einem kleinen Raum. Offensichtlich eine Werkstatt, drei alte Werkbänke und zwei verfallene Schränke standen an den Wänden. Werkzeug lag auf dem gesamten Boden verteilt, der Dicke der Dreckschicht nach zu urteilen, war seit vielen Jahrzehnten niemand mehr hier unten gewesen. Die Einrichtung wirkte marode, Alaine verzichtete darauf, sie näher zu untersuchen. TJs einstürzende Barrikade hatte genug Lärm für einen Tag verursacht.
    Neben der Waffenwerkbank war eine Tür, erst auf den zweiten Blick bemerkte Alaine, dass davor ein Skelett saß. Es hielt eine Petroleumlampe in den knöchernen Händen. Wer auch immer das war, war schon lange tot. Sie schob die Gebeine zur Seite und drückte die Klinke hinunter, mit einem Knarzen schwang die Tür auf. Seltsames grünliches Licht fiel durch den Spalt. Der hintere Teil des Raumes war eingestürzt, Hirnpilze und leuchtende, kleine Rüblinge überwucherten die feuchten Erdmassen. Der Gestank war unerträglich. Alaine spürte, wie ihr Gaumen langsam anschwoll. Sie unterdrückte ein Husten und ging hinein.


    Ein merkwürdiger Raum, der Boden war bedeckt mit Wimpeln und alten Fotos. Die meisten waren durch die Feuchtigkeit fast vollständig zersetzt, doch auf einigen schienen Männer in Sportkleidung abgebildet zu sein. Baseballspieler? Alaines Herz machte einen Sprung. Das Licht der Pilze reichte nicht aus, um alles erkennen zu können. Sie ging zurück und hob die Petroleumlampe auf, sie funktionierte noch. Erleichtert durchsuchte Alaine den Raum, sie entdeckte Stühle, Sessel, zerschlagene Bierflaschen und etwas, das vielleicht einmal ein Fernseher gewesen war. Hier hatte wohl jemand kein Spiel seiner Lieblingsmannschaft verpasst.
    Gut versteckt hinter aufgestapelten Bierkästen fand sie endlich, wonach sie die ganze Zeit suchte: Den Safe. Franz Jäger, Bosten 1944. Ein uraltes Stück, Alaine hatte noch nie einen davon mit eigenen Augen gesehen. Sie stellte die Petroleumlampe neben sich und untersuchte den Safe. Sie wusste nicht, ob sie ihn knacken konnte. Das Rad war schwergängig, vielleicht mussten sie ihn aufsprengen. Sie überlegt, ob sie TJ von ihrer Entdeckung berichten sollte, entschied dann aber erst einmal in Ruhe selbst Hand an den Safe zu legen. Was konnte schon schief gehen? Sie drückte ihr Ohr an die kalte Tresortür und lauschte, plötzlich hörte sie ein seltsames Geräusch. Es klang, als würde jemand Haut von einem Knochen ziehen. Schmatzend, glitschend. Im Augenwinkel sah sie etwas Grünes. Ein riesiger leuchtender Guhl schälte sich zwischen den Hirnpilzen hervor und rannte in ihre Richtung. Sie schrie vor Schreck auf.

    I really want to know how the Big One started. What idiot fired first? Why? What the hell did they think they'd gain?
    -Deacon-

  • Alaine bog in den kleinen Nebenraum den sie sich zur Erkundung ausgesucht hatte. Sie verschwand durch die behelfsmäßig abgestützte Tür und ließ TJ im Hauptraum allein. Die Luft roch modrig, das Atmen war ihnen sehr unangenehm. Während er die noch vorhandenen Schränke und Stauräume untersuchte, hörte er wie Alaine im Nebenraum gleiches tat. Alte Zeitungen, Vorkriegsgeld, zerfledderte Comics - nichts was sich in Kronkorken umwandeln ließ. Überall auf dem Boden verstreut lagen Baseballkarten. Die meisten waren schon verrottet und unleserlich, daher schenkte TJ ihnen keine Beachtung. Er sah sich weiter um, hob hier und da etwas an um darunter sehen zu können, aber auch hier waren keinen Reichtümer zu finden. Dann sah er einen kleinen Wandsafe dessen eiserne Tür einen Spalt offenstand. Er streckte die Hand aus um sie ganz zu öffnen und in den Safe hineinzusehen. Er berührte beinahe das kalte Eisen, als plötzlich ein markerschütternder Schrei zu hören war. TJ schreckte zurück, seine Gedanken flogen nur so durch seinen Kopf, dann konzentrierte er sich auf die Herrkunft des Schreies. *Alaine!* schoss es ihm durch den Kopf. Er drehte sich blitzschnell auf den Fersen und hechtete in Richtung des Durchgangs durch den Alaine kurz zuvor verschwunden war. Während der wenigen Schritte die er bis zur Tür brauchte, zog er seine Schrotflinte und nahm sie in Anschlag. Als er den Raum erreichte, erstarrte er beinahe. Ein riesiger leuchtender Ghul hastete blutrünstig auf Alaine zu, die in der Ecke des Raumes hockte. Er konnte nicht einfach schießen ohne sie zu treffen. Die Sekunden verstrichen wie in Zeitlupe, als ob er in einem Glas voll Honig säße. Es gab nur eine Möglichkeit. TJ lies seine Flinte fallen, und noch ehe sie auf dem Boden schlug hatte seine rechte Hand den Griff seines Colt gepackt. Der Leuchtende hatte Alaine beinahe erreicht, sabbernd und geifernd stieß er schier unaufhaltsam auf sie zu. Sie war starr vor Angst und auch Tarko musste sich überwinden seinen Körper in Bewegung zu halten. Der Colt schnellte nach vorne, sein Lauf auf den verwesenden Körper des Ghuls gerichtet, die Zeit schien still zu stehen. Er visierte den Rücken des Ghuls auf Brusthöhe an und drückte ab. Der Schall des Schusses füllte in Sekundenbruchteilen den ganzen Raum aus, sodass es in seinen Ohren schmerzte. Ungeachtet dessen schoss er ein weiteres Mal, dieses Mal in das rechte Bein, und zerschmetterte damit das Knie des Wilden. Gröhlend und geifernd nach Fleisch brach der Ghul über Alaine zusammen, während sie einen erstickenden Schrei tat. TJ konnte sie unter dem massigen Leib des Wilden nicht ausmachen, also verzichtete er auf weitere Schüsse.
    "Alaine!" schrie er und stürzte sich sogleich auf den Ghul um ihn von ihr zu reißen. "Alaine! Nein!"
    Der Ghul war tot, sein Körper schwer und schlaff. TJ konnte ihn ein Stück zur Seite ziehen und Alaine dadurch freilegen. Sie atmete schwer, schien aber bei Bewusstsein. Zitternd lag sie unter dem Ghul, beide Hände zu einer Faust geballt mit der sie ihr Stiefelmesser hielt. Die Klinge des Messers steckte im Hals des Toten.
    "Alaine! Alles ok? Bist du verletzt? Geht es dir gut?" keuchte er völlig außer Atem.
    "Ja, ich glaube mir geht's gut." gab sie mit zitternder und leiser Stimme zurück.
    Als sie sich unter dem Ghul hervorziehen und sich mit den Armen befreien wollte, verzog sie ihr Gesicht vor Schmerz. Dann sah TJ eine klaffende Wunde an ihrem rechten Oberarm. Sie sah sehr tief schmerzhaft aus. Der Ghul musste ihr mit seinen Krallen die Haut samt Muskelfleisch aufgerissen haben.
    "Du bist verletzt, lass mich dir helfen." sie lehnte nun mit dem Rücken am Safe, der Tote lag neben ihnen. "Ich muss das behandeln, sonst bekommst du eine Infektion. Das wird nicht einfach, aber" während er sprach löste er zwei Schrotpatronen vom Halfter und biss die Kappen ab "ich muss die Wunde ausbrennen. Tut mir leid, das wird jetzt sehr unangenehm. Hier," er zog den Gürtel aus seinem Hosenbund und reichte ihn ihr "beiß' da drauf." Zögernd nahm sie den Riemen entgegen, biss schließlich hinein während er das Schießpulver großzügig über die offene Wunde verteilte. Als er ein altes Sturmfeuerzeug zückte und entflammte, sah sie in die andere Richtung und kniff die Augen zu.
    "Ich zähl' bis drei, dann zünde ich." Sie zitterte "Eins..."
    Das Zischen der Flamme kam plötzlich und ihr Feuerschein erhellte kurzzeitig den gesamten Raum, dann stank es nach einer Mischung aus Schwarzpulver und verbrannter Haut. Sie schrie durch ihre verschlossenen Kiefer während sie ihre Zähne tief im Leder des Gürtels vergrub.
    "Das war's schon. Sieht gut aus." gab er ihr zu verstehen. Sie spie den Gürtel aus und sah ihn wutentbrannt an, dann schrie sie erneut, aber dieses Mal vor Zorn.
    "Du dämlicher Arsch! Du hast bei DREI gesagt!" Der letzte Satz verlor jedoch an Kraft und sie hielt sich den Arm und verbarg die Verletzung vor ihrer Brust.
    "Tut mir leid." TJ sprach beruhigend auf sie ein. "Lass mich das verbinden."
    Er kramte einen Stofffetzen aus seiner Jackentasche hervor und wickelte ihn so gut es ging um die Wunde. Alaine atmete schnell und flach, sie hatte Schmerzen.
    "Hast du Stimpaks?"
    "Ja, ein paar." presste sie heraus.
    "Dann nimm eines bei Bedarf."
    Er half ihr auf die Beine und als sie wieder festen Stand hatte, trat sie dem toten Ghul mit aller Kraft ins Gesicht.
    "Spar dir deine Kräfte, wir müssen dich zurück nach DC bringen, damit du einen Arzt aufsuchen kannst"
    "Verfluchter Ghul." sie ließ einen Blick voller Verachtung auf den Toten fallen.
    "Wir bleiben ab jetzt zusammen. Keine Alleingänge mehr." gab er zu verstehen und sie nickte bereitwillig. "Wie fühlst du dich?"
    "Es tut weh. Der Arm fühlt sich nicht gut an" Sie rieb sich vorsichtig mit der freien Hand über den provisorischen Verband.
    "Lass uns das Ding hier öffnen und dann verschwinden." sie kickte dabei leicht mit dem Fuß gegen den Tresor.
    "Der sieht ziemlich massiv aus," stellte TJ mürrisch fest "ich glaube nicht das ich das Schloss knacken kann. Du?"
    "Ja, ich denke schon. Aber ich werde deine Hilfe brauchen."

    Der Safe erwies sich als recht widerspenstig, die beiden hatte alle Mühe ihn zu öffnen, aber dennoch gab er nach einiger Zeit nach und seinen Inhalt frei. Alaine und TJ staunten nicht schlecht als sie sahen was alles darin verborgen war. Neben dem üblichen Tand und Munition lagen auch Gold, Silber und ähnlich wertvolle Dinge darin. Dann zog sie das Objekt ihrer Begierde ins schummrige Licht des leuchtenden Ghuls, den 2076 World Series Basballschläger. TJ sah Alaine an und sie erwiederte seinen Blick.
    "Wir werden Moe seinen Schädel mit dem Ding einschlagen."
    "Und zwar solange bis er lacht."

    Sie rafften alles was sie brauchen und tragen konnten zusammen und machten sich auf den Weg zurück an die Oberfläche. TJ musste Alaine auf den rostigen Stufen etwas stützen, sie konnte ihren verletzten Arm nicht benutzen. Oben angekommen atmeten beide mehrmals tief ein und aus. Hier war die Luft wunderbar frisch und voller Sauerstoff. Bevor sie den ganzen Ort verließen, beobachteten sie die umliegende Gegend nach weiterer feindlicher Bewegung, konnten aber keine entdecken. Zügig, aber nicht zu eilig, traten sie den Weg nach Diamond City an. Zu Moe, der Scheißkerl war ihnen was schuldig und es war weitaus mehr als in der Abmachung verabredet. Und sie würden sich schon ihre Belohnung von ihm holen, so viel war sicher.

    >>>> gehen nach Diamond City >>>>

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